Unleaving (Review)

Artwork zu Unleaving

Über Kunst lässt sich bekanntlich vortrefflich (und vergeblich) streiten. Egal ob es nun um Malerei, Literatur oder unser aller liebstes Medium, Videospiele, geht. Wir können uns über den Einsatz gewisser Stilmittel, Handwerkskniffe und sonstiger objektiver Kriterien austauschen, doch deren “Sinn” innerhalb eines Werkes oder ihre Wirkung auf uns ist wie zu oft enorm individuell. Ich spreche das an, weil dieses Review mich wieder an diesen Punkt bringt, den ich schon so oft hatte. Unleaving ist ein weiterer Beleg dafür, dass Kunst subjektiver Natur ist. Reviews aber sollten so objektiv wie möglich sein, damit ihr euch eure Meinung so unbeeinflusst wie möglich machen könnt. Doch wie sehr ist das wirklich möglich?

Unleaving und seine malerische Kulisse

Denn ich bin der Auffassung, dass jedes Review weitestgehend subjektiver Natur ist. Und Unleaving ist ein wunderschönes Beispiel, um diesen Punkt zu unterstreichen. Das 2D-Adventure wirft uns in die Haut eines jungen Mädchens, welches in den knapp zwei Stunden Spielzeit eine recht malerische Reise unternimmt. Im wortwörtlichen Sinne, denn Unleaving versteht sich selbst als eine Art Kunstprojekt. Jeder Frame des Spiels besteht aus realen Gemälden, geschaffen auf Leinwand und digital für Unleaving bearbeitet. Jedes Asset des Adventures soll laut Aussagen des Studios individuell sein, wodurch keine Szenerie der nächsten gleicht.

Und so führt uns unsere Reise vorbei an wunderschönen Blumenfeldern, entlang eindrucksvoller Himmelskulissen durch traumwandlerische Welten. Doch sie führt uns auch in dunkle Ecken der Psyche des von uns begleiteten Mädchens. Unleaving strotzt nur so vor Symbolen und begleitet wird alles vom Text, der existenzielle Fragen zu stellen scheint. Leider wirkte die so erzählte Geschichte – wenn auch schön durch Malerei und Akustik präsentiert -auf mich sehr steif und unfokussiert. Und auch die nonverbale Narrative, bestehend aus den Symbolen und zuweilen der Ästhetik der Rätsel, konnte mich nicht überzeugen, geschweige denn berühren.

Mir fallen im direkten Vergleich zu Unleaving zwei “ähnliche” Spiele ein. Vor zwei Jahren habe ich hier im Gaming-Village das Adventure Voyage besprochen. Auch dieses hat mich von seiner künstlerischen Seite, geschweige denn der spielerischen, nicht zu überzeugen gewusst. Ganz anders damals Gris, welches ich wunderschön, klar und deutlich in seiner Symbolik und Narrative, wenn auch spielerisch ausbaufähig hielt. Und irgendwie ordnet sich Unleaving genau zwischen diese beiden Titel ein.

Ein Schatten seiner selbst

Screenshot aus Unleaving

Unleaving ist unter seiner künstlerischen Oberfläche nämlich kein zu unterschätzendes Videospiel. Ähnlich wie Spiele á la Voyage, Planet of Lana oder auch Limbo – also all die künstlerischen 2D-Puzzle-Platformer, welche im Indie-Bereich so hohe Beliebtheit haben – versucht Unleaving unsere Reise mit vereinzelten Rätsel- und Sprungpassagen für Abwechslung zu sorgen.

Diese sind meiner Ansicht nach allerdings ein zweischneidiges Schwert. Ich mag den Abwechslungsreichtum, den Unleaving hier an den Tag legt. Hier ein Puzzle mit Gravitation, dort eine abstrakte Schattenspielerei. Rätselidee und Platforming gehen Hand in Hand und wären – in der Theorie – echte Highlights. Auch das Hinweis-System, wenn man an einem Rätsel verzweifelt (oder sehr oft sterben sollte), hat mir gut gefallen. Es gibt uns eine kurze Grafik, die auf etwas lose hindeutet, was wir brauchen. Besser, als direkt mit der Nase darauf gestoßen zu werden.

Aber auf der anderen Seite steht die Ausführung der jeweiligen Rätsel. Die Physik des Spiels sowie das Movement des Mädchens sind zäh und unpräzise, was häufig für sehr frustige Momente sorgt. Oder es stellt sich, wie bei einem von mir gehassten “Büffelrodeo”, als physikalisch nicht stimmig zum Rest des Spiels dar. Dazu kommen visuelle Hinweise in den Leveln, die extrem subtil sind und man sich auf diese Weise hätte sparen können. Sowie Timing-basierte Momente, die nichts anderes als Trial & Error darstellen und die durch das zähe Movement umso ärgerlicher ausfallen.

Ein Spiel – aber für wen?

Um daher nochmal auf meine Vergleichsspiele zurückzukommen: Genau wie Voyage hat mich das künstlerische Element und die Narrative von Unleaving nur schwer begeistern können. Und genau wie bei Gris lässt das Gameplay trotz toller Ideen viele Wünsche offen. Ist Unleaving daher objektiv durchgefallen?

Dies würde ich auf alle Fälle nicht behaupten. Unleaving ist in der Riege der zahlreichen 2D-Kunst-Plattformer im Indie-Bereich sicherlich im Mittelfeld angesiedelt. Es hat einige gute Ideen im Gamedesign und die Verzahnung der künstlerischen Elemente klappt meiner Ansicht nach gut. Auch wenn mich diese auf subjektiver Ebene leider nicht abgeholt haben. Doch aller guten Ideen zum Trotz stellt sich Unleaving selbst immer wieder ins Abseits. Die Ausführung der Rätsel sowie die grundlegende Physik des Spiels stehen dem Spielspaß häufig im Weg. So steht eine Empfehlung nur für diejenigen im Raum, die einem Videospiel als Kunstprojekt offen gegenüberstehen. Diese Geschmäcker dürfte Unleaving sicherlich treffen können.

Auf PC durch malerische Landschaften gewandelt. Ein herzlicher Dank geht an orangutan matter Games für die Bereitstellung eines Mustercodes.