Little Goody Two Shoes

Erinnert ihr euch noch an die großen 90er-Animeserien wie Sailor Moon? Ich nicht so genau, aber die optische Anlehnung daran in Little Goody Two Shoes kann ich gerade noch erkennen. Inklusive leichter Bildkörnung. Auch ein Intro mit Gesang darf nicht fehlen.

Aber was mich beim Ansehen des Trailers wirklich überzeugt hat, war neben dem Artstyle das Setting. Nein, nicht wegen der Hexen, auch wenn das wohl naheliegt. Little Goody Two Shoes spielt in einem deutschsprachigen, pseudomittelalterlichen Dorf namens Kieferberg. Dort leben Leute mit typisch deutschen Namen wie Heinrich, Eugen, Lebkuchen und – mein persönlicher Favorit – Grüne. Großartig. 

Zusammen mit den christlichen Textzeilen in jedem Menüpunkt kam ich zu Spielbeginn gar nicht aus dem amüsierten Grinsen heraus. Ach, hätte das doch nur so weitergehen können!

Dabei war vor dem Spielen meine größte Sorge, das narrative Horrorabenteuer könnte für mich zu gruselig sein.

Einsam in einem Haus im Wald

Protagonistin von Little Goody Two Shoes ist Elise, fast 19, die nach dem Tod ihrer Großmutter allein in einer Hütte abseits des Dorfes lebt. Ihre Tage verbringt sie damit, für die Leute im Dorf zu arbeiten. Wer kann ihr da verdenken, dass sie davon träumt, einmal selbst bedient zu werden, reich und verehrt zu sein?

Das Management von Elises Alltag war ein weiterer Faktor, der mich neugierig gemacht hat. Schließlich habe ich mich schon um das eine oder andere Mädchen gekümmert. Hier kommt noch dazu, dass Elise essen muss, um micht zu verhungern. Obendrein halte ich auch ihren seelischen Zustand im Auge. Bei allem, was sie erlebt, ist das auch wichtig.

Elises Tage sind gefüllt mit Story, Arbeit und Dates. Eine richtige Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bekommen! Natürlich möchte Elise dem ganzen Stress am liebsten entkommen. Und schon entfaltet sich ein düsteres Märchen.

Story

Das kleine Dörfchen verehrt die Heilige Walpurga und bereitet ihr zu Ehren ein Fest vor. Eine Woche vorher beginnen jedoch merkwürdige Dinge zu geschehen. Elise findet rote Schuhe in ihrem Garten, Pferde verschwinden, Hinweise auf die Hexe, die im Wald leben soll, verhärten sich. Als Mädchen ist Elise natürlich ohnehin schon verdächtig, aber dass sie im Wald lebt und den Dorfmenschen die Stirn bietet, hilft da auch nicht. Eine weitere Aufgabe ist für mich also, sie Verdächtigungen zu entschärfen, die sich bald auch auf Elises neue Mitbewohnerin Rozenmarine ausweiten. Die nicht unbedingt kooperativ ist. Einmal davon abgesehen, dass sie sich teilweise sehr verdächtig verhält. 

Morgens schaut Elise zuerst, was im Dorf los ist. Jeder Morgen toppt den vorangegangenen, reibt das Dorf mehr auf, verstärkt die üblen Verdächtigungen, die immer weitere Teile des Dorfes betreffen. Elise allein kann da nur bedingt viel erreichen, wenn sie darauf besteht, dass die Hexe nicht existiert und schon gar nicht eine von ihnen sein kann.

Nachts, während der Witch Hour, zieht es Elise in den Wald. Ein nachvollziehbares Versprechen und die fehlende Möglichkeit, sich allem zu entziehen, drängen sie immer wieder dorthin. Denn Er besitzt die Kraft, ihr ihren größten Wunsch zu erfüllen. Drei Geschenke muss sie Ihm (Him) bringen, für die sie in den Wald muss. Besonders die good company bereitet mir Sorgen, aber Elise ist zu sehr gefangen in ihren Pflichten und der Aussicht auf ein reiches Leben, dass ihr das nicht allzu merkwürdig vorkommt. Aber schließlich wissen wir beide nicht, was letztlich passieren wird, oder?

Arbeit

Nach der Story kommt die Arbeit. Die unter Umständen auch ein Vergnügen sein kann. Eine Handvoll Minispiele bietet Little Goody Two Shoes dafür an. Abhängig davon, wie gut ich abschließe, wird Elise bezahlt. Entsprechend habe ich also eher die Minispiele häufiger gespielt, bei denen ich besser abgeschnitten habe. 

Aufgemacht sind Elises Jobs wie Arcade-Maschinen. Jedes Minispiel umfasst zwei Runden und nutzt in der Regel nur zwei Tasten. Mal sammelt Elise Hühnereier, mal Äpfel. Oder sie sammelt Holz. Die Kinder aus dem Dorf bezahlen sie sogar dafür, wenn sie mit ihr spielen. Leider kam ich mit deren Minispiel überhaupt nicht zurecht, weil ich nie den richtigen Zeitpunkt getroffen habe, ihre Ratte zurückzuschlagen. Am besten habe ich dabei abgeschnitten, wenn ich herabfallende Äpfel aufgefangen habe. Das Holzhacken war auch sehr lustig. Bloß nicht stattdessen mit der Axt auf ein Huhn losgehen!

Anfangs hatte ich ein wenig Sorgen, dass die vier Minispiele etwas zu repetitiv werden, aber für einen Spieldurchlauf ist die Varianz in Ordnung. Nur für alle zehn Enden wiederholt sich dann doch ein wenig zu viel, selbst wenn man das Spiel nicht unbedingt jedes Mal komplett durchspielen muss.

Mit dem verdienten Geld kaufe ich Lebensmittel oder Heilmittel. Denn jede vergehende Tageszeit kostet einen Nahrungspunkt. Oder sogar drei, wenn Rozenmarine bei Aufgaben helfen soll, um zu vermeiden, dass sie sich stattdessen in Kieferberg verdächtig macht. Hilft sie nicht, muss Elise (und damit ich) am Abend Schadensbegrenzung betreiben.

Die Lebensmittel sind aber nicht nur für Elise. In Kieferberg lebt auch ein Mädchen, das seine Nase gern in fremde Angelegenheiten steckt. Zum Glück ist sie auch ein kleiner Vielfraß, also kann Elise sie bestechen. Auch wenn sie jeden Tag etwas teurere Lebensmittel verlangt. Bekommt sie nicht, was sie verlangt, heizt sie die Verdächtigungen ebenfalls an.

Die Heilmittel sind vor allem während der Witch Hour wichtig. Denn dort ist alles darauf aus, Elise zu töten. Besonders aber Stacheln mit schwer durchschaubaren Hitboxen. Da fühlt man sich fast wie bei Super Mario Maker 2. Hin und wieder finde ich bei der Erkundung auch Beeren oder Pilze, die Herzen auffüllen, aber insgesamt werden Heilmittel doch sehr schnell sehr knapp.

Dates

Little Goody Two Shoes bietet insgesamt drei potenzielle Love Interests für Elise an. Eine davon schenkt Elise jeden Abend zwei Brote. Eine wahre Lebensretterin!

Dates sind etwas komplizierter, als einfach nur irgendeinen Job zu erledigen. Denn sie finden zu bestimmten Zeiten statt – Elise kann also nicht stattdessen zuerst arbeiten und danach dann zu ihrer Herzensdame gehen. Außerdem erhöhen Dates auch Elises Hunger. Und wir wollen ja nicht, dass sie nach einem Date verhungert. Reicht schon, dass sie mir einmal über Nacht verhungert ist. Armes Ding.

Für meinen ersten Durchgang habe ich mich erst einmal auf eine der Optionen fokussiert. Freya, eine Schneiderin mit einem guten Auge für Details. Sie ist von Anfang an an Elise interessiert und macht daraus auch keinen Hehl. Die beiden sind sehr niedlich zusammen. Ähnlich wie bei Story of Seasons gibt es hier auch manchmal Entscheidungsmöglichkeiten, die bei dem engen Zeitrahmen gut bedacht sein wollen.

Witch Hour

Die meiste Zeit habe ich in Little Goody Two Shoes allerdings eindeutig während der Witch Hour verbracht. Dann, wenn Elise im Wald unterwegs ist. Bei jedem ihrer Besuche verändert er sich abhängig davon, in welchem Storyabschnitt ich mich befinde. Dann werden unterschiedliche kleine Dungeons aus dem Wald, die mit Rätseln verbunden sind. Speicherpunkte sind ungleichmäßig verteilt, sie zu nutzen ist aber äußerst wichtig. An einer Stelle legt das Spiel sogar nahe, zu speichern.

Denn nächtliche Waldspaziergänge können tödlich enden.

Mal rennt Elise in Stacheln, mal picken sie riesige Vögel hinter Bäume an, mal verfolgen sie Geisterwesen. Tragischerweise ist Elise trotz all der harten Arbeit ein zartes Pflänzchen. Besonders im Verlauf und in den Bosskämpfen leert sich ihre Gesundheitsleiste ziemlich schnell.

Noch tragischer ist allerdings, dass die besonders tödlichen Stellen gern hinter Storygesprächen stecken. Die muss ich dann jedes Mal wieder vorspulen. So habe ich nicht die Anspannung gefühlt, Elise am Leben erhalten zu müssen, sondern war irgendwann nur noch ermüdet. 

Obendrein besteht die Gefahr, sich in eine Sackgasse zu speichern, aus der man nur noch entkommt, wenn man quasi perfekt spielt. Ganz so extrem war es bei mir nicht und es gibt ausreichend unterschiedliche Speicherplätze, aber Versehen können immer passieren. Außerdem waren meine Heilmittel trotzdem oft sehr knapp, gerade wenn die einfacher zu beschaffenden Heilmittel kaum einen Treffer ausgleichen.

Am allertragischsten ist allerdings, dass ich abseits der tödlichen Stellen richtig Freude mit Little Goody Two Shoes hatte.

Horror?

Freude mit einem Horrorspiel? Zugegeben, die Abschnitte abseits der Witch Hour sind zu großen Teilen nicht besonders unheimlich. Die düstere, bedrückende Stimmung, je mehr bedrohliche Dinge geschehen, ist sehr gut umgesetzt. Die schockierenden Momente während der Handlung sind für Horrorfans wahrscheinlich nicht besonders unheimlich. Ich fand sie sehr eindrücklich. 

Little Goody Two Shoes setzt nur an einzelnen Stellen aufs Erschrecken, etwa wenn Elise in einer Höhle einen Gegenstand findet und sich auf einmal ein gefährliches Wesen regt. Damit hatte ich nicht gerechnet, weshalb Elise leider einmal gestorben ist, ehe sie fliehen konnte. Oder bei bereits erwähnten Vögeln, die erst einmal unerwartet auftreten. 

Fazit

Mit Little Goody Two Shoes hat AstralShift ein charmantes Gruselspiel im Märchenland mit sehr hübschem Animestil erschaffen. Die Mysterien rund um Kieferberg und den Wald haben mich bei der Stange gehalten. Das allgemeine Management, um Elise gefüttert zu halten, ohne die Dates zu verpassen, ist fordernd, ohne zu überfordern. Allerdings hält Elise nichts aus und an einigen Stellen ist kaum möglich, Treffern zu entgehen. Kluges Speichern ist hier auf jeden Fall angesagt. 

Dank der eindrücklichen Atmosphäre reicht es für mich dennoch aus, um eine grüne Ampel zu erhalten. Das liegt bestimmt nicht am Dorfkind mit dem passenden Namen. 

Herzlichen Dank an Square Enix für die Bereitstellung des Testmusters. Gespielt auf PlayStation 5.