Little Orpheus (Review)

Artwork Little Orpheus

Ich bin nicht wirklich ein Fan von exklusiven Deals. Wenn ein Studio nicht gerade Teil des Kosmos rund um einen Publishers gehört, finde ich es immer wieder schade, wenn ein Spiel lediglich für eine einzige Plattform erscheint. Egal ob zeitexklusiv oder nicht. Besonders schade empfand vor zwei Jahren den Release von Little Orpheus auf Apple Arcade. Der Plattformer hat mich damals sofort angesprochen, doch neben all den bereits existierenden Plattformen und Diensten noch einen zusätzlichen Dienst? Für ein Spiel? Das fiel mir schwer.

Doch Geduld hat sich ausgezahlt und dieser Tage erscheint die Räuberpistole mit russischem Touch nach kriegsbedingter Verschiebung auf allen anderen Plattformen. Dank dem Gaming Village war es mir nun möglich, auf Series X mein eigenes Abenteuer erleben zu können. Allerdings hat sich die Wartezeit nicht wirklich gelohnt.

Jules Verne wäre stolz auf Little Orpheus

Ein Spiel über einen russischen Kosmonauten mit viel Seemannsgarn und einen Hauch von Jules Verne? Von einem britischen Studio mit dem Namen The Chinese Room? Wilde Mischung soweit. Und genauso wirkt auch Little Orpheus: sehr wild.

Ich durfte in die Rolle des Kosmonauten Ivan Ivanovich schlüpfen, der ein enormes Problem hat. Sein Einsatz in den Erdkern und den gewaltigen Hohlraum unter der Oberfläche lief nicht ganz wie geplant. Drei Jahre später meldete er sich bei seinen Vorgesetzten zurück und die sind ganz und gar nicht erfreut über die Rückkehr. In einem düsteren Verhörzimmer eingesperrt, droht der russische General Yurkovoi damit, Ivan exekutieren zu lassen, wenn ihn dessen Bericht nicht überzeugt. Denn Ivanovich ist nicht nur spät zurückgekehrt, sondern hat auch die atomare Bombe Little Orpheus verloren. Passiert mir auch manchmal.

Ein kleiner Happs für den Dino, ein vorzeitiges Ende für Ivanovich?

Und so entfaltet sich vor uns sowie dem General eine atemberaubende Räuberpistole. Auf unserer Reise durch die Hohlerde werden wir von hungrigen Dinosauriern und einem versklavten Ureinwohner-Volk verfolgt. Wir frieren in einer frostigen Eiswüste und machen es uns mit widerlichen Würmern in den Innereien eines gigantischen Walfischs gemütlich. Little Orpheus ist nicht gerade subtil darin, seine zahlreichen Vorbilder – egal ob Pinocchio, Sindbad oder zahlreiche andere literarische und mythologische Figuren – einzubauen. Und egal wie wild es wird, das Spiel schafft es, all seine Elemente zu händeln.

Der erfolgreichste Faktor dafür ist der Ton der Inszenierung. Little Orpheus präsentiert sich wie eine Pulp-Serie der 60er Jahre, Kapitel werden durch In- und Outros sowie Erzählstimme flankiert. Dies alles lockert das Spiel auf und verpasst dem Abenteuer eine humorvolle, aber zugleich actionreiche Atmosphäre. Leider baut sich dieser Stil nach einigen Kapiteln ab und die Wechsel zwischen den Leveln bieten immer weniger Charme. Es hilft auch nicht, dass im Mittelteil das Spiel narrativ durchhängt. Es fehlt der Fokus und die Rahmenhandlung im Verhörzimmer ist eine spaßige Kommentierung, aber kein Ersatz für das fehlende, narrative Momentum. Erst das Finale nimmt dann wieder Fahrt auf.

Schwingen wie Tarzan

Auf diese Weise plätschert Little Orpheus trotz all seiner kreativen und spaßigen Ideen im späteren Verlauf dahin. Dass sich das Spiel in diesem langen Mittelstück zäh anfühlt, ist allerdings nicht nur der Narrative und deren Inszenierung geschuldet. Auch das Gameplay motiviert nur über eine kurze Zeit.

Unser Abenteuer als Kosmonaut in den tiefsten Tiefen der Erde entpuppt sich als recht zahmes 2D-Platforming-Adventure. Wir steuern Ivanovich durch die zweidimensionalen Level, die uns vor diverse Herausforderungen stellen sollen. Diese sind allerdings in erster Linie nicht wirklich herausfordernd und in zweiter Linie langsam und unkreativ. Reines Platforming ist simpel und abseits von Links-Rechts-Bewegung, einem Hüpfer sowie dem Klettern an Seilen ist hier wenig Interaktion vorhanden. Das Leveldesign gibt uns zu selten einen Grund, um die akrobatischen Künste Ivanovichs auf die Probe zu stellen. Lediglich vereinzelte Seil-Schwingsequenzen sowie Abschnitte, in denen wir verfolgt werden, setzen uns unter Druck. Zu wenig, um mich spielerisch zu begeistern.

Knobeln und Verstecken

Zugleich gibt es aber auch vereinzelte Rätsel- und Stealthbereiche, die das Gameplay bereichern sollen. Doch auch hier ist nur ein solide funktionierendes Fundament vorhanden, das kaum über sich hinauswächst. Rätsel bestehen lediglich darin, Objekte zu verschieben, um Mechanismen in Gang zu setzen oder uns eine neue Plattform zu schaffen. Mir wird nur ein einziges Puzzle in Erinnerung bleiben, in dem ich ein Seil an die richtige Stelle schieben muss, um voranzukommen. Unglaublich simpel, aber mitunter das einzige, das nicht auf den ersten Blick lösbar war.

Die Stealth-Sektionen hingegen sind spielerisch immer identisch. Wir kommen an eine Stelle, an der uns das Wesen im Hintergrund nicht sehen kann. Kurz abwarten. Da, es schaut weg! Schnell zum nächsten Hindernis. Oh nein, die nächste Lücke. Warten, warten..und ab die Post. Dies wiederholt sich hier und da und nur selten lockern Dinge wie bewegliche Verstecke sowie eine Einbindung der Schieberätsel das Geschehen auf. Für den Gesamteindruck ist das allerdings zu wenig gewesen.

Eventuell würde es mehr Abwechslung bringen, wenn es Sammelgegenstände gäbe. Oh, die gibt es? Aber erst, nachdem man ein Kapitel einmal durchgespielt hat? Und dann liegen die nur offensichtlich auf dem Weg? Okay. Warum nicht sofort? Nach dem Durchspielen erweitern sich die Level mit leuchtenden Blasen, die uns zusätzliche Ivanovich-Kommentare freischalten. Aber warum nicht anders einbinden, eventuell direkt und besser versteckt? Kann ich nicht nachvollziehen, da diese Objekte abseits von Achievements keine Motivation für ein wiederholtes Spielen bieten.

Little Orpheus tritt auf der Stelle

Ich möchte Little Orpheus gerne haben. Die Welt, durch die wir uns bewegen, ist eindrucksvoll und kreativ gestaltet. Das Hin-und-Her im Verhörzimmer hat einige sehr lustige Momente zu bieten. Doch die Entwickler:innen von The Chinese Room machen zu wenig aus den Zutaten, die sie sich selbst auf die Küchenzeile gestellt haben. Sympathie hin oder her, aber für die Adventure-Narrative ist das Spiel deutlich zu lang und repetitiv. 

Und das Gameplay ist zu Beginn sehr solide, hat allerdings keine Progression zu bieten. Das Leveldesign verliert sich in seiner optischen Gestaltung, gerade die Hintergründe sind teilweise wirklich schön. Aber spielerisch entwickelt sich das Spiel kaum weiter. Im Gegenteil, erst nach dem Durchspielen werden ebenfalls sehr simple Elemente freigeschaltet. Das ist zu wenig, um mein Herz vollends zu gewinnen.

Räuberpistole auf Xbox Series X abgeschossen. Ein herzlicher Dank geht an Secret Mode für die Bereitstellung des Mustercodes.