Sonic Superstars (Review)

Mehr als zwei Jahrzehnte mussten Fans des klassischen Sonics zwischen Sonic 3 und Sonic Mania warten, bis sie wieder ein Sonic-Abenteuer spielen konnten, das die markante Physik der Mega Drive-Klassiker originalgetreu umsetzt. Sonic Mania war auch gleich ein großer Erfolg und hat sich einen erstklassigen Ruf bei Langzeitfans erarbeitet. Doch war Sonic Mania in gewisser Weise auch sehr konservativ, hat sogar zahlreiche Levelthemen wiederverwertet und hat sich mit neuen Ideen vornehm zurückgehalten. Sonic Superstars schickt sich dieser Tage an, das klassische Konzept in die Moderne zu bringen.

Ähnlich wie zuletzt Sonic Mania und Sonic Origins beginnt Sonic Superstars mit einer kurzen Comicsequenz, in der gezeigt wird, wie Dr. Eggman und Fang ihre fiesen Pläne aushecken. Als Spieler hat man zunächst einmal die Wahl aus drei Spielmodi, den Storymodus, in dem man wie gewohnt Eggman das Handwerk legt und dabei auch einen neuen Freund kennenlernt, einen Time Attack-Modus und einen VS-Battle-Modus. Letzterer kann online oder lokal mit bis zu acht Spielern gespielt werden und stellt eine Sequenz von drei Aufgaben dar. Diese Aufgaben können zum Beispiel lauten am längsten zu überleben, als erster das Ziel zu erreichen oder die größte Zahl an sammelbaren Sternen aufzulesen. Am Ende einer jeden Runde wird man gemäß seiner Platzierung mit Punkten entlohnt und am Ende der dritten Runde wir dein Gesamtsieger gekürt. Der Modus funktioniert zwar grundsätzlich problemlos, ich kann mir allerdings schwer vorstellen, dass er vielen Spielern im Gedächtnis bleiben wird.

Der Kern des Spiels ist der Story-Modus, in dem man Dr. Eggman mit einem Charakter der Wahl das Handwerk legen kann. Zur Auswahl stehen Sonic, Tails, Knuckles und Amy, die sich jeweils spielerisch leicht unterscheiden. Während Sonic sich voll aufs Rennen und Springen konzentriert, kann Tails mit seinem Propellerschwanz fliegen, Knuckles kann gleiten und klettern, dafür aber etwas weniger hoch springen und Amy beherrscht einen Doppelsprung, der als kleine Absicherung für schwierige Sprünge dienlich ist. Auf Grund der spielerischen Unterschiede zwischen den Charakteren bietet es sich grundsätzlich an, das Spiel mehrfach durchzuspielen, allerdings gibt es auch eine recht klare Schwierigkeitshierarchie, die durch die Charaktere definiert wird. Tails und Amy sind regelmäßig die sicherere Wahl für Anfänger, wohingegen Sonic und Knuckles jeweils kleine Vor- und Nachteile im direkten Vergleich haben. Hat man das Spiel durchgespielt, kann man übrigens noch einen zweiten Durchgang im Sinne des Encore-Modus von Sonic Mania machen, in dem die Level ein wenig variiert werden – meines Erachtens aber nicht zum Besseren.

Die Spielstruktur erinnert zunächst an klassische Sonic-Spiele. So ist das Spiel in mehrere Zonen unterteilt, die jeweils einen bis drei Acts bieten. Sonic Superstars hat allerdings einige spezielle Acts, die nur jeweils von einem festen Charakter gespielt werden können. Das bedeutet jedoch nicht, dass man zwingend das Spiel mehrfach durchspielen muss, um alle Level spielen zu können; die an die einzelnen Charaktere angepassten Acts kann man mit jedem Charakter auswählen, in dem konkreten Act spielt man dann aber den passenden Charakter.

Wie zuletzt schon Sonic Origins verzichtet auch Sonic Superstars auf ein Leben-System. Das heißt, dass man beliebig oft sterben und am letzten Checkpoint fortfahren kann, ohne jemals einen Game Over-Bildschirm zu sehen zu bekommen. Im Gegenzug verfügt das Spiel über ein Medaillensystem. Immer, wenn man 100 Ringe sammelt erhält man statt eines Lebens eine Medaille. Auch für andere Aktionen erhält man eine Medaille. Diese Medaillen kann man dann als Währung in einem In-Game-Shop verwenden, um sich dekorative Elemente für seinen Charakter im VS-Battle-Modus zu kaufen. Die Preise in dem Shop sind allerdings reichlich happig, so dass man beim Kauf vorsichtig sein sollte und nur die kosmetischen Veränderungen kaufen sollte, an denen man wirklich brennend interessiert ist. Um den gesamten Shop leer zu kaufen, muss man vermutlich sehr viele Durchläufe durch das Spiel einplanen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es im Spiel aber keine Mikrotransaktionen, die eine so knappe Ökonomie zum Nachteil der Spieler sonst oft ausnutzen.

Die Spielmechanik orientiert sich ganz eng an der von Sonic Mania und in der Tat ist mir trotz sehr guter Kenntnis der Originalspiele kein Unterschied im Verhalten der Charaktere im Vergleich zu den Klassikern aufgefallen. Im Ergebnis macht es eine Menge Spaß, seine Spielfigur in Sonic Superstars über Schrägen, durch Loopings und durch die Luft zu steuern. Ein starkes Momentum und eine hohe Spielgeschwindigkeit sorgen dafür, dass das Spiel stets höchste Konzentration einfordert und auch verdient.

In Sachen Leveldesign hat das Team von Arzest (Yoshi’s New Island, Balan Wonderworld) sich nicht lumpen lassen und jede Zone mit zahlreichen neuen, nur in der Zone verwendeten Levelelementen versehen, die oftmals auch mit der 3D-Grafik spielen. So kann es immer mal wieder passieren, dass man mit Sonic in den Hintergrund oder den Vordergrund befördert wird, Vitual Boy Wario Land lässt grüßen. Die 3D-Spielereien fügen sich aber nahtlos in das Gameplay ein und auch die vielen anderen Level-Gimmicks funktionieren tadellos und machen zuverlässig eine Menge Spaß. Gerade in Anbetracht dessen, wie kritisch Langzeitfans Spiele in der Tadition der Klassiker beäugen, ist es sehr löblich, dass Arzest das Risiko nicht gescheut hat und in der Konsequenz wirklich starke, selbständige Level geschafft hat, die trotz gelegentlicher Anleihen an beliebte Levelkonzepte der Vergangenheit stets auf eigenen Beinen stehen. Ein ganz besonderes Highlight war in meinen Augen eine Breakout-Levelvariation, die das Pinball-Element von Sonic erstklassig genutzt hat.

Der Rhythmus aus schnellen Abschnitten, die auf kurze Reaktionszeiten und spektakuläre Set-Pieces ausgelegt sind und anspruchsvollen Sprungpassagen ist sehr gelungen und lässt keine Langeweile aufkommen. Mir persönlich missfällt die bereits in Sonic 3 und Sonic Mania eingeführte Tradition, jeden Act – statt früher nur jede Zone – mit einem Endgegner abzuschließen, allerdings muss man klar anerkennen, dass Arzest sich auch hier nicht hat lumpen lassen und wohl einige der kreativsten Sonic-Endgegner geschaffen hat. Sicher ist in Hinblick auf Endgegner die Latte nicht gerade hoch, aber meiner Ansicht nach hat jeder einzelne Endgegner im Spiel Spaß gemacht, auch wenn der Schwierigkeitsgrad der Endgegner schon recht stark schwankt und einige Endgegner in meinen Augen etwas zu schwer und vor allem zu lang geraten sind. Im zweiten Durchlauf sind die Endgegner zudem noch länger und schwieriger, was ein ziemliches Frustpotential mit sich bringt.

Wer dennoch wenig Lust auf Kampf hat, der wird sich vielleicht freuen zu hören, dass der Time Attack-Modus, in dem man alle Level des Spiels auch auf Zeit absolvieren kann, jeweils auf die Endgegnerkämpfe verzichtet, so dass es hier nur ums Springen und Rennen geht. Dieser Modus kommt zwar mit einer Zielzeit je Level daher, die allerdings nicht allzu streng gestaltet ist, so dass man als halbwegs geübter Sonic-Spieler die Zielzeit in der Regel im ersten Versuch schlagen können sollte, sofern man das Level denn unbeschadet übersteht. Dadurch, dass das Spiel in Hinsicht auf Leben sehr kulant ist, haben die Entwickler nämlich in Sachen Leveldesign etwas weniger vorsichtig agieren können, so dass einige Level schon recht anspruchsvoll ausgefallen sind.

Eine lange Serientradition sind die Chaos Emerald, derer sieben über Minispiele gesammelt werden können, um Sonic in Super Sonic zu verwandeln und das echte Ende freizuschalten. In Sonic Superstars kommt jeder Chaos Emerald zusätzlich mit einer neuen Spezialfähigkeit daher, beispielsweise das Pflanzen einer Kletterranke, die Fähigkeit, im Wasser zu schwimmen, oder sich in eine kleine Rakete zu verwandeln. Diese Zusatzfähigkeiten werden vereinzelt in den Levels genutzt, um Alternativrouten zu eröffnen. Da sie aber über ein Menü ausgewählt werden müssen und hoch situativ sind, ist es schon erfreulich, dass man sich im normalen Spielablauf nicht mit den Fähigkeiten auseinandersetzen muss. Es ist sogar ein wenig fraglich, ob es eine gute Investition von Zeit und Entwicklerressourcen war, diese Fähigkeiten umzusetzen. Da sie aber dem Spiel in keiner Form im Weg stehen, sind sie kein relevanter Kritikpunkt am Endprodukt.

Die Minispiele für die Chaos Emeralds kann man spielen, wenn man in einem Act einen großen goldenen Ring findet und hineinspringt. Man kann allerdings je Zone nur einen Chaos Emerald verdienen und das Spiel speichert auch, welchen Chaos Emerald man in welcher Zone gefunden hat. Zusätzliche große Ringe, die man findet, werden dann blau und erlauben es mit dem gleichen Minispieltyp statt einem Chaos Emerald einige Medaillen zu verdienen. Das Minispiel selbst lässt Sonic in einer 3D Umgebung ins Bodenlose fallen. Per Knopfdruck kann Sonic sich an Kugeln, Ringe, Bomben oder aber den Chaos Emerald haften und heranschwingen. Ziel ist es, nah genug an den Chaos Emerald zu gelangen, dass man sich an ihn haften und ihn so einsammeln kann. Das Minispiel ist nichts Besonderes, ist aber auch nicht nervig oder übermäßig schwierig.

Wer mag, kann auch den Storymodus von Sonic Superstars lokal mit bis zu vier Spielern spielen. Ähnlich wie in Sonic 2 wird hierfür kein Splitscreen verwendet, sondern alle Spieler sind gemeinsam im Bild. Dieser Modus erfordert ein gehöriges Maß an Rücksicht und ist mit der hohen Spielgeschwindigkeit des Grundkonzepts leider nur schwerlich zu vereinbaren. Ähnlich geübte Spieler können sich zwar durchaus so arrangieren, dass das ganze halbwegs funktioniert, doch bin ich der Ansicht, dass der Vier-Spieler-Modus eher nicht als Verkaufsargument dienlich ist, sondern allenfalls als interessantes Gimmick zu werten ist.

Optisch ist Sonic Superstars auf der Xbox Series X tadellos, läuft mit flüssigen 60 Bildern in der Sekunde und ist sehr farb- und ausdrucksreich. Die Musik hingegen ist leider nur mittelmäßig, was im Kontrast zu den exzellenten Soundtracks steht, die Sonic normalerweise selbst bei schwachen Spielen begleiten. Nichtsdestotrotz fällt die Musik auch im Spiel nicht negativ aus, sie bleibt einfach nur nicht im Kopf.

Sonic Superstars ist ein äußerst unterhaltsames Spiel mit einer exzellenten Spielmechanik und abwechslungsreichem, durchdachtem Leveldesign. Der etwas geringe Umfang von merklich unter 10 Stunden bis zum ersten Erreichen des Abspanns und die wenig überzeugenden – aber auch nicht störenden – neuen Features sind kleine Enttäuschungen, aber wer Highspeed Platforming mag, wird an Sonic Superstars auf jeden Fall viel Freude haben,

Vielen Dank an Sega für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.