Oceanhorn 2: Knights of the Lost Realm (Review)

Für Fans der klassischen 3D-Zelda-Formel sind nach 2011 harte Zeiten angebrochen, denn nicht nur, dass Nintendo die Formel hat fallen lassen, bislang hat sich auch kaum ein anderer Entwickler daran gewagt, diese Lücke zu füllen. Der Indie-Titel Oceanhorn 2 versucht nun aber, die Fußstapfen, die Größen wie Ocarina of Time hinterlassen haben, zu füllen. War das erste Oceanhorn noch ein 2D Zelda-Like wagt sich Oceanhorn 2 nun in die dritte Dimension.

In Oceanhorn 2 schlüpft man in die Rolle eines jungen Ritteranwärters, der miterleben muss, wie sein Heimatdorf angegriffen und in Brand gesetzt wird. Zur Verteidigung seiner Heimat muss er in drei verschiedenen Gebieten mit jeweils charakteristischen Völkern nicht nur eine lokale Gefahr bannen, sondern zudem jeweils einen der drei mächtigen Elementsteine zurückbringen. Ja, zurückbringen, nicht einsammeln, wie man es sonst von den meisten Spielen dieser Art erwarten würde. Tatsächlich ist dieser Unterschied aber rein erzählerischer Natur, in der Spielpraxis muss man dennoch einen vorgegebenen Zielort tief in einem Dungeon aufsuchen, um dort den Elementstein zu platzieren. Nichtsdestotrotz ist diese leichte erzählerische Variation eine nette Idee.

Oceanhorn 2 ist hinsichtlich seiner Haupthandlung strikt linear aufgebaut und wer mag, kann sich einfach von Zielpunkt zu Zielpunkt vorarbeiten. Die Zielpunkte der Hauptquest sind zu jedem Zeitpunkt auf der Karte verzeichnet und sind somit zuverlässig zu identifizieren. Da die Mobilität des Helden in Oceanhorn 2 allerdings ein wenig limitiert ist – insbesondere kann er weder nennenswert springen noch klettern – ist die reine Markierung des Zielortes oftmals nicht hinreichend, um den Zielort auch tatsächlich zu erreichen. Auch wenn man nur der Hauptstory folgt, ist ein wenig Erkundung unverzichtbar.

Neben der Hauptquest gibt es aber natürlich auch eine Reihe von Nebenaufgaben, die unterschiedliche Niveaus haben, aber durchaus nicht nur Botengänge, sondern auch Minidungeons und optionale Rätsel zu bieten haben. Wie die Hauptaufgaben werden auch die verfügbaren Sidequests auf der Karte markiert, werden allerdings nur dann angezeigt, wenn man sich im gleichen Gebiet wie die Sidequest aufhält. Neben Geld gibt es vor allem Herzteile – in diesem Spiel ergeben jeweils drei ein zusätzliches Stück Lebensenergie – und sogenannte Splitter als Belohnung für eine Sidequest oder eine gründliche Erkundung der Umgebung zu finden. Splitter ermöglichen es, Waffen und Zauber aufzuwerten und beispielsweise ihre Angriffsstärke zu verbessern. Jedes Objekt, das aufgewertet werden kann, kann mit zwei Splittern versehen werden, wobei man die freie Wahl hat, Splitter auch wieder zu entfernen und anderweitig einzusetzen. Man kann mit den Splitternr also risikofrei ein wenig experimentieren.

Die Kämpfe im Spiel nehmen einen verhältnismäßig großen Raum ein, besonders im letzten Spieldrittel muss man sich sehr umfassend mit größeren Gruppen kleiner Gegner auseinandersetzen. Mechanisch erinnert das Kampfsystem an die klassischen Zelda-Spiele, allerdings telegrafieren die Gegner – im Gegenzug dazu, dass man nur recht wenig Lebensenergie hat – ihre Angriffe recht deutlich im Vorfeld. Eine nette Ergänzung im Kampfsystem ist die Nutzung des Enterhakens, den man etwa in der Mitte des Spiels als Dungeonitem erhält. Dieser ist kontextsensitiv, visiert also stets das nächstgelegene Ziel an, so dass man nicht manuell zielen muss.

Im Kampf ist das insofern praktisch als dass auch Gegner Ziele für den Enterhaken sind. So kann man sich blitzschnell an den Gegner heranziehen und ihn aus dem Hinterhalt angreifen, oder aber auch, wenn ein Haken in der Umgebung ist, sich nach einem platzierten Angriff aus der Gefahrenzone ziehen. Leider ist der Fernangriff im Gegenzug alles andere als komfortabel und vor allem sehr langsam. Das wäre an sich kein Problem, wenn nicht gerade die Endgegner überproportional stark auf Projektilangriffe ausgelegt wären. Zu allem Überfluss leidet man im Spiel auch andauernd an Munitionsmangel, da man nur eine sehr geringe Anzahl an Schussladungen mitführen kann. Gerade bei den späteren Endgegnern hat das zur Folge, dass man sehr viel Zeit damit verbringt, im Kreis durch die Arena zu laufen und die immer wiederkehrenden Vasen zerdeppert, um Munition und ggf. Lebensenergie zu sammeln. Es ist eigenartig, dass das den Entwicklern nicht selbst ein Dorn im Auge war.

Die Hauptgebiete des Spiels verfolgen ein Designziel, das auch das Zelda-Team lange umgetrieben hat: Die Integration des Dungeon-Gameplays in die Oberwelt. Das ist in Oceanhorn 2 auch recht gut gelungen, so dass die Grenzen zwischen Dungeon und Oberweltengebiet fließend sind. Es gibt zwar immer wieder restringierte Innenräume in den Dungeons, die machen aber nur einen kleinen Teil des jeweiligen Dungeons aus und verschiedene Teilziele des Dungeons verteilen sich über das zugehörige Oberweltengebiet. Die Rätsel machen mechanisch durchaus Spaß, allerdings sind sie für meine Begriffe auch ein gutes Stück zu einfach, so dass man oft den Eindruck hat, dass die Rätsel gar nicht so recht darauf ausgelegt sind, zum Knobeln anzuregen. In vielen Fällen besteht das Rätsel sogar nur daraus, ein waches Auge für Interaktionspunkte mit dem jeweiligen Dungeon Item zu haben.

Oceanhorn 2 ist ein unterhaltsames Action-Adventure im klassischen Zelda-Stil und motiviert mit seinem abwechslungs- und ideenreichen Weltendesign. Die ungewöhnliche Geschichte, die Elemente aus Fantasy und Science-Fiction kombiniert gibt dem Spiel zudem einen eigenständigen Flair, obgleich die Optik auf den ersten Blick eng an die Zelda-Reihe angelehnt ist. Leider sind die Rätsel etwas zu simpel und das letzte Spieldrittel wirkt ein wenig so, als hätten die Entwickler den letzten zentralen Dungeon eingedampft, aber wer die Zelda-Formel mag, dem sei Oceanhorn 2 fraglos ans Herz gelegt.

Vielen Dank an FDG für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.