Sephonie (Review)

Jump & Runs sind im Allgemeinen nicht dafür bekannt, den Spieler mit großen Mengen Text zu erschlagen. Selbst etwas texthaltigere Spiele des Genres wie Banjo-Kazooie versuchen üblicherweise nur mit einigen kurzen Texten für heitere Stimmung zu sorgen. Sephonie hingegen ist derart gesprächig, dass es stellenweise wie ein Hybrid mit einer Visual Novel wirkt. Das allein macht Sephonie bereits zu einem interessanten Experiment.

In Sephonie schlüpft man in die Rolle dreier Taiwanesisch-stämmiger Biologen, die auf einer Insel namens Sephonie forschen. Mit einem eigens entwickelten Interface nehmen Sie Verbindung mit den verschiedenen Lebensformen der Insel auf und sammeln so allerlei Informationen über die einzigartige Flora und Fauna der Insel. Doch bald schon bemerken sie, dass da mehr ist: Sephonie selbst hat ein Bewusstsein und sie verbinden sich stückweise auch mit diesem Bewusstsein. Mehr noch, sie treten auch miteinander in Verbindung und rücken sich emotional immer näher. Dabei stoßen sie auch auf eine schwelende Gefahr für die Menschheit, die nur mithilfe von Sephonie abgewandt werden kann.

Die Geschichte von Sephonie wird in sehr langen Texteinblendungen, vorrangig zwischen den fünf Hauptaufgaben des Spiels erzählt. Abseits der Beschreibungen der eigentlichen Handlung nimmt hierbei ein geradewegs ausschweifender Einblick in die Lebensgeschichte der drei Protagonisten einen bemerkenswerten Raum ein. Diese Geschichten können meines Erachtens am besten beschrieben werden als eine ungeordnete Sammlung von Ankedoten aus dem Leben der fiktionalen Figuren. Aus meiner Sicht – aber mir mag da auch ein Stück weit die künstlerische Neigung abgehen – sind diese Texte derart belanglos und nichtssagend, dass es eine regelrechte Qual war, sie zu lesen.

Ein paraphrasierter Ausschnitt eines solchen Textes sieht wie folgt aus (dies kann in diesem Sinne als ein Spoiler aufgefasst werden, wer in der Hinsicht empfindlich ist, springe bitte zum nächsten Absatz): Als kleines Mädchen in Taipei hat einer der Protagonisten die Summer als sehr warm wahrgenommen und durch eine Frau im Fernsehen mit nasaler Stimme erfahren, dass sie viel heißer waren als früher. Sie hat sich ausgemalt, wie es draußen heißer würde als in einer Sauna, aber ihre Mutter, die für die Regierung arbeitete, hat sie beruhigt, dass die Regierung daran arbeite, die Klimakrise abzuwenden. Sie hat sich vorgestellt, dass die Mutter Eis in den Ozean kippe um ihn abzukühlen, dann aber herausgefunden, dass ihr Job war, reiche Leute davon zu überzeugen, klimaschonend zu arbeiten. Die Mutter hat in Frage gestellt, ob die betreffenden Personen ernsthaft um Taiwan kümmern und das hat die Protagonistin dazu geführt, sich zu fragen, ob sie selbst sich denn in angemessenem Maße um Taiwan kümmere. In einem Sommercamp hat sie sich überlegt, dass man in einer Höhle leben könne, um die Klimaanlage an heißen Tagen sparen zu können. Nachdem sie das ihrer Mutter vorgeschlagen hat, hat diese sich bei der Therapeutin der Protagonistin beschwert, die später ihren Job verlor, aber nicht wegen dieser Beschwerde. Das könnte aber auch eine Lüge ihrer Freundin gewesen sein, von der sie diese Information hat, weil diese dauernd gelogen hat. Später hat die Protagonistin erfahren, dass besagte Freundin zu Hause durch eine schwierige Zeit ging, aber da sie lange nicht mehr mit der Freundin gesprochen hatte, hat sie das weitgehend ignoriert.

Die Geschichte hat einige interessante Ansätze, die quälend langweiligen und unzusammenhängenden Rückblicke in die Vergangenheit der Protagonisten sorgen aber dafür, dass es der Geschichte kaum möglich wird, Spannung aufzubauen. Im Hinblick auf das Gameplay ist die Beurteilung von Sephonie noch deutlich schwieriger, denn hier gibt es sehr viel Licht und Schatten. Sephonie nutzt in seinem Plattforming Parcours-Techniken, wie man sie aus Prince of Persia kennt. So kann man in Sephonie einen Wandsprung ausführen, einen Dash in der Luft ausführen, der zu einem Wandsprung erweitert werden kann, wenn man auf eine Wand stößt, man kann rennen und lernt im Verlauf des Spiels noch weitere Techniken wie beispielsweise eine Art Homing Attack.

Diese Vielfalt der Bewegungstechniken wird sehr durchdacht im Leveldesign eingesetzt, das obendrein ein Stück weit an ein Metroidvania erinnert, da neue freigeschaltete Bewegungstechniken auch neue Abschnitte in alten Gebieten, sowie Abkürzungen ermöglichen. Zahlreiche Plattformsequenzen nutzen die Bewegungstechniken in cleverer Kombination, so dass ich einige Male beeindruckt von der Gestaltung von einzelnen Levelabschnitten war. Allerdings gibt es eine große Hürde dabei, das Design angemessen zu würdigen und das ist die außergewöhnlich hakelige Steuerung. Am stärksten fällt das beim Wandrennen auf, das äußerst strikt in Hinsicht auf den Winkel ist, in dem man auf die Wand trifft, aber alle Bewegungstechniken im Spiel sind ziemlich gewöhnungsbedürftig. Bis zum Ende des Spiels hat sich die Steuerung nie ganz natürlich angefühlt. Dass überdies Springen auf der Switch A liegt und der B-Knopf, der üblicherweise der Sprungknopf ist, ein Retry-Knopf ist, ist eine Entscheidung, die mir nicht in den Kopf will.

Ziel des Spiels ist es, fünf Hauptspezies zu finden und zu erforschen, die in strikt linearer Abfolge in jeweils einem Hauptgebiet zu finden sind. Hinzu kommen zahlreiche kleine Spezies, die nahezu alle optional sind, aber hinter teilweise sehr durchdachten Platforming-Sequenzen versteckt sind. Das Erforschen der Spezies erfolgt über ein Minispiel, das Onyx-Link genannt wird. Hierbei muss man auf einem Spielfeld Blöcke mit verschiedenfarbigen Teilblöcken platzieren. Die Blöcke erinnern optisch ein wenig an Tetriminos, allerdings gibt es wesentlich mehr Formen und die Blöcke sind nicht auf Viererkonstellationen beschränkt.

Auf Knopfdruck kann man eine Auswertung des Spielfeldes anfordern und dann werden alle Teilblöcke, die in Gruppen von drei gleichfarbigen Teilblöcken platziert sind, aufgelöst und in Punkte umgewandelt. Ziel ist es, eine Leiste mit seinen Punkten zu füllen, um den Link abzuschließen. Verschiedene Elemente werden nach und nach eingeführt, um durch blockierte Felder, teilweise Umwandlung oder Zerstörung von platzierten Teilblöcken das Erzielen hoher Punktzahlen zu erschweren. Das Onyx-Link macht grundsätzlich durchaus Spaß, ist aber komplett anspruchslos und kann nicht über die gesamte Spielzeit hinweg motivieren.

Sephonie ist ein Spiel äußerst gemischter Eindrücke. Das Leveldesign ist durchweg mindestens gut, stellenweise aber wirklich enorm stark. Leider kann ich das nur aus designtechnischer Sicht bewundern, denn den angemessenen Spielspaß kann ich selbst aus diesen toll designten Stellen auf Grund der hakeligen Spielmechanik und Steuerung nur schwerlich herausziehen. Die Geschichte ist ambitioniert, verliert sich aber in belanglosem Gelaber und das Onyx-Minispiel ist eine grundsätzlich gute Idee, die aber nicht über das gesamte Spiel trägt.

Vielen Dank an Ratalaika für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Nintendo Switch.