Card Shark (Review)

Artwork zu Card Shark

Kartenspielertricks sind schwer zu beherrschen und nichts für schwache Nerven. Nur wer wirklich filigran zu Werke geht und die richtige Fingerfertigkeit an den Tag legt, wird seine Kontrahenten gelungen hinters Licht führen können. Doch jeder Trickbetrüger fängt einmal klein an. In Card Shark dürfen wir ein gesamtes Spiel hindurch Asse im Ärmel verstecken, heimlich die Hand des Gegners ausspionieren und kommen dabei einer großen Verschwörung auf die Spur. Klingt spannend? Auf den ersten Blick schon. Und doch konnte mich das Spiel mit seinen Videospiel-Tricks nicht wirklich abholen. Aber wie ich schon in den Most Wanted des Monats Juni gesagt habe: Hier erwartete uns eine Wundertüte.

Der langsame Start von Card Shark

Ich hab mich schon immer sehr für Kartenspiele interessiert, bin in meiner Jugend dem endlosen Groschengrab Magic verfallen und habe später ein Faible für Card-based Videospiele ala Slay the Spire entwickelt. Umso gespannter war ich nach der Ankündigung von Nerial Games, dass sie ein Kartenspiel entwickeln, in dem es um Lug und Trug und nicht das beste Blatt in den Händen geht. Das Entwicklerstudio hinter Card Shark ist mir vor allem wegen ihrer Reigns-Reihe im Gedächtnis. Eine komplett andere Form von Spiel von denen zu erhalten war für mich daher sehr spannend.

Diese Spannung hat sich allerdings in den ersten Spielstunden schnell in Ernüchterung umgeschlagen. Card Shark ist beileibe kein Kartenspiel, sondern ein narratives Adventure mit Minispielen als spielerisches Mittel der Wahl. Diese Ernüchterung ist aber lediglich meiner eigenen Erwartungshaltung zu verdanken, weswegen ich die ersten Stunden, in denen Card Shark bei mir nicht richtig zünden wollte, weniger kritisch sehen würde.

Screenshot aus CardShark
Warum immer so feindselig!?

Abseits dieser Umstände ist Card Shark dennoch ein sehr bodenständiges Spiel geworden. Wir schlüpfen in die Rolle des jungen Eugene, einem Waisenkind im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Um unseren Lebensunterhalt zu verdienen arbeiten wir in der Taverne unserer Waisenmutter. Doch eines Tages kommt ein fremder Mann vorbei, dessen Fertigkeiten beim Kartenspiel nicht von ungefähr kommen – ein echter Trickbetrüger eben. Leider bekommt sein Opfer Wind vom Betrug und beim entstehenden Chaos wird unsere Mutter ermordet. Um nicht selber ins Visier der Gendarmerie zu geraten fliehen wir gemeinsam mit dem betrügerischen Comte und tauchen in der zwielichtigen Welt der Kartentricks ab. Doch der Comte nimmt uns nicht uneigennützig als Mentor unter seine Fittiche, denn es gilt eine große Verschwörung rund um das Königshaus aufzudecken!

Die zuweilen stumpfen Zähne des Karten-Haifischs

Die Story war letzten Endes meine persönlich größte Triebfeder zum Weiterspielen von Card Shark. Sie ist nicht außergewöhnlich trick- und wendungsreich, aber sie bietet dennoch einige spannende Momente und interessante Charakter. Nichtsdestotrotz ist sie im Endeffekt zu oberflächlich, um als alleinige Empfehlungsgrundlage herhalten zu können. Es kommt zwar auch dank des sehr schönen Artstyles sowie der stimmungsvollen Musik aus der dargestellten Epoche viel Flair eines bisher recht selten eingesetzten Videospiel-Settings auf. Aber diese Faktoren alleine tragen Card Shark leider nicht.

Screenshot aus CardShark
Wenn ich jetzt wüsste, um was für ein Kartenspiel es eigentlich geht….

Über den Gameplayloop von Card Shark scheiden sich wahrscheinlich die Geister. Haben wir den Prolog hinter uns reisen wir fortan durch Frankreich von einem Punkt zum nächsten, um mit unseren Kartenspielertricks genug Livre und Informationen zu sammeln. Mit genug Geld können wir ander Opfer der Gesellschaft unterstützen und Tische mit höheren Einsätzen angehen. Informationen hingegen treiben die Story voran. 

Jeder Besuch an einem Kartentisch läuft gleich ab: In einer Kutsche fahren wir gemeinsam mit dem Comte dahin und planen die neuesten Strategien für den Abend. Insgesamt 28 verschiedene Strategien gibt es im Spiel, um siegreich wieder umkehren zu können. Und jede Strategie besteht seinerseits aus einzelnen oder einer Reihe von Minispielen.

Mischen, spicken und zinken

Um ein guter Kartenspiel-Betrüger zu werden sind zwei Faktoren wichtig: Selber in den Besitz guter Karten zu kommen und die Karten des Gegenübers zu kennen. Die Minispiele teilen sich daher auf diese beiden Kernaspekte auf. Bei einem schütten wir den Spielern Wein ein und erhaschen so einen Blick auf die Karten oder tauschen neue Karten mit dem Comte auf. Bei einem anderen mischen wir hochwertige Karten derart im Stapel, dass lediglich wir diese erhalten können. Und wieder andere basieren auf Quick-Time-Events und suggerieren so eine Fingerfertigkeit, der die Augen unseres Gegners nicht folgen können.

Wichtig sind bei diesen Minispielen somit unsere Reaktionsfähigkeiten, eine ideale Vorplanung sowie Erinnerungsvermögen. Die Regeln des Kartenspiels selber? Komplett unwichtig. Werden die Minispielfolgen erfolgreich absolviert haben wir automatisch gewonnen – außer die Story verlangt dies anders. Schaffen wir es hingegen nicht oder sind zu langsam, wird unser Gegenüber aufmerksam. Niederlagen und Tod können die Folge sein, wenn wir beim Cheaten erwischt werden. Aber keine Sorge, Card Shark schafft es ziemlich gut, diese Verluste in die nachfolgenden Dialoge einzubinden, um narrativ den Eindruck zu erwecken, nichts verloren zu haben.

Screenshot aus CardShark

Spielerisch kann ich da nicht einstimmen. Verlieren wir all unser Geld oder unser Leben, werden wir stets vor dem Beginn des jeweiligen Abschnitts geworfen. Den wenigen Dialoganpassungen zum Trotz wiederholen sich große Portionen des Spiels, selbst notwendige Tutorials zu Beginn müssen wiederholt werden. Übung macht zwar den Meister – gerade in Card Shark meiner persönlichen Erfahrung nach -, aber dieser Umstand hilft nicht gerade beim erstaunlich zähen Pacing zu Beginn des Spiels. 

Die Minispiele rangieren von belanglos bis zu interessanten Gedächtnisübungen und spätere Strategien kombinieren die auf durchaus sehr anspruchsvolle Weise. Dennoch finde ich es sehr enttäuschend, dass das Kartenspiel selbst keinerlei Relevanz spielt. Es hätten keine vollumfänglichen Partien sein müssen, da dies eine zusätzliche KI der Gegner erfordert hätte. Aber spezielle Kartensituationen, ähnlich wie Schachrätsel oder Herausforderungen aus Yu-gi-oh! und anderen Videospielen dieser Art, würden ideal dazu passen.

Das letzte Ass im Ärmel von Card Shark

Es ist keine innige Liebesbeziehung geworden, die Card Shark und ich in den vergangenen Tagen eingegangen sind. Uns beide erwischte es auf dem falschen Fuß. Ich hatte ein wenig falsche Erwartungen an uns. Card Shark hingegen hat nicht genug investiert. Man könnte daher sagen, dass ich ein wenig enttäuscht bin von diesem Adventure.

Man muss aber auch sagen, dass die Idee dahinter sehr viel Potenzial hat. Ich mag die Welt und Charaktere, die Minispiele werden aufgrund der immer komplexeren Strategien vor allem gegen Ende sehr interessant. Es fehlt aber der Funke, der Leidenschaft beim Spielen von Card Shark entzündet. Die Story ist nett und das Gameplay mausert sich. Aber die Präsentation des Gamedesigns wirkt zäh und zuweilen hölzern. Im Grunde habe ich genau das bekommen, was ich bereits zuvor gemutmaßt habe: eine Wundertüte. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob Card Shark das Richtige für einen ist. Und wer weiß, vielleicht hat das Spiel für euch persönlich ja doch das richtige Ass im Ärmel.

Getestet auf Steam Deck. Ein herzlicher Dank geht an Nerial Games für die Bereitstellung eines Mustercodes.