Assassin’s Creed Mirage (Review)

Zu Assassin’s Creed habe ich eine etwas ambivalente Beziehung, denn nach einem enttäuschenden ersten Teil, den ich seinerzeit noch ein Stück unter dem üblichen Wertungsschnitt eingeordnet habe, hat mir die Reihe ab dem zweiten Teil bis hin zum für mich absoluten Höhepunkt Unity eine Menge Spaß gemacht. Leider erfolgte mit Assassin’s Creed Origins eine Neuausrichtung zum RPG, die den Spielfluss massiv geändert und insbesondere meinen Lieblingsaspekt, das Parcours, massiv beschnitten hat. In der Folge hat mich die Reihe über drei Teile als Spieler verloren. Assassin’s Creed Mirage verspricht nun aber, an alte Tugenden anzuknüpfen und auch Alt-Fans wie mich wieder zu bedienen.

In Assassin’s Creed Mirage schlüpft man in die Rolle des jungen Straßendiebs Basim aus Bagdad, der sich zu höheren Verbrecherehren berufen fühlt, dabei jedoch ungeplant in einen Mord verwickelt wird. Nicht in irgendeinen Mord, wohlgemerkt, sondern gleich in den Mord am Kalifen. Das mag den Großwesir vielleicht freuen, für Basim bedeutet das aber akute Gefahr und so schlüpft er bei der Assassinen-Bruderschaft unter und lässt sich in den folgenden Jahren zum Meuchelmörder ausbilden.

Bevor man mit dem Spiel beginnt, kann man es recht umfangreich den eigenen Bedürfnissen anpassen. Neben der Wahl des Schwierigkeitsgrades und der Grafik-Option – zur Wahl stehen ein Performance-Modus mit 60fps und ein Qualitäts-Modus mit 30fps, aber höherer Auflösung und mehr optischen Details – kann man insbesondere auch die Steuerung konfigurieren. Für mich war das quasi Pflicht, denn weder mag ich den Stickklick für die Dauerfunktion Rennen zu nutzen, noch RB zum Angriff, denn meines Erachtens sind LB und RB auf dem Xbox-Controller die unangenehmsten Knöpfe. In dieser Hinsicht hat sich die Steuerungskonfiguration von Assassin’s Creed Mirage als geradewegs beeindruckend erwiesen.

Nicht nur, dass man je nach Betätigungsfeld – Erkundung, Menüs und Kampf – die Steuerung nach Funktion frei verändern kann, selbst die Art der Eingaben kann man einstellen. So ist Rennen beispielsweise normalerweise auf einen Klick des linken Sticks gelegt, es war aber gar kein Problem für mich, sie stattdessen auf Gedrückt-Halten von LT zu legen. Ein wenig muss man allerdings mit möglichen Konflikten aufpassen. Manche Doppelbelegungen stellt das Spiel selbst mit einer Warnung heraus, andere muss man aber selbst beachten. Ich habe anfangs beispielsweise keine Attentate verüben können, weil sie auf dem gleichen Knopf lagen wie der starke Angriff und ich regelmäßig einen aufgeladenen Angriff statt eines Meuchemordes durchgeführt habe.

Haben die letzten Assassin’s Creed-Spiele sich regelrecht überboten hinsichtlich des Umfangs ihrer Spielwelt, gibt sich Mirage geradewegs bescheiden. Der Großteil der Spielzeit beschränkt sich auf die Stadt Bagdad. Hinzu kommt ein Stück Wüste und eine kleine Nachbarstadt, die aber jeweils nur einen überschaubaren Rahmen im Spiel einnehmen. Das hat zur Folge, dass Mirage bedeutend dichter designt ist als seine Vorgänger. Sicher, in der Wüste wird man immernoch großzügig bemessene Gebiete finden, in denen im Wesentlichen nichts los ist, Bagdad ist aber dicht bebaut und steckt voller Leben.

Leider ist Bagdad allerdings trotz einiger artistisch beeindruckender Architektur verhältnismäßig flach. Atemberaubende Kletteraktionen wie in Paris (Unity) oder Rom (Assassin’s Creed 2 / Brotherhood) sucht man hier leider vergebens. Nichtsdestotrotz spielt die Agilität Basims in Assassin’s Creed Mirage endlich wieder eine entscheidende Rolle. Hierbei spielt inbesondere die Abkehr von Charakterlevels eine Rolle, so dass Tötungen aus dem Hinterhalt, insbesondere aus einer erhöhten Position, wieder eine wichtige Rolle spielen. Hinzu kommt, dass es eine Reihe von (Teil-)Missionen gibt, in denen das Erreichen eines bestimmten Punktes eine entscheidende Rolle spielt.

Im Mittelpunkt des Spiels steht allerdings ganz klar das unerkannte Töten. Durch die starke Aufwertung der Morde aus dem Versteck und das Missionsdesign, das diese Vorgehensweise stark in den Mittelpunkt rückt, fühlt sich Mirage tatsächlich wieder nach einem Spiel um einen Assassinen an. Offene Kämpfe sind natürlich dennoch weiterhin möglich und können ebenfalls zum Erfolg führen, sind aber in meinen Augen eine etwas müßige Angelegenheit. Spielerisch orientieren sich die Kämpfe in jedem Fall klar an den neueren Assassin’s Creed-Teilen; Angriff und Ausweichrolle im Zusammenspiel mit einer Ausdaueranzeige heben es deutlich von den klassischen Assassin’s Creed-Teilen deutlich ab.

Wenngleich sich Mirage deutlich stärker auf eine kompakte Erzählung konzentriert, haben die Entwickler den Spielern ein hohes Maß an Freiheit für ihren Weg durch das Spiel an die Hand gegeben. Die Hauptstory ist aufgebaut wie eine Zwiebel, so dass es sehr viele kleine Missionen auf der äußeren Peripherie gibt, die etwas schwierigere Missionen auf einer mittleren Schicht freischalten, die wiederum einen engen Ring von vier Hauptzielen umschließend, um schlussendlich in ein gemeinsames Finale zu münden. Dieser Ansatz funktioniert hevorragend und hebt Assassin’s Creed Mirage meiner Einschätzunh nach auch positiv von Zelda: Tears of the Kingdom ab, da es ein ähnliches Maß an Freiheit bietet, ohne eine Schwierigkeitsprogression durch völlige Beliebigkeit zu verhindern oder den Spieler vor irgendwelche harten Interaktionsschranken zu setzen. Das Zwiebel-Design ist für Spiele mit einem großen Fokus auf Freiheit eine sehr gute Idee und in Mirage auch sehr natürlich umgesetzt.

Technisch ergibt Assassin’s Creed Mirage ein gemischtes Bild. Zwar kann das Spiel über weite Teile die Zielframerate von 60 Bildern in der Sekunde halten, es gibt aber, jedenfalls in der von mir getesteten Xbox Series X-Version doch eine ganze Hand voll Situationen, in denen es zu Tearing, oder kleinen Framerate-Einbrüchen in die 40er kommt. Das geschieht zum Glück vorrangig in Situationen mit geringem spielerischen Anspruch, insbesondere solchen mit sehr hohem Zivilistenaufkommen, nichtsdestotrotz ist das etwas ärgerlich. Die optische Qualität ist darüber hinaus ebenfalls etwas wechselhaft. Die Umegbungsgrafik sieht sehr stimmig und stimmungsvoll aus und weiß mit vielen Details zu gefallen, die Charaktermodelle sind aber schwächer, als man es von einem AAA-Spiel auf der Xbox Series X oder PlayStation 5 erwarten würde. Hinsichtlich weiterer Bugs bewegt sich Mirage in etwa in dem Rahmen, den ich von alten Assassin’s Creed-Spielen kenne; tatsächlich Gameplay-hinderliche Bugs habe ich nur zwei Mal im Spiel erlebt und beide konnten durch einen Neustart behoben werden.

Assassin’s Creed Mirage ist ein sehr unterhaltsames Spiel, das mit etwa 20 Stunden lang eine Menge Spaß bereitet hat. Die Rückkehr zu alten Tugenden ist überzeugend gelungen, wenngleich Mirage sich in meinen Augen eher im Mittelfeld der klassischen Assassin’s Creed-Spiele einordnet, denn gleich an die Spitze zu stürmen. Wenn Ubisoft auf dem Konzept aufbaut und sich künftig vielleicht auch wieder für eine Umgebung mit mehr Vertikalität entscheidet, ist aber sogar noch etwas mehr drin.

Vielen Dank an Ubisoft für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.