Loretta (Review)

Artwork zu Loretta

Es ist ein Mord geschehen! In der Regel heißt das für uns Eines: Lupe gekrallt und Ermittlungen angestellt. Doch was wäre, wenn wir die Übeltat begangen haben? Was würden wir anstellen, um dem langen Arm des Gesetzes zu entgehen? Und wie wollen wir mit der einsetzenden Schuld weiterleben? In diese Rolle quetscht uns das Indie-Adventure Loretta und geht diesen sowie weiteren Fragen nach. Ein Spiel, ganz wie für mich gemacht, oder?

Tödliche Loretta

Loretta kann nicht mehr. Nachdem ihr Ehemann Walter, ein angesehener Autor, mit ihr aufs Land gezogen ist, hat sich alles verändert. Sie sehnt sich nach der umtriebigen Großstadt New York, doch hier ist sie lediglich das Hausfrauchen. Zu allem Übel geht ihr Mann auch noch fremd und ansonsten sieht es mit der Zukunft ebenfalls nicht so rosig aus. Die einsetzende Einsamkeit bohrt sich in Lorettas Verstand und alsbald fasst sie den Plan, Walter umzubringen. Auch die gute Nachricht, dass er sein neuestes Manuskript endlich fertiggestellt hat, kann sie nicht umstimmen. Ein wenig Rattengift aufs scharf angebratene Steak – fertig ist die leckere Henkersmahlzeit.

Loretta ist ein stark auf die Narrative fokussiertes 2D-Adventure, in dem wir die mörderische Ehefrau auf einem linearen Pfad durch das Level führen. Da der sehr grobe Pixel-Artstyle, der sicherlich seine Liebhaber finden wird, die Hintergründe nicht allzu detailliert darstellen kann, werden Interaktionspunkte gesondert hervorgehoben. Ein leuchtender Schimmer und ein Text-Overlay zeugen davon, dass hier auch wirklich etwas zum Benutzen da ist. Wir können auch Objekte mitnehmen und im Inventar verstauen, diese werden allerdings auch automatisch eingesetzt, wenn die Zeit reif dafür ist. Stressiges Inventarmanagement ist nicht vorhanden.

Screenshot aus Loretta
Liebling, warum isst du dein vergiftetes Steak nicht auf?

Leider bleibt Loretta auf der spielerischen Ebene sehr verhalten. Rätsel innerhalb der Level sind selten, und wenn, dann bestehen diese lediglich aus dem Ablaufen des gesamten Bereichs. Zwischen den einzelnen Szenen gibt es Ladebildschirme, die in Form von Schiebepuzzlen und Reaktionsspielchen daherkommen. Aber auch diese sind in ihrer Schwierigkeit eher Zeitstrecker, als spielerisch bemerkenswert.

David Lynch wäre stolz auf sie

Die gesamte Story und deren Inszenierung stehen klar im Vordergrund bei Loretta. Der Mord an unserem Ehemann geschieht sehr früh im mit knapp drei bis vier Stunden angenehm kurzen Spiel. Ausgehend davon versuchen wir allerdings, den Verdachtsmomenten beim Sheriff, der Geliebten Walts und anderen Personen auszuweichen. Oder alternativ den Leichenberg im Brunnen noch höher ansteigen lassen. Hauptsache wir können die nächsten Wochen überstehen und dem Verlag für das Manuskript des mutmaßlich Vermissten noch ein bisschen Geld aus der Tasche ziehen.

Doch nicht nur die Mitmenschen sind ein Problem. Loretta driftet zusehends in den Wahnsinn ab, hat Halluzinationen und Albträume. Das Spiel maskiert sich hier als eine Art Psycho-Horror, das gelingt allerdings aufgrund der eher seltsamen Soundkulisse selten effektiv. Am ehesten würde ich das Spiel als Mystery bezeichnen, ganz im Stile von Filmregisseur David Lynch. Dessen manchmal etwas seltsame Inszenierungskunst spiegelt sich auch hin und wieder in Loretta wieder, gerade Fans von Twin Peaks dürften manches Element verknüpfen können. Leider zieht es der Titel nicht komplett durch, weswegen Loretta hin und her schwankt zwischen diesem interessanten Lynch-Take sowie Genre-üblichen Klischees. Überraschungen in der Handlung von Loretta gibt es keine, sofern man sich hin und wieder eine Kriminalgeschichte angeschaut hat.

Gif-Montage einzelner Szenen aus Loretta

Ein solides Debüt

Erwartet nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig von Loretta. Entwickler Yakov Butuzoff hat ein solides Adventure mit einzigartigem Stil designt. Leider greifen noch nicht alle Elemente gut ineinander, Sound und Musik stießen mich sogar ein wenig ab. Und auch spielerisch ist deutlich Luft nach oben. Aber Loretta ist eines dieser Indiespiele, welches sich dennoch gut im Portfolio eines Entwicklers macht: Debüt, stellenweise individuell, aber insgesamt auf Nummer sicher. Ich bin sehr gespannt, welche Art von Spiel uns beim nächsten Projekt von Butuzoff erwartet. Auch wenn Loretta nicht der große Wurf geworden ist.

Ein düsteres Geheimnis auf dem Notebook verheimlicht. Ein herzlicher Dank geht an DANGEN Entertainment für die Bereitstellung des Mustercodes.