Banjo-Tooie (Review)

Banjo-Tooie hat wohl eine der bemerkenswertesten Ankündigungen der Videospielgeschichte erlebt. Wenn man Banjo-Kazooie komplettiert hat, wurde in einem verlängerten Abspann das Sequel nicht nur angekündigt, sondern sogar mit zusätzlichen Geheimnissen in der Spielwelt von Banjo-Kazooie verknüpft, die aber erst mit Erscheinen von Banjo-Tooie verfügbar werden sollten. Die zugrundeliegende technische Spielerei wurde zwar auf Drängen Nintendos verworfen, doch Banjo-Tooie hat zum Ende der Nintendo 64-Ära dennoch den Weg in die Modulschächte geschafft.

Banjo und Kazooie können nach ihrem Abenteuer in Banjo-Kazooie zufrieden sein. Die fiese Hexe Gruntilda ist sicher unter einem riesigen Felsbrocken begraben und im Umland des Spiral Mountains ist Ruhe eingekehrt. Doch eines Tages, als Banjo, Kazooie und ihre Freunde munter Karten spielen kommt es zu einer fulminanten Erschütterung. Die Schwestern von Gruntilda sind nämlich in Spiral Mountain eingetroffen und haben der mittlerweile bis auf die Knochen heruntergehungerten Gruntilda unter ihrem Felsbrocken hervorgeholfen. Gruntilda sinnt erwartungsgemäß nach Rache und wenige Minuten nach Spielbeginn muss der kurzsichtige Maulwurf Bottles für die Unterstützung von Bär und Vogel mit seinem Leben bezahlen. Banjo und Kazooie können natürlich nicht zulassen, dass Gruntilda weiter wütet und machen sich auf, die grässliche Hexe zu stoppen.

Banjo-Tooie beginnt, wie schon Banjo-Kazooie beim Spiral Mountain, der allerdings durch Gruntildas Wüten ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde. Praktischerweise wurde so auch ein Loch in eine der umgebenden Wände gerissen, das es Banjo und Kazooie erlaubt, in die Außenwelt vorzudringen und eine noch wesentlich größere Oberwelt zu erkunden. Spiral Mountain dient derweil als Tutorialumgebung, um sich noch einmal mit den aus dem ersten Teil übernommenen Fähigkeiten vertraut zu machen. Statt wie beispielsweise Metroid den beiden ihre Fähigkeiten zu nehmen, die sie im ersten Teil erworben haben, startet das Duo mit dem vollen Bewegungsrepertoire aus dem Erstling.

Das soll jedoch nicht bedeuten, dass sich die Mechanik in Banjo-Tooie nicht mehr im Spielverlauf weiterentwickelt. Bottles militärisch geschulter Vetter springt nämlich ein und lehrt die beiden zahlreiche weitere Moves. Wie man vielleicht, in Anbetracht der recht umfänglichen Nutzung des Nintendo 64-Controllers durch Banjo-Kazooie erahnen kann, ist ein Großteil der neuen Moves kontextabhängig, wobei wohl der prägendste neue Move die Möglichkeit ist, Banjo und Kazooie aufzuteilen. Auf entsprechenden Platten kann man das Duo aufsplitten und verliert so zwar einige Fähigkeiten, gewinnt aber andere dazu. Banjo kann seinen jetzt leeren Rucksack nutzen, um darin zu hüpfen oder andere Objekte darin zu transportieren, Kazooie kann ohne den dicken Bären im Schlepptau viel ungehemmter durch die Luft fliegen. Zum Ende des Spiels sind die Fähigkeiten so mannigfaltig, dass ein dritter Teil wohl nicht umhinkäme, die Fähigkeiten ein wenig einzuschränken.

Auf den ersten Blick folgt Banjo-Tooie der Struktur von Banjo-Kazooie sehr genau. Es gibt eine Oberwelt, in der es insgesamt neun Level zu entdecken gibt, die ihrerseits sehr offen gestaltet sind und die jeweils zehn Hauptaufgaben bieten, die mit einem goldenen Puzzleteil (hier Puzzlo genannt) entlohnt werden. 100 Noten sind zudem an verschiedenen Stellen der Spielwelt verteilt. Allerdings gibt es in Hinsicht auf die Noten gleich zwei Änderungen. Einerseits werden jetzt auch auf dem Nintendo 64 alle Noten gespeichert, die man gesammelt hat, so dass man sie nicht erneut sammeln muss. Gleichzeitig wurden die Noten in Gruppen zu je fünf Noten zusammengefasst, die über ein Sammelitem vergeben werden. Das hat allerdings zur Folge, dass die Noten – gerade in Anbetracht der deutlich größeren Level – einen wesentlichen Teil ihrer Lenkkraft verlieren. Es gibt nun einfach zu wenig Noten, um den Spieler noch effektiv an die verschiedenen Schauplätze zu lotsen.

Gleichzeitig wurden die Level drastisch vergrößert. Schon das erste Level des Spiels, Mayahem Tempel, hat eine Fläche, die im Erstling allenfalls von Click Clock Woods erreicht wurde. Zwar sind die Level weiterhin in individuelle Teilbereiche unterteilt und über auffällige Wegpunkte markiert, dennoch geht die Einfachheit der Navigation des ersten Banjo-Kazooies ein Stück weit verloren. Sich in Banjo-Tooie zurechtzufinden bedarf einen sehr wachen Spielstil. Erschwert wird das durch eine Designentscheidung, die gleichzeitig eine besondere Stärke des Designs darstellt. In Banjo-Tooie stehen die Level nämlich nicht nur für sich, sondern sind auf zahlreiche Weisen – durch Geheimgänge, Abkürzungen, wechselseitige Effekte – miteinander verwoben. Dadurch, wie durch die offene Spielstruktur und die freischaltbaren Fähigkeiten erhält Banjo-Tooie einen gewissen Metroidvania-Einschlag, bedarf aber auch immer mehr geistiger Kapazitäten um die zahlreichen offenen Fäden im Blick zu behalten.

Zwar kann man auch strikt eine Mission nach der anderen abarbeiten, aber dabei wird es einem immer wieder passieren, dass man an ein totes Ende stößt, weil der nächste Schritt erst getan werden kann, wenn man in einer anderen Welt aktiv geworden ist. Zudem ist es so, dass viele Missionen, wenn man sie strikt separat spielt, sehr viel Redundanz in ihren Wegen haben. Hierzu tragen vor allem die verschiedenen Figuren im Spiel bei. Man spielt als Banjo-Kazooie, Banjo oder Kazooie allein, Mumbo oder als verwandelte Banjo und Kazooie. Jede dieser Optionen bedarf der Interaktion mit einem bestimmten Punkt in dem jeweiligen Level und eine ganze Menge Aufgaben involvieren zwei oder sogar mehr dieser Formen. Eine effiziente und unterhaltsame Spielweise verlangt also geradezu vom Spieler, die offenen Teilaufgaben verschiedener Puzzlos im Blick zu haben und einen Charakterwechsel zu nutzen, um auf mehreren Pfaden Fortschritte zu erzielen. Im Ergebnis verlangt Banjo-Tooie, um wirklich viel Spaß machen zu können, vom Spieler eine ziemlich ungewöhnliche geistige Anstrengung und wenn das nicht gelingt, riskiert man im Spiel wahlweise zu irrgeistern, weil man sich nicht zurechtfindet, oder sich mit nervigen Teilschritten aufzuhalten, die ohne sinnvolle Organisation der Aufgaben zu viel Redundanz mit sich bringen.

Thematisch sind die Welten eine klasse Ergänzung zu Banjo-Kazooie, die auch mit Ideen des Originals spielen. So gibt es ein Dinosaurierlevel namens Terrydactyland, in dem man sich in einen T-Rex verwandeln kann – sowohl einen Baby-T-Rex als auch einen ausgewachsenen -, eine Cirucs-Welt oder eine schmutzige Lagune komplett mit einer zwielichtigen Bar. Der beißende britische Humor ist im zweiten Teil noch etwas fieser und die Szenarien und Charaktere bleiben mühelos im Gedächtnis. Deutlich mehr setzt das Spiel außerdem auf kleine Minispiele und Endgegner-Szenarien, auch wenn das Platforming und die Erkundung weiterhin klar im Mittelpunkt stehen.

Technisch ist Banjo-Tooie, insbesondere unter Berücksichtigung der enormen Weitsicht in gigantischen Levels, sehr beeindruckend, muss aber auf dem Nintendo 64 mit einer äußerst instabilen Framerate und damit einhergehend Spielgeschwindigkeit – die Spiellogik ist nämlich an die Framerate gekoppelt – erkauft werden. Wer kann, sollte Banjo-Tooie daher eher auf der Xbox 360, One oder Series X|S spielen, wo das Spiel mit konstanten 30fps zwar nicht eine optimale Framerate, wohl aber eine flüssige Spielerfahrung bietet. Musikalisch wird auf den Konzepten des Erstlings gekonnt aufgebaut und wieder hervorragende Kost geboten, die aber nicht ganz die zuverlässige Eingängigkeit des ersten Soundtracks replizieren kann.

Banjo-Tooie ist ein beeindruckendes und sorgfältig designtes Spiel, das aber in vielerlei Hinsicht nur für geübte und geduldige Spieler geeignet ist. Die Designleistung durchaus beeindruckend, aber wesentliche Errungenschaften von Banjo-Kazooie, gerade in Hinsicht auf die Leichtigkeit der Navigation und die intuitive Spielbarkeit gehen in einem Gigantismus und einer Vorliebe für geradewegs prahlerisches Design unter. Banjo-Tooie ist im Ergebnis immernoch ein tolles Spiel, aber eines, das sich selbst viel zu oft unnötig im Weg steht.

Getestet auf Nintendo 64, Xbox 360 und Xbox Series X.