The Legend of Gwen (Review)

Als das Genre der 3D Jump & Runs noch ganz frisch war, gab es eine Vielzahl von Ansätzen, wie man das bis dato sehr populäre Jump & Run in die dritte Dimension befördern könnte. Doch erst Super Mario 64 hat den bis heute vorherrschenden Stil der freien Bewegung mit spieler-gesteuerter Kamera etabliert. The Legend of Gwen für Nintendo Switch erinnert in seinem Herangehen stark an frühe Ansätze wie Crash Bandicoot und Bug! Mit einer festen Perspektive, die allenfalls in 90° Schritten gedreht werden kann und Platforming größtenteils parallel zur vertikalen Achse weicht The Legend of Gwen stark von den Konventionen ab.

In The Legend of Gwen schlüpft man in die Rolle einer kleinen Hexe, die sich durch insgesamt sechs Welten hüpfen und kämpfen muss. Erzählerisch hält sich The Legend of Gwen abseits kurzer erläuternder Texte weitgehend zurück, so dass hier eindeutig das Gameplay im Vordergrund steht. Strukturell ist The Legend of Gwen weitgehend linear, gibt dem Spieler aber immer wieder Wahlmöglichkeiten über die Levelreihenfolge. Zwar kann man die Welten nur in strikter Reihung erledigen, aber die fünf bis sechs Hauptlevel und das besonders knifflige Extralevel einer jeweiligen Welt kann man über die Oberweltenkarte in beliebiger Reihenfolge angehen. Hat man genug Sterne gesammelt, kann man in der jeweiligen Welt den Endgegner herausfordern, der den Zugang zur nächsten Welt blockiert.

Sterne sammelt man jeweils fünf je Level und hier kennt das Spiel in der Tat kein Erbarmen: Nur wenn man alle fünf Sterne eines Levels eingesammelt hat, kann man das Ziel des Levels erreichen. Gelangt man mit weniger als fünf Sternen zum Ziel, verweigert das Spiel den Levelabschluss. Die Augen offen zu halten und fleißig zu sammeln wird also zur absoluten Spielerpflicht. Leider sind die Sterne in manchen Welten unglücklich gefärbt, insbesondere in der fünften Welt sind schwarze Sterne vor schwarzer Skybox oftmals alles andere als leicht auszumachen. Besonders ärgerlich ist aber, dass in Level 6-E bislang nur vier Sterne zu finden sind. Der fünfte Stern soll mit einem späteren Patch hinzugefügt werden, aber zum Zeitpunkt des Reviews ist es nicht möglich, Level 6-E abzuschließen.

Noch kritischer ist, dass man auch das Gesamtspiel nicht abschließen kann, denn der Endgegner der sechsten Welt fehlt. Stattdessen wird man von der Oberweltenkarte noch einmal zum fünften Endgegner befördert. Dieser zweite Auftritt des fünften Endgegners wird beim Teleporter in der Oberwelt durchaus als legitimer sechster Endgegner behandelt; besiegt man ihn, gibt es aber keinen Abspann und im Bonusraum, in dem verzeichnet wird, in welchen Levels man die geheime Truhe bereits geöffnet hat, wird das Öffnen der Truhe beim zweiten Auftritt des sechsten Endgegners ebenfalls nicht verzeichnet. Gerade in Anbetracht dessen, dass The Legend of Gwen ziemlich schwierig ist, ist es echt ärgerlich, dass kurz vor Ende der Abschluss verwehrt wird.

Neben den obligatorischen Sternen gibt es noch zwei weitere Aufgaben je Level zu erledigen, deren vollständige Erledigung augenscheinlich auch mit einer Belohnung einhergehen sollen. Einerseits gilt es, in jedem Level, das einen Gegner hat, jeden Gegner zu besiegen und andererseits kann man die bereits angesprochene versteckte Truhe öffnen. Hierzu muss man allerdings zunächst ein Zielschild abschießen, das oft, aber nicht immer in der Nähe der Truhe zu finden ist. Das Verfolgen der Zusatzaufgaben ist ein wenig nervig, denn jedes Level ist mit einem – meist ziemlich strengen – Zeitlimit versehen und zusätzlich knausert das Spiel auch mit Leben, so dass oftmals ein fast perfekter Durchgang durch ein Level notwendig ist, damit man die drei Aufgaben erledigen kann. Da das Sammeln der Sterne insgesamt deutlich am meisten Zeit beansprucht, bedeutet das aber auch, dass allein das Abschließen der Level bereits ziemlich knifflig ist. Besonders unglücklich ist das Zeitlimit meines Erachtens bei den Endgegnern, denn auch bei den Endgegnern gibt es jeweils eine Truhe zu öffnen und die Zielscheiben sind meistens recht gut versteckt. In der Konsequenz muss man, wenn man keine Adleraugen hat, manche Endgegner nur deswegen mehrfach besiegen, weil man dabei gescheitert ist, die Zielscheibe im knappen Zeitlimit zu finden. Erkundung mit einem Zeitlimit zu belegen und dann noch hinter das Besiegen eines Endgegners zu packen ist eine bemerkenswerte Designentscheidung, die sich mir nicht erschließt.

Das eigentliche Platforming in The Legend of Gwen macht eine Menge Spaß. Dadurch, dass das Spiel auf eine fixe Kameraperspektive ausgelegt ist, hat man meistens eine gute Übersicht über das Level und es stellt sich eigentlich nie die Frage, wo es weitergehen könnte. Gleichzeitig erwarten die Entwickler einige ziemlich ausgefeilte Sprungmanöver vom Spieler, so dass man stets einen gewissen Druck verspürt. Leider mangelt es dem Spiel aber an einem Dropschatten, so dass man im Sprung nicht einfach erkennen kann, ob sich der Charakter über einer Plattform befindet oder nicht. In Levels, in denen man die Kamera um 90° rotieren kann, kann man zumindest ermitteln, wie die Plattformen zueinander stehen, aber in manchen Levels fehlt diese Option und dann bleibt für mein Dafürhalten nur, auswendig zu lernen, wie die Plattformen zueinander positioniert sind. Da es sehr viele komplett frei schwebende Plattformen gibt und die Plattformen, auch wenn sie gleich aussehen, sich in ihrer Größe unterscheiden können, gibt es zahlreiche Stellen im Spiel, die sich im negativen Sinne als überraschend bezeichnen lassen. Das ist schade, denn abseits dessen ist das Leveldesign eigentlich recht spaßig.

Technisch ist The Legend of Gwen auf der Nintendo Switch von stellenweise sehr fragwürdiger Qualität. Die Framerate ist instabil und in zahlreichen Levels stockt die Framerate sogar immer wieder komplett, so dass man sehr leicht übersteuert. Erschwerend kommt hinzu, dass in den Situationen, in denen die Performance besonders stark in die Knie geht, es passieren kann, dass Eingaben einfach geschluckt werden. Die technischen Probleme, sowie einige der vorher angesprochenen Bugs, die das vollständige Durchspielen des Spiels behindern, sollen um den Launchzeitraum herum mit eine Patch behoben werden.

The Legend of Gwen ist ein anspruchsvolles 3D Jump & Run mit einigen guten Ideen, das aber stellenweise einfach zu viel auf einmal will und mit ungewöhnlich großen technischen Problemen daher kommt. Insbesondere, dass das Spiel zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchspielbar ist und der fehlende Dropschatten im Zusammenspiel mit einem Leveldesign, das darauf keine Rücksicht nimmt, fallen negativ auf. Im Vertrauen darauf, dass die wichtigsten technischen Probleme behoben werden, können Genre-Fans einen Blick riskieren, wer aber wenig Erfahrung mit 3D Jump & Runs hat, wird vermutlich auch abseits der technischen Probleme nicht glücklich mit The Legend of Gwen werden.

Vielen Dank an Flynn’s Arcade für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Nintendo Switch.