Dungeon Drafters (Review)

Artwork zu Dungeon Drafters

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich hier im Village-Magazin meine Liebe zu Slay the Spire und anderen Deckbuilding-Spielen gestanden. Was mich bereits seit meiner Kindheit begleitet hat, veränderte sich selbstverständlich innerhalb dieser dreizehn Monate nicht. Selbstredend habe ich ein Auge auf Dungeon Drafters geworfen. Nachdem das Muster angeboten wurde. Nachdem ich es für ungefähr null Sekunden beobachtet habe. Das winzige Indie-Spiel von Manalith Studios, die vorher mit Wild Glory auch keine so großen Wellen in der Szene auslöste, hätte allerdings mehr Aufmerksamkeit verdient – im Vorfeld sowie im Nachhinein. Und einen Reviewer aus dem Village mit mehr Skill.

Zeit für ein Duell in Dungeon Drafters

Skill (und Geduld) braucht es auch bei Dungeon Drafters, denn es wird grindy, strategisch und stellenweise (gut) unfair. Dungeon Drafters ist ein Deckbuilding-Roguelite, in dem wir prozedural generierte Dungeons erkunden, Gegner ausschalten und unsere Kartensammlung größer und mächtiger machen. Wir haben zu Beginn die Wahl aus verschiedenen Charakteren, mit denen wir das Spiel angehen wollen. Dies beeinflusst allerdings lediglich euer Erscheinungsbild und damit verbundene Grafiken sowie das Startdeck, welches allerdings bereits nach wenigen erfolgreichen Expeditionen eher eurem persönlichen Geschmack entsprechen kann.

Wir stranden so an einer mysteriösen Insel und finden uns nach dem Tutorial in einer Gemeinschaft gleichgesinnter Schiffbrüchiger wieder. Hier erfahren wir, dass wir doch dort angekommen sind, wo wir eigentlich hinsegeln wollten. Die Welt ist nämlich aus den Fugen geraten, nachdem die vier in Balance befindlichen Quellen der Macht von einer fünften, dunklen Kraft bedroht werden. Mutige Recken wie wir sind daher auf der Suche nach dieser Macht. Und siehe da: Der Turm auf der Insel scheint diese zu beherbergen! Glück im Unglück für uns.

Screenshot aus Dungeon Drafters
Noch sind sie „frohen“ Mutes, aber ein Sturm zieht auf…

Doch wir stehen erst am Anfang unserer Reise und sind beileibe kein ebenbürtiger Gegner für die dunklen Mächte. Ähnlich wie andere Deckbuilding-Roguelites ist auch Dungeon Drafters spielerisch sehr von interner Progression sowie unserer eigenen Erfahrung mit Gegnertypen, Leveldesign und Kartensynergien abhängig. Die grundlegenden Dinge werden im Tutorial zwar gut erklärt, aber wenn wir erst einmal zum Lager der Abenteurer kommen, fangen die Herausforderungen erst so richtig an.

Welche Farbe darf es denn sein?

Das Lager dient als zentraler Hub und bietet all jene Anlaufstellen, die unsere Vorbereitung auf die nächste Expedition optimieren. Ein Händler, der gesammeltes Gold und Gemstones gegen Duplikate unserer bereits gesammelten Karten eintauscht. Eine Handwerkerin, die uns neue Runen für zusätzliche Effekte schmieden kann. Oder eine Art Antiquar, der für uns auf der Insel nach Artefakten sucht, während wir im Dungeon sind. Zusätzlich gibt es einige NPC, die uns mit Nebenquests ausstatten sowie Mentoren der vier Magieschulen. Auch das ein oder andere Minispiel wartet hier auf uns, womit wir auf die schnelle ein wenig Geld und vielleicht sogar Booster für Nachschub sammeln können.

Doch der wichtigste Faktor für die Vorbereitung ist der Deckbau. Dungeon Drafters geht hier spannende und sehr komplexe Wege, um uns so viele Optionen wie möglich zu bieten. Fundament sind die vier bzw. fünf Farben, welche die unterschiedlichen Magiegattungen reflektieren, und Runen. Zu Beginn haben wir fünf Slots frei, um dort relativ frei Runen zu verteilen. Je mehr wir von einer Farbe in die Slots verteilen, desto stärkere Karten können wir ins Deck aufnehmen. Es besteht auch die Möglichkeit andere Runen auszurüsten, die etwaige Boni garantieren. Dann ist aber der jeweilige Kartenpool, aus dem sich das Deck speist, geringer.

Menüführung für Geduldige

Da wir im Dungeon keine neuen Karten für die Decks erhalten, sondern lediglich als Loot einsammeln, zählt im Deckbau jede Entscheidung. 40 bis 50 Karten muss das Deck fassen und sich den Runen “unterordnen”. Dazu können wir auch ein Curio auswählen, welches uns aktive oder passive Fähigkeiten verleiht. Das Interface des Deckbaus ist allerdings unnötig kompliziert. Gerade mit Controller-Steuerung dauert es eine Weile, um sich durch den Cursor zu verändern und gewünschte Menüoptionen auszuwählen. Deckbuilding-Freund:innen können hier sicherlich Stunden verbringen und unter Umständen ist es auch notwendig. Aber wirklich spaßig ist diese Fummelei in den Menüs nicht.

Dazu passt auch, dass viele Erklärungen über Karten- oder Monstereffekte nicht schnell auffindbar sind oder direkt eingeblendet werden, sondern sich in großen Textwüsten in den Winkeln der Menüs verstecken. Da würde ich mir persönlich ein wenig mehr Komfort – auch während der Runs – wünschen. Wenn wir allerdings diese Unannehmlichkeiten beiseite schieben, ist das gesamte Deckbuilding mit seinen vielen Optionen ein großer Spaß.

Rutschpartien, Sandstürme und viel verlorenes Loot

Screenshot aus Dungeon Drafters
Brenn!

Doch wozu all die Mühe? Die mysteriöse Insel bietet insgesamt sechs verschiedene Areale, inklusive Tutorial und Turm im Zentrum. Jeder Dungeon hat mehrere Ebenen, je tiefer wir eindringen, desto schwieriger wird es. Und sollten wir das Ende erreichen, wartet ein haariger Bossgegner auf uns. Aber dies geschieht für eine ganze Weile im Konjunktiv, denn Dungeon Drafters hat eine sehr langsame Lernkurve.

Jede Ebene eines Dungeons besteht aus mehreren Räumen. Die meisten stellen Arenen dar, in denen wir es mit Monstern und anderen Gegnertypen aufnehmen. Das rundenbasierte Kampfsystem im kacheligen Level gepaart mit der Zufälligkeit des Decks sorgt hier für einige spannende Herausforderungen, die Strategie und Erfindungsgeist erfordern. Unser Charakter hat zu Beginn zehn Lebenspunkte und innerhalb eines Zuges besitzen wir drei Aktionspunkte. Diese verbrauchen wir entweder durch das Ausspielen der Karten, durch Fortbewegung im Raum oder durch einen direkten,körperlichen Angriff auf Gegner oder Inventar.

Vorsicht ist die Devise, darum lohnt sich ein steter Blick auf die Gegner, um herauszufinden, wie deren Aktionsradius im kommenden Zuges sein wird. Ein Fehler und wir verlieren schnell wertvolle Lebenspunkte, die uns im langen und ausdauernden Run fehlen könnten. Sterben wir, ist jegliches Loot, das wir in den Räumen gesammelt haben, verloren. Typisch Roguelite eben.

Ist Dungeon Drafters zu stark oder bin ich zu schwach?

Um uns sukzessive zu verbessern, ist es daher wichtig, die zahlreichen Elemente der Level genau zu erkunden und abzuwägen. Loot erhalten wir durch Gegner oder zerstörte Gegenstände. Manche Räume bieten Schatztruhen, sind aber oftmals hinter einer Kampfherausforderung oder einem Kampfpuzzle versteckt. Letztere begeistern mich sehr, denn in diesen Räumen müssen bestimmte Bedingungen innerhalb der Gefechte erfüllt werden. Es kann allerdings auch frustrieren, wenn wir gerade nicht die richtigen Karten im Deck haben, um überhaupt eine Chance zu haben.

Und dann gibt es selbstverständlich Kammern, die einzigartige Bedingungen haben. Sandstürme in der Wüstenwelt, die Gegnern automatisch einen Stealth-Bonus verleihen. Ein Schiffssteuerrad, welches zufällige Schwankungen des Raumes hervorruft und alle Figuren auf dem Feld verschiebt. Und andere Gemeinheiten. Das Ziel ist klar: Gelange zum nächsten Aufzug für die untere Ebene oder zum Teleporter, um zurückzukehren, und nutze die wenigen Heilungsmöglichkeiten für Leben und Deck, um voranzukommen. Spielerisch ist Dungeon Drafters ein sehr komplexes, aber gerade für Genrefreunde sehr spannendes Spiel.

Screenshot aus Dungeon Drafters
Auf die richtige Deckstrategie kommt es an

Ich würde mich auf jeden Fall als solch ein Freund bezeichnen, aber Dungeon Drafters ist nicht wirklich nett zu mir. Stand jetzt ist es mir nicht gelungen, das Spiel abzuschließen. Stets fehlte das Zugglück oder eine geplante Strategie hat nicht so hingehauen, wie ich es gerne wollte. Das prozedurale Generieren der Dungeons hat mich auf dem Kieker oder ich mache leichtsinnige Fehler, weil es gerade scheinbar viel zu gut lief. Dungeon Drafters ist seit Spelunky das erste Roguelite, was mir sehr stark meine Grenzen aufzeigt und mich dennoch jedes Mal wieder aufs Neue motiviert. Ob es wieder knapp anderthalb Jahre dauern wird? Hoffentlich ist die Lernkurve nicht dermaßen flach… 

Der Fluch der Roguelites

Nichtsdestotrotz ist dies ein Umstand, der mich persönlich als Reviewer nervt. Mein persönlicher Anspruch ist das Durchspielen der Spiele, bevor ich in die Tasten haue. Zumindest wenn das Spiel gut genug dafür ist und das trifft auf Dungeon Drafters durchaus zu! Aber hey, der Fluch von Roguelites würde ich sagen. Dies habe ich bei dem Genre schon immer ein wenig befürchtet.

Nach zahlreichen Stunden, Gefechten mit mehr oder weniger Erfolg und vielen sehr interessanten Mechaniken habe ich mich in Dungeon Drafters “schockverliebt”. Das Deckbuilding-Roguelite hat ein sehr komplexes Gameplay und eine komplizierte Menüführung, welches den Einstieg erschwert. Aber dies ist nur der Vorgeschmack, denn wenn die Basics verinnerlicht sind und sich für uns erste Workflows als richtig erwiesen haben, überzeugt Dungeon Drafters mit seinen vielen kreativen und anspruchsvollen Spielelementen. Es ist auf jeden Fall ein Spiel, das nach derzeitigem Stand eine grüne Ampel verdient hat. Für mich und mein Ego steht sie hingegen eher auf Gelb.

Karten auf Steam Deck und PC gemischt. Ein herzlicher Dank geht an DANGAN Entertainment für die Bereitstellung des Mustercodes.