The Case of the Golden Idol (Review)

Artwork von The Case of the Golden Idol

Ich liebe Videospiele, in denen wir mehr oder weniger aktiv Kriminalfälle lösen dürfen. Und ich kann das gar nicht stark genug betonen, wie fett ich dieses Wort hervorheben möchte. Da ist es mir dann auch egal, ob der Detektiv meiner Wahl nun Sherlock Holmes oder Phoenix Wright heißt oder komplett namenlos ist. Daher war es mir an Weihnachten eine gewaltige Freude von meinem Village-Wichtel The Case of the Golden Idol geschenkt zu bekommen. Doch nicht nur mein Wichtel, auch das Spiel selbst hat an diesen Wintertagen mein Herz erwärmen können.

Es gibt nur eine Wahrheit in The Case of the Golden Idol

Während die Metapher im letzten Satz meiner Einleitung aufgrund der viel zu warmen Weihnachts- und Silvestertage bei genauerem Überlegen an Kraft verliert, tat dies mein Wichtelgeschenk keineswegs. Ganz im Gegenteil, hätten nicht zahlreiche Familienbesuche angestanden, wäre The Case of the Golden Idol von mir in einem Durchgang verputzt worden. Vergleichbar mit dem Weihnachtsessen.

Das Point’n’Click-Adventure von Color Gray Games spinnt über mehrere Kapitel eine obskure Reihe von Mordfällen auf. Im Zentrum steht die namensgebende goldene Statue mit diversen magischen Fähigkeiten. Jeder Fall hat direkt oder indirekt mit dieser Statue zu tun und als stiller Beobachter verwickeln wir uns mehr und mehr in die Intrigen der handelnden Personen. Und was als familiäre Tragödie begann, entwickelt sich schon bald zu einer politischen Verschwörung mit ungewissem Ausgang für das vorindustrielle Land.

Screenshot aus The Case of the Golden Idol
Hier kommt wohl jede Hilfe zu spät…

Das Spielprinzip ist auf mechanischer Basis recht simpel. Jeder Fall bietet uns eine Reihe von statischen Bildschirmen, auf denen wir Interaktionspunkte erkunden und Hinweise sammeln. Statt wie in herkömmlichen Point’n’Clicks Items miteinander zu kombinieren, werden in The Case of the Golden Idol Schlüsselworte markiert und für die Lösung des Falles herangezogen. Auf einem separaten Bildschirm besteht unsere Aufgabe schließlich, Lückentexte oder andere Eingabefelder mit diesen Worten korrekt auszufüllen. Dies entpuppt sich aber als nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache

Sobald wir alle Hinweise gesammelt haben und den Deduktions-Bildschirm aufsuchen, geht die eigentliche Detektivarbeit so richtig los. Aus den Hinweisen, die wir gesammelt haben, sowie anderen Indizien und Beweisen innerhalb der Spielwelt, puzzeln wir uns nacheinander die Lösung des Falles zusammen. Der Bildschirm ist unterteilt in verschiedene Bereiche und sobald ein Bereich komplett ausgefüllt ist, meldet das Spiel uns, ob unsere Eingabe korrekt war. Eine gesonderte Hilfestellung erhalten wir, wenn lediglich ein oder zwei Angaben fehlerhaft einsortiert sind. Dies hat allerdings zum Nachteil, dass wir an diesen Stellen die Lösung durch Hinweis-Wechsel mit Gewalt statt mit Hirnschmalz herausbekommen können.

Denn das Knobeln und Indizien nutzen, um der Wahrheit hinter dem Fall auf die Spur zu kommen, ist ungemein unterhaltsam. Ähnlich wie bei Return of the Obra Dinn geht es in erster Linie darum, die Identitäten der anwesenden Personen herauszufinden und auf diese Weise Rückschlüsse auf das Geschehen zu ziehen. In seinen besten Fällen erzählt das Spiel auf diese Weise stellenweise sehr abstrakte Fälle mit spannenden Einblicken in die Welt von Golden Idol. Doch es ist Fluch und Segen zugleich, dass sich der Vergleich mit Obra Dinn aufdrängt.

Screenshot aus The Case of the Golden Idol
Feurio!

Denn auch wenn sich einzelne Elemente des Gameplay sowie das Gefühl der Ermittlung stark ähneln, gibt es große Unterschiede was das Pacing und den einsetzenden Gameplayloop angeht. The Case of the Golden Idol wiederholt sich mit jedem Kapitel aufs Neue. Wir klicken uns erst durch alle Bildschirme und sammeln alle Hinweise. Wie ein Schwamm saugen wir diese zuerst auf, bis die komplette Leiste unten mit Worten gefüllt ist. Leider wissen wir bereits zu Beginn, wie viele Hinweise versteckt sind. Zumindest kann man die Markierung wichtiger Erkundungsspots abschalten – für ein wenig mehr Anspruch beim Suchen. Eine andere Gedankenleistung hat dieser Schritt kaum zu bieten, auch wenn es einen ersten Eindruck vom Geschehen bietet.

Eine Frage hätte ich noch…

Das Kombinieren anhand des Deduktionsfensters sowie der Abgleich mit den Indizien macht hingegen sehr viel Freude. Doch das Hin und Her zwischen diesen Phasen des Suchens sowie aktiver Deduktion schadet dem Spiel ein wenig. Die offene Struktur von Return of the Obra Dinn verzahnte diese unterschiedlichen Phasen besser miteinander. Ermittlung und Erkundung einerseits sowie die Deduktion gingen Hand in Hand und waren freier.

Die Unterteilung in die Kapitel sorgt aber noch für einen anderen Wermutstropfen. Die Geschichte rund um das Golden Idol ist einerseits sehr linear, aber zugleich auch fragmentarisch erzählt. Wir kommen in eine Szenerie hinein und dort passiert was. Als stille Beobachter tauchen wir nicht ins Geschehen ein oder rekonstruieren dieses, sondern wahren Distanz. Erst in dieser Auseinandersetzung zwischen Golden Idol und Obra Dinn erkenne ich erst, wie gut und durchdacht in diesen Punkten das Mysterium rund um das verlassene Handelsschiff ist. Passiert mir auch selten, dass ein Spiel von einem anderen so profitieren kann.

Screenshot aus The Case of the Golden Idol
Wer tat was wo wann wieso?

Doch macht dies The Case of the Golden Idol plötzlich zu einem schlechten Spiel? Mitnichten. Wenn wir die Vergleiche zu anderen Ermittlungsspielen wie beispielsweise Tangle Tower oder die letzten Sherlock Holmes-Titel ausdehnen, dann schafft das Spiel trotz der erwähnten Distanz zum Geschehen eine fantastische Sogwirkung für die abschließende Deduktion jedes Falls. Für solche aktiven Phasen liebe ich dieses Genre. Und im Kontext des gesamten Jahres 2022 brilliert es durch seine Einzigartigkeit. 

The Case of the Golden Idol hätte in anderen Jahren zum GOTY werden können

Was war das für ein Jahr 2022? Und ich bin mit dem Nachholen anderer, toller Titel noch lange nicht durch. The Case of the Golden Idol gehört allerdings eindeutig zu den besten Spielen des Jahres. Obwohl das Adventure an einigen Stellen nicht ganz rund daherkommt und der Gameplayloop zuweilen stottert, übertrifft sich das Spiel – wenn es in die Gänge kommt – quasi selbst. Tolle Deduktionen, eine abstrakt verworrene Geschichte und ein passender Artstyle machen The Case of the Golden Idol zu einem Spielerlebnis, welches sich 2022 nicht zu verstecken brauchte. Und von deren Nische ich unbedingt noch mehr haben will!

Ermittlungen auf PC via Steam angestellt.