Octopath Traveler 2 (Review)

Vor wenigen Jahren brachte Square Enix mit Octopath Traveler ein retroinspiriertes JRPG mit einem speziellen Stil, den sie als “HD-2D” bezeichnen. Dabei befinden sich Charaktere im Pixelstil in 3D-Umgebung und das in einem überraschend stimmigen Gesamtbild. Diesen Stil hat Square Enix mittlerweile auch für andere Spielen gewählt, nun hat auch der Einführungstitel mit Octopath Traveler 2 einen neuen Reihenvertreter erhalten. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen Titel in neuer Welt mit neuen Charakteren. Somit ist es auch für Reiheneinsteiger gut geeignet.

Acht Reisende, acht Geschichten

Der Titel der Reihe mag zwar etwas ungewöhnlich anmuten, bezieht sich aber auf die acht Pfade, die bereist werden. Also auf die Geschichten der acht spielbaren Charaktere. Einen davon wählt man zu Beginn aus, die anderen schließen sich nach und nach der Gruppe an. Man mag vielleicht das pure Vertrauen etwas seltsam finden, sich gerade erst getroffenen Reisenden anzuschließen. Nun ja.

Hügelansicht auf die Stadt.

Anfangs allein, später in der Gruppe, bereist man die Spielwelt. An bestimmten Orten kann man die jeweilige Geschichte fortführen, wenn sich der entsprechende Charakter gerade in der Gruppe befindet. Dann gibt es bei Betreten direkt die Option, alternativ kann man das in der Taverne des Ortes starten. Dort ändert man auch die Gruppenzusammenstellung. Lediglich den zuerst gewählten Charakter kann man erst nach Abschluss seiner Geschichte auswechseln. Teilweise lassen sich Abschnitte einer Story in freierer Reihenfolge spielen, doch die Levelempfehlung deutet eine empfohlene an.

Wie auch schon im Vorgänger sind in den einzelnen Geschichten die anderen Gruppenmitglieder nicht eingebunden. In Kämpfen sind sie außer in Ausnahmen dabei, und es gibt optionale kurze Gespräche. Diese Tatsache besteht vermutlich nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Möglichkeiten, wer überhaupt gerade dabei ist. Für mich ist das kein großer Kritikpunkt, unerwähnt lassen möchte ich das jedoch nicht. Neu im zweiten Teil sind kürzere “Crossed Paths”, in denen jeweils zwei bestimmte Gruppenmitglieder eingebunden werden.

Und offenbar gibt es an anderen Tagen noch mehr zu erzählen.

Die einzelnen Geschichten sind sehr unterschiedlich, und für mich auch unterhaltsam. Unter anderem geht es um die Lösung eines Mordes, oder darum, die eigene Freiheit zu erlangen. Doch auch die Bekämpfung der Armut, oder ein Star zu werden, gibt es als Ziel. Und sogar ein Charakter mit Gedächtnisverlust ist in der Gruppe. Und auch wenn die Geschichten erst einmal für sich stehen, bemerkt man schon zwischendrin mit etwas Aufmerksamkeit teils auch verbindende Elemente.

Pfadaktionen bei Tag und Nacht, jeweils acht

Die Gruppenmitglieder in Octopath Traveler 2 haben wie schon im Vorgänger eigene Path Actions. Doch diesmal gibt es ein Tag-Nacht-System mit jeweils eigenen Path Actions. Die Tageszeit kann man in der Regel per Knopfdruck wechseln. So kann der Krieger Hikari tagsüber die meisten Leute zu einem Duell herausfordern. Das haben gleich in seinem Tutorial mehrere Personen zu spüren bekommen, bevor ich den richtigen herausgefordert habe. Wenn es schon möglich ist. Des Nachts dagegen kann er Leute “bestechen”, um Informationen zu erhalten. Zu den NPCs gibt es jeweils einen kurzen Text, aber man kann oft zusätzlich den Aufenthaltsort von Items erfahren oder sogar das Angebot der lokalen Händler erweitern. Praktisch.

Hikari kann durch Duelle eine begrenzte Zahl an speziellen Skills lernen.

Mancher mag nun vielleicht denken, 16 Path Actions seien eine Menge, um den Überblick zu bewahren. Allerdings haben viele Gemeinsamkeiten und nur gewisse Unterschiede. Das ist auch gewissermaßen wünschenswert, da man nur vier der acht Charaktere gleichzeitig zur Verfügung hat. Wenn man nun also einen bestimmten NPC aus dem Weg haben möchte, gibt es mehrere Möglichkeiten. Der Krieger kann ein Duell gewinnen, die Jägerin kann mit gezähmten Tieren angreifen. Wer es kampflos möchte, kann mit der Apothekerin bestimmte Items als Medizin verabreichen. Und die Diebin kann nachts mit ausreichendem Level ebenfalls NPCs …ein Nickerchen machen lassen. Keine Sorge, sie tragen keinen Schaden davon.

Oder man nutzt diejenigen Aktionen, durch die der NPC mit dem jeweiligen Charakter mit geht. Diese Charaktere können dann übrigens auch im Kampf wie eine Fertigkeit genutzt werden. Auch um Informationen oder getragene Items zu erlangen, gibt es mehrere Wege. Man kann allerdings nicht alle Path Actions bei jedem NPC einsetzen. Man mag zum Beispiel einem Kind den Lutscher klauen, weil es so einfach ist. Doch bekämpfen oder zur Begleitung einladen geht nicht. Auch bei vielen Erwachsenen ist nicht alles möglich.

Bestechung ist hier ganz normal.
Scheitern ist schlecht für den Ruf?

Um Kämpfe zu gewinnen, sollte man natürlich stark genug sein. Manche Path Actions kann man erst mit entsprechend hohem Level einsetzen, je nach NPC. Andere haben von Level und NPC abhängig unterschiedliche Erfolgschancen. Scheitert man zu oft, leidet der Ruf vor Ort und man kann die Path Actions nicht nutzen. Dann kann man den Ruf in der Taverne gegen Geld wiederherstellen lassen, was bei mir nie nötig war. Ich habe mich schließlich an groben Stärkeanzeigen und Prozenten orientiert. Dass erfolgreiches Ausrauben von Leuten nicht den Ruf schädigt, mag aber etwas verwundern. Ich habe aber allgemein ohne Rücksicht auf die Moral mitgenommen, was geht. Wie es in JRPGs eben üblich ist. Aus Schränken und Truhen zuhause oder direkt von der Person nehmen, macht keinen riesigen Unterschied.

Die kleineren Probleme der Bewohner lösen

Pfadaktionen werden auch oft für eher simple Nebenquests benötigt. Man kann zum Beispiel Personen zusammen bringen, oder nötige Items …beschaffen. Bisweilen gibt es auch alternative Lösungsansätze. Eine Frau hielt zum Beispiel an einem Erinnerungsstück an einen verreisten Mann fest. Nun hätte ich natürlich den Mann aufsuchen und zu ihr bringen können, doch stattdessen habe ich sie einfach um ihre Last erleichtert. Damit schien sie auch zufrieden. Nicht alle Wege sind offensichtlich, und die Notizen im Journal spärlich. In der Regel reicht zwar etwas Nachdenken oder Umsehen, aber ich bin tatsächlich auch mal unerwartet in einer anderen Stadt auf brauchbare Infos für eine beiseite geschobene Quest gestoßen. Vielleicht hatte ich den Hinweis darauf nicht gesehen.

Es gibt auch optionale Gespräche ohne Storybezug.

Rundenbasierte Kämpfe mit Boost

Octopath Traveler 2 benutzt ein rundenbasiertes Kampfsystem, wobei die Reihenfolge von Runde zu Runde unterschiedlich sein kann. Diese ist vorher ersichtlich. Die vier Gruppenmitglieder kämpfen gegen einen oder mehrere Gegner. Es gibt Standardangriffe, Fähigkeiten wie spezielle Angriffe und Zauber. Items, Buffs und Debuffs dürfen nicht fehlen. Soweit ein recht übliches System.

Ein nicht zu unterschätzendes Element ist jedoch die “Boost”-Mechanik. Zu Beginn eines Zuges erhält jeder Charakter einen Boost Point, BP. Man kann bei den meisten Aktionen bis zu drei BP nutzen, um einen Boost durchzuführen. Dann erhält man jedoch in der nächsten Runde keinen BP. Standardangriffe werden gemäß Booststufe mehrfach ausgeführt. Auch manche Fertigkeiten treffen dann öfter. Viele Fertigkeiten werden stattdessen aber schlicht stärker, Buffs und Debuffs halten länger. Die einzelnen Booststufen sind schön verdeutlicht durch grafische und klangliche Effekte, bei höchster Stufe wird eine dynamischere Kamera genutzt.

Ein früher Kampf.

Jeder Charakter hat zudem eine starke Latent Power. Die nötige Leiste füllt sich bei erlittenen Treffern, aber auch bei nachfolgend erklärtem Brechen der Verteidigung eines Gegners. Latent Powers können starke Angriffe sein, aber auch eine zusätzliche Aktion in der Runde ermöglichen. Ein Charakter kann sogar seine BP auffüllen. Sehr gern habe ich auch die Latent Power der Apothekerin genutzt. Dann kann sie ohne Materialverbrauch Medizin (oder Gift) herstellen und einsetzen.

Mit Schwachpunkten die Verteidigung durchbrechen

Es gibt sechs verschiedene Waffenkategorien wie Schwerter, Äxte und Stäbe. Zudem gibt es verschiedene Elemente. Gegner sind gegen manches davon schwach. Bereits getroffene Schwächen und die Gesamtzahl wird beim Gegner angezeigt, daneben seine Schildpunkte. Beim Treffen eines Schwachpunktes werden diese reduziert. Bleiben keine übrig, gerät der Gegner in den Break-Zustand. Dann kann er in dieser und der nächsten Runde nicht handeln, erleidet zudem mehr Schaden. In der Runde darauf werden die Schildpunkte wiederhergestellt. Dann handelt der Gegner übrigens zuerst, damit man mit dem System nicht einfach jegliche Handlung unterbinden kann. Das Brechen der Verteidigung ist an sich schon hilfreich und empfehlenswert. Doch man kann so auch vorangekündigte starke Angriffe von Bossen abwenden. Das sollte man in der Regel auch, da man sonst womöglich selbst mit Levelvorteil das Nachsehen hat.

Nennt sich das „Larger than life characters“?

Bosse haben oft noch Eigenheiten, die das ganze erschweren können. Teils blockieren unterstützende, schwächere Gegner bestimmte Schwachpunkte. Oder die Schwächen ändern sich mitten im Kampf, sodass man die neuen erst wieder herausfinden muss.

Jobs und Zweitjobs

Die acht Charaktere in Octopath Traveler 2 haben jeweils einen festen Job. Dieser bestimmt die nutzbaren Waffen, und welche Fertigkeiten sie mit erkämpften Job Points freischalten können. Mit genug freigeschalteten Fertigkeiten kann man zudem passive Skills zum Ausrüsten erhalten. An diversen Stellen in der Spielwelt kann man diese Jobs und noch spezielle andere Jobs als Zweitjob freischalten. Für Standardjobs kann man jeweils drei Lizenzen erspielen, spezielle Jobs können nicht von mehreren Charakteren gleichzeitig genutzt werden.

Einen Zweitjob auszuwählen verändert nicht nur das Erscheinungsbild des Charakters. Diverse Statuswerte werden erhöht, man kann je nach Zweitjob zusätzliche Waffenarten ausrüsten. Und natürlich kann man auch die Fertigkeiten und passiven Skills freischalten. Zweitjobs erweitern die Möglichkeiten im Kampf und können geschickt eingesetzt einen ordentlichen Einfluss haben. Zum Beispiel ist es mit entsprechenden zusätzlichen Waffen und Fertigkeiten leichter, effektiv Schwachpunkte anzugreifen. Und freigeschaltete passive Skills sind unabhängig vom aktuellen Zweitjob nutzbar. Manche davon können sehr hilfreich sein.

Das ist noch eher bloß nice to have.

Fazit

Octopath Traveler 2 hat mir sehr gefallen. Es mag für den ein oder anderen nicht jeden Kritikpunkt am Vorgänger gelöst haben. Die Geschichten sind auch hier erst mal eigenständig, mitgeführte Charaktere werden erzählerisch nicht berücksichtigt. Auch sind die Geschichten teils recht unterschiedlich und treffen somit nicht unbedingt alle den Geschmack des Spielers. Ich fand sie unterhaltsam und war auf den Ausgang gespannt. Das Kampfsystem mit seinen Boost- und Break-Mechaniken und einem gewissen Tiefgang gefällt mir und fordert etwas Nachdenken. Die Musik ist wie erwartet wieder schön anzuhören mit gelegentlichem Gänsehauteffekt. Wer HD-2D nichts abgewinnen kann, wird hier zwar vermutlich nicht umgestimmt, ich empfinde den Stil stimmig.

Auch abseits der Geschichten bietet die Welt einiges. Es gibt vielerlei Quests, optionale Gebiete laden zum Erkunden ein. Wer JRPGs mit retroinspiriertem Stil und rundenbasiertem Kampfsystem mag, dürfte mit Octopath Traveler 2 gut bedient sein.

Vielen Dank an Square Enix für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PC (Steam Deck) per Steam.