Master Detective Archives: Rain Code (Review)

Danganronpa ist mit drei spannenden und gelegentlich auch sehr lustigen Detektivspielen auf der PlayStation Vita mit etwas Verspätung auch im Westen zu einem Hit geworden. Danganronpa ist inhaltlich allerdings ziemlich auserzählt, so dass die Entwickler sich entschieden haben, viele der Konzepte aus Danganronpa in einem neuen Universum weiterzuentwickeln. Herausgekommen ist Master Detective Archives: Rain Code, das dieser Tage exklusiv für Nintendo Switch erschienen ist.

In Rain Code schlüpft man in die Rolle des Detektiv-Lehrlings Yuma Kokohead, der Mitglied der World Detective Organization (WDO) ist und in die autonome Stadt Kanai Ward beordert wird. Mit einem Zug fährt er, zusammen mit anderen Meisterdetektiven nach Kanai Ward und wird in eine Reihe mysteriöser Mordfälle verwickelt. Was die Situation für Yuma zusätzlich verschärft, ist der Umstand, dass er gerade erst sein Gedächtnis verloren hat. Das ist nicht etwa die Folge einer Krankheit, sondern eines Paktes mit einem Shinigami. Shinigami hat Yumas Gedächtnis gelöscht und bietet Yuma im Gegenzug eine besondere Fähigkeit.

Wann immer Yuma ein Verbrechen untersucht und hinreichend viele Beweise gesammelt hat, um das Verbrechen aufklären zu können, kann er sich mithilfe von Shinigami in ein sogenanntes Mystery Labyrinth begeben, in dem er interaktiv den Täter überführen und die Abläufe des Verbrechens rekonstruieren kann. Dabei tritt er gegen Abbilder der in die Tat involvierten Parteien in argumentativen Wettkämpfen an, die spielerisch sehr eng an die Gerichtsverhandlungen von Danganronpa angelehnt sind. Am Ende eines jeden Mystery Labyrinths steht die endgültige Überführung des Täters und Yuma verlässt das Labyrinth im Anschluss. Dabei wird das Labyrinth zerstört und Shinigami erntet die Seele des Verbrechers – mit der Konsequenz, dass dieser im direkten Anschluss an das Labyrinth sein Leben verliert.

Dass das moralisch nicht unproblematisch ist, wird im Spiel natürlich thematisiert und es werden auch einige Situationen geschaffen, in denen diese Folge der Mystery Labyrinths potenziell emotional etwas schmerzhaft ist. Allerdings ist Rain Code bedeutend weniger sadistisch als die Danganronpa-Spiele. Weder wird der Tod der Täter zelebriert, noch wird eine für den Täter besonders qualvolle Todesvariante gewählt. Im Spiel wird der Tod jeweils von den anderen Spielfiguren als Herzinfarkt wahrgenommen. Auch die eigentlichen Mordfälle halten sich im Vergleich zu Danganronpa stark zurück, was die explizite Gewaltdarstellung, aber auch den morbiden Humor anbelangt, der vor allem durch Monokuma verbreitet wurde.

Im Gegenzug ist Rain Code etwas offensiver, was Innuendo anbelangt. Shinigami wird in den Mystery Labyrinths klar sexualisiert dargestellt und sie macht auch außerhalb der Mystery Labyrinths immer mal wieder sexistische Bemerkungen besonders zu weiblichen Spielfiguren. In Anbetracht ihrer Rolle als Todesgott – und Äquivalent zu Monokuma – sind die gehässigen Kommentare über andere Spielfiguren aber natürlich nicht gänzlich deplatziert. Meines Erachtens ist Shinigami aber kein gleichwertiger Ersatz für Monokuma, der die Danganronpa-Spiele grundlegend geprägt hat.

In den sechs Hauptkapiteln des Spiels ist der grundsätzliche Ablauf immer gleich und in drei Phasen aufgeteilt. Zunächst gibt es etwas Exposition, die vorrangig dazu dient, die Figuren des Spiels näher kennen zu lernen. In diesem Teil des Spiels kann man auch einige Sidequests absolvieren, die aber nichts anderes als einfache Botengänge sind, die weder spielerisch noch erzählerisch irgendwelche Substanz und sind daher fraglos verzichtbar. Anschließend geschieht ein Verbrechen und Yuma muss durch die Spielwelt laufen, um an verschiedenen Stellen der Welt Beweise zu sammeln und Gespräche über die Tat zu führen. Hat man alle Beweise gesammelt, geht es ins Mystery Labyrinth, in dem man in einer Reihe von Minispielen den Fall aufarbeiten muss.

Nicht mehr mit von der Partie sind die Dating Sim-Elemente von Danganronpa, die meines Erachtens aber ohnehin nicht eben zu den Stärken der Reihe gehörten. Das ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass man in Rain Code nicht mit einer festen Gruppe von Charakteren zu tun hat, sondern in jedem Kapitel zahlreiche neue Charaktere eingeführt werden und die einzige Konstante an Yumas Seite Shinigami ist. Nichtsdestotrotz wird neben den individuellen Kriminalfällen natürlich auch ein überspannendes Mysterium rund um die eigenartige Stadt Kanai Ward aufgearbeitet. Das Gesamtgeheimnis ist erzählerisch etwas besser ausgearbeitet als in Danganronpa, dafür sind die Kriminalfälle ein gutes Stück einfacher gestrickt.

Die Minispiele im Mystery Labyrinth erinnern stark an die Verhandlungen von Danganronpa. Das wohl wichtigste Minispiel ist das argumentative Deathmatch, bei dem der Gegenspieler Yuma Argumente entgegenwirft und Yuma mit geeigneten Beweisen Aussagen des Gegenspielers widerlegen muss. Den übrigen Aussagen muss man ausweichen, anderenfalls und im Fall dessen, dass man einen unpassenden Beweis zum Widerlegen einer Aussage verwendet, nimmt Yuma Schaden. In einem weiteren Minispiel muss man Fragen beantworten, indem man auf Zeit die richtige aus mehreren Auswahlmöglichkeiten auswählt – entweder in Form klassischen Single Choice, oder indem die möglichen Antworten der Reihe nach angezeigt werden. Letzteres ist schwieriger, weil man nicht nach dem Ausschlussprinzip arbeiten kann. Die schwierigste Variante ist schließlich das Wörterfass, bei dem man das Lösungswort buchstabieren muss. Dieses Minispiel wird zudem mit einer kurzen Animation von Shinigami im Bikini abgeschlossen.

Rain Code ist gut geschrieben und setzt etwas weniger stark auf stereotype Darstellungen seiner Figuren, leidet aber etwas darunter, dass viele Figuren viel zu wenig Zeit haben, sich zu entfalten, so dass viele Figuren etwas flach wirken. Zudem hat die strikte Phasentrennung zwischen Erkundung und Mystery Labyrinth zur Folge, dass man potenziell schon zu Beginn des Mystery Labyrinths den Fall vollständig durchblickt hat und sich dann auf mögliche fehlerhafte Zwischenlösungen einlassen muss, die zuerst abgeräumt werden müssen. Nichtsdestotrotz haben mich die sechs Fälle des Spiels gut unterhalten.

Master Detective Archives: Rain Code ist ein durchdachtes und unterhaltsames Kriminal-Rätsel-Spiel mit einem Visual Novel-Einschlag. Es kann zwar nicht ganz mit der Spannung von Danganronpa mithalten und verliert auch einen Stück des Humors, hat aber dafür ein etwas besseres Pacing und verzichtet auf das langweilige Dating-Sim-Gameplay. Für Freunde von Detektivspielen und Visual Novels ist Rain Code in jedem Fall eine gute Wahl – und für Danganronpa-Fans sowieso.

Vielen Dank an Nintendo für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Nintendo Switch.