Abenteuer Spieleentwicklung – Teil 13: Regina & Mac zum Anfassen

Ende 2020 habe ich letztmals von meinem Hobby und meiner Nebentätigkeit als Videospielentwickler berichtet. Wer mich ein wenig kennt, der weiß aber, dass mir ein rein digitales Distributionsmodell nicht so recht zusagt. Selbst bin ich Sammler von physischen Videospielen und vor allem aus Sicht der dauerhaften Verfügbarkeit der Spiele ist digitale Distribution für mich kein ideales Modell. So dürfte es wenig überraschend sein, dass ich Regina & Mac gerne auch physisch veröffentlicht hätte. Wäre da nicht die gar nicht so geringe Frage der Finanzierbarkeit…

Regina & Mac müsste auf dem Weg zu einer physischen Handelsfassung einige Hürden überwinden. Zunächst einmal wäre da das aller offensichtlichste Problem, die Finanzierung. Ich kann nicht genau sagen, wie die Mindestbestellmenge oder die Produktionskosten je Kopie für ein physisches Nintendo Switch-Spiel sind – ersteres kann man sich aber mit einem Blick limitierte Spielveröffentlichungen auf der Switch wahrscheinlich ungefähr erarbeiten – doch es sei so viel gesagt: Um eine physische Fassung alleine umzusetzen, müsste ich einen beträchtlichen, fünfstelligen Betrag in die Hand nehmen. Hinzu kämen administrative Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Spiele und mit dem Erhalt der Spiele von Nintendo. Kurzum, nach eingehender Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass eine selbständige Umsetzung einer physischen Fassung kaum zu stemmen wäre und auch in Anbetracht unserer beiden Kinder finanziell unverantwortlich wäre. Ohne Erfahrung im internationalen Vertrieb physischer Produkte und mit einem durchaus nicht zu unterschätzenden Risiko, auf einem Großteil der Spiele sitzen zu bleiben, fiel diese Option leider schnell aus.

Mein Vorschlag für das Logo der Sammlung.

Natürlich habe ich dennoch einige Versuche gestartet, einen der Anbieter limitierter physischer Fassungen von Videospielen als Partner zu gewinnen, doch ein Großteil der möglichen Partner haben auf mein Schreiben gar nicht erst reagiert, die wenigen die es getan haben, haben ablehnend reagiert. Der aussichtsreichste mögliche Partner, ein deutscher mittelständischer Publisher, machte mir schließlich das Angebot, Regina & Mac als Code in a Box im deutschen Einzelhandel zu verkaufen, doch halte ich das für den Kunden nicht gerade für eine gute Lösung. Im Endeffekt erwirbt man auf diese Weise eine Plastikhülle und eine digitale Fassung des Spiels, es gibt also keinen Gewinn hinsichtlich der dauerhaften Verfügbarkeit des Spiels, zum anderen zahlt man auf diese Weise bedeutend mehr, als wenn man das Spiel einfach im eShop kaufen würde. Der einzige Vorteil des Modells wäre, dass das Spiel durch die Einzelhandelspräsenz mehr potenziellen Kunden überhaupt erst bekannt wird. Code in a Box war für mich also keine zufriedenstellende Lösung.

Eine Standalone-Release für Regina & Mac ist in physischer Form also mit Sicherheit nicht denkbar. Allerdings hat Nintendo schon früh eine Möglichkeit geschaffen, verschiedene Indie-Spiele zusammen auf einer Spielkarte zu veröffentlichen. Insgesamt können so bis zu vier Spiele zusammengefasst werden und so ein deutlich attraktiveres Paket für potenzielle Kunden geschnürt werden. In der Vereinbarung zur Auflösung meines Geschäftsverhältnisses mit Chavez konnte ich mir auch die physischen Rechte an einer Nintendo Switch-Fassung von Keen Dreams Definitive Edition sichern, ohne, dass Chavez in irgendeiner Form an solch einem solchen Projekt beteiligt werden müsste. Zusammen mit Marcus‘ Macbat 64 waren bereit drei Spiele zusammen. Schließlich haben Marcus und ich noch ein weiteres Spiel gemeinsam für die Nintendo Switch veröffentlicht, Toree 3D, das sich zu einem für unsere Verhältnisse großen Erfolg gemausert hat, aber auf Grund seines Umfangs und niedrigen Verkaufspreises von gerade einmal 99 Cent sicherlich auch keine Chance auf einen physischen Solo-Release hätte.

Das Label für das Modul.

Marcus stimmte zu, dass ich versuchen könne, einen Publisher zu finden, der das Gesamtpaket aus Toree 3D, Macbat 64, Keen Dreams Definitive Edition und Regina & Mac auf Spielkarte veröffentlichen würde. Nach einer umfangreichen Internetsuche hatte ich eine Liste von mehr als 20 Publishern zusammen, die lokale oder limitierte Veröffentlichungen von Nintendo Switch-Indie-Spielen vertreiben. Als nächstes ging es daran, ein individuelles Anschreiben für jeden dieser Publisher zu schreiben und eine prägnante, nicht zu ausführliche, aber auch nicht zu knappe Darstellung der vier Spiele zu verfassen, um das angestrebte Paket den Publishern schmackhaft zu machen. Insgesamt habe ich mit Sicherheit eine mittlere zweistellige Stundenzahl damit zugebracht, die Pitchschreiben vorzubereiten und dann sukzessive, mit einem gewissen zeitlichen Abstand an die möglichen Partner zu schicken. Wie bereits beim ersten Anlauf war eine wesentliche Schwierigkeit, dass viele Publisher überhaupt nicht rückgeantwortet haben. Gleichzeitig wollte ich aber auch nicht mehrere mögliche Partner gegeneinander „ausspielen“, so dass ich einen möglichen Partner nach dem anderen angeschrieben habe und jedem möglichen Partner erst einmal eine gewisse Zeit zur Reaktion gegeben habe. Leider habe ich über mehrere Monate hinweg nur wenige Antworten erhalten und die Antworten, die ich erhalten habe, waren durchweg Absagen. Als ich die Liste komplett abgearbeitet hatte, war ich dann doch wieder an dem Punkt, zu überlegen, ob ich es doch selbst versuche, oder aber den Traum von der physischen Fassung begrabe.

Im Mai 2021 hat mich dann jedoch die Mail von Iggy von Radianity, bekannt für die Label 1Print Games und Leoful, erreicht, dass sie interessiert wären, eine physische Fassung der vier Spiele für den Release im asiatischen Raum, aber mit englischer Verpackung und natürlich ohne regionale Beschränkung der Spielkarte vorzunehmen. In geringer Auflage würden die vier Spiele so im asiatischen Einzelhandel angeboten, aber auch international über den Postweg vertrieben werden. Ich war natürlich äußerst erfreut, doch musste ich die Sache noch mit Marcus endgültig absprechen, denn nur für Regina & Mac und Keen Dreams liegen die physischen Publishingrechte bei mir.

Abgesehen von einer marginalen textuellen Anpassung ist das das finale Inlay für die Super Retro Platformer Collection.

Die Diskussion mit Marcus war insofern alles andere als einfach, als dass die Konditionen für den physischen Release wirtschaftlich für uns nur eingeschränkt sinnvoll sind, da die Spiele so auf einem neuen Markt verkauft würden, auf den wir ohne Iggy keinen Zugriff gehabt hätten, aber auch nur einen äußerst geringen Anteil an den zu erwartenden Gewinnen hätten. Der physische Release relativ kleiner Indie-Spiele ist ein signifikantes Risiko und wenngleich wir keinerlei Risiko mittragen müssten, war klar: Hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen war das auch kein großes Geschäft für uns. Im Gegensatz zu mir ist Marcus aber kein reiner Hobby-Entwickler, sondern hat Gamedesign studiert und hat damit natürlich auch einen verständlichen Anspruch, seine Arbeit nicht völlig unter Wert herzugeben. Im Endeffekt war es ein langes Gespräch an dessen Ende Marcus dankenswerterweise eingewilligt hat, trotz der für ihn nicht sehr attraktiven Bedingungen, dem Vertrag mit einigen leichten Modifikationen zuzustimmen. Ein Umstand für den ich Marcus sehr dankbar bin.

Die Vorbereitung des physischen Release im Anschluss haben sich über einen ziemlich langen Zeitraum hingezogen. Zunächst stand für mich auf dem Plan, alle vier Spiele in einen möglichst optimalen Zustand zu versetzen, also alle mir noch bekannten Fehler zu beseitigen und alle noch ausstehenden Balancing-Optimierungen durchzuführen. Es war mir besonders wichtig, dass die Fassung der Spiele, die auf die Karte kommen würden, keinen Patch mehr erhalten müssten. Der Grund hierfür ist, dass die Nintendo Switch sich für jedes Spiel, das sie abspielt, merkt, was die neueste Version des Spiels war, die sie abgespielt hat. Anschließend kann man das Spiel nicht mehr in einer älteren Fassung spielen – auch dann nicht, wenn man den Spielstand löscht. Einzig ein komplettes Zurücksetzen der Nintendo Switch ermöglicht es, diese Daten zu löschen. Dabei verliert man aber auch alle seine Downloadspiele und sonstigen Spielstände. Das schränkt den Wert eines physischen Spiels im Vergleich zu einem digitalen potenziell schon merklich ein, so dass es mir besonders wichtig war, das für meinen eigenen physischen Release zu vermeiden. Alle in der physischen Fassung enthaltenen Spiele erhielten somit noch einen letzten „finalen“ Patch auf die Version 1.2f, die danach nicht mehr angefasst werden sollte.

Endlich in den eigenen Händen!

Für die physische Veröffentlichung musste ich dann alle vier Spiele einzeln noch einmal zum Lotcheck einreichen und auch eine Hauptdatei einreichen, die auf der Spielkarte dann die vier Spiele indizieren würde. Der weitere Prozess zur Einreichung lag dann vorrangig in der Hand von Iggy: Die Erstellung eines Logos und eines Titelbildes für die Verpackung hat Iggy mit eigenen Partnern, aber unter Rücksprache mit Marcus und mir umgesetzt, auch die Produktion selbst und die Distribution lief natürlich über Iggy. Wir selbst waren natürlich bis zur Ankündigung des Spiels durch Leoful zum Schweigen verpflichtet. Die Zeit zwischen Vertrag und Produktion war für mich auf jeden Fall noch sehr aufregend, da ich natürlich immer ein wenig Sorgen hatte, dass es doch noch schiefgehen könne, besonders wenn es längere Wartezeiten zwischen den einzelnen Schritten zur Veröffentlichung gab.

Doch Ende gut alles gut: Am Montag kam meine eigene Kopie der Super Retro Platformer Collection an und damit wurde mein Traum vom eigenen Videospiel vollends erfüllt. Für Tristan wird das übrigens interessanterweise das erste Mal, dass er Regina & Mac auf der Switch spielen wird, denn er hat sich die digitale Fassung nie heruntergeladen. In Sachen Videospiele sind unsere Einstellungen schon sehr nah beieinander, Tristan ist hier aber wohl etwas konsequenter als ich. Ich hoffe, dass Tristan mit dem Endergebnis auch zufrieden sein wird.