Poinpy (Review)

Artwork und Logo zu Poinpy

Vor nicht einmal zwei Wochen begann das Summer Game Fest 2022 mit einigen kleinen und großen Events rund ums Gaming. Und wenn es sich zeitlich einrichten lässt, lass ich es mir natürlich nicht nehmen die neuesten Videospiele aus allen Sparten der Industrie kennenzulernen. So lerne ich nicht nur die heißen Eisen im Feuer von Xbox oder anderen Publishern kennen, sondern auch zahlreiche Indie-Titel. Und Netflix. Deren Geeked Week hatte dieses Jahr nicht nur Serien auf Basis von Videospielen zu bieten. Dazu gesellten sich auch einige Titel für den hauseigenen Smartphone Katalog des Streaming-Anbieters. Darunter auch Poinpy. Ganz offensichtlich auch Poinpy, schließlich ließen es sich die beiden Host (u.a. Geoff Keighley) nicht nehmen, den Namen in schöner Regelmäßigkeit fallen zu lassen. Poinpy. Ganze 41-mal, ein Ticker lief in dem Showcase mit. Kein Wunder, dass ich es mir nicht nehmen ließ und mir das Spiel heruntergeladen habe.

Poinpy!

Zugegeben habe ich mir nicht irgendein Spiel heruntergeladen. Meine Wahl fiel auf Poinpy nicht wegen der dutzenden Erwähnung des Namens. Sondern wegen der einmaligen Erwähnung des Entwicklers: Ojiro Fumuto. Der japanische Indie-Entwickler war unter anderem für den anspruchsvollen Rogue-Titel Downwell verantwortlich. Die ersten Eindrücke aus dem Showcase zeigten bereits, dass Poinpy ähnlich und doch irgendwie grundverschieden zu Downwell ist. Und die letzten Tage bestätigten mir dies.

Lecker!

Poinpy ist im Grunde ein sehr simples Spiel. Wir schlüpfen in die Rolle eines kleinen grünen Wesens auf großer Reise. Diese führt uns durch eine vertikal von unten nach oben führende Welt, die wir durch gezielte Sprungmanöver durchqueren. Wir tippen auf den Bildschirm, ziehen den Finger weg von der Richtung, in die es gehen soll und schon sehen wir die prognostizierte Sprungkurve. Ein kurzer Tapser auf den Bildschirm während des Sprunges bricht diesen zudem ab und aktiviert einen Stampfer. Dieser ist die einzige Möglichkeit, um es mit fiesen Gegnern aufzunehmen, die das Level bevölkern. 

Doch während wir Marienkäfer und anderes Getier zerstampfen können, lauert am unteren Rand des Levels eine viel größere Gefahr. Und dieses Monster können wir nicht zerstampfen, sondern nur mit Früchten aus dem Level zufrieden stellen. Aber kein Wunder, dass es wütend ist, nutzen wir es doch bei jedem Levelstart als Trampolin. Da wäre ich auch stinkig!

Magnetisches Spieldesign

Der sehr kindlich und farbenfroh gehaltene Stil von Poinpy kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, welche Art von Spiel Poinpy ist. Der Netflix-exklusive Smartphone-Titel präsentiert sich in der ersten Spielstunde sehr spaßig. Die Sprungmanöver sind intuitiv und machen zu Beginn Spaß, der Stil des Spiels hübsch anzusehen. Zudem fehlen die sonst üblichen Mikrotransaktionen, um Spieler:innen bei der Stange zu halten. Doch es geht Netflix nicht um die Monetarisierung mit seinen exklusiven Videospielen, sondern um Kundenbindung. Dieser Grundgedanke zieht sich durch das gesamte Spieldesign.

Das wütende Monster besänftigen wir am besten mit den Früchten, die wir auf unserem Weg durch das Level einsammeln können. Sind wir zu langsam, die gewünschten Früchte zu beschaffen, setzt es einen Flammenstoß, der uns ein Leben nimmt. Wann dieser kommt, lässt sich an einem visuellen Countdown ablesen, der sich allerdings nicht so zuverlässig verhält, wie er es sollte. Manche Zeiten erscheinen länger, manche kürzer und visuell gab es keinen Indikator dafür außer Einfärbung des Countdowns via Zeigerumdrehung.

Screenshot aus Poinpy

Früchte dienen allerdings auch als Erfahrung, mit der wir im Rang aufsteigen können. Dies geht zu Beginn recht schnell, Rang 2, dann 3, dann 4 und schließlich 5. Als es dann aber um die nächste Stufe ging, wird der Fortschritt enorm heruntergefahren. Ich sammelte anschließend zwar mehr Früchte ein, aber erhielt prozentual einen sehr geringen Fortschritt für den nächsten Rang. Wenn wir also im Rang aufsteigen wollen, sind viele Sessions mit viel Grinding angesagt.

Passend dazu gibt es zusätzlich zu den Früchten Kerne zu sammeln, die wir gegen Ausrüstung tauschen können. Slots für die Ausrüstung schalten sich per Rangaufstieg frei und jede Ausrüstung gibt uns für den Durchgang einen Bonus. So bewegen wir uns beispielsweise beim Zielen nicht von der Stelle oder können einen größeren Hüpfer nach einem Stampfer machen. Diese Ausrüstung erhalten wir allerdings nur in einer beschränkten Auswahl. Für die ersten zehn Kerne ergatterte ich mir den Zeitelefant, doch die beiden Alternativen tauchten in der Folge nicht mehr auf. Auch bei den künftigen Käufen gab es immer drei Stück zur Auswahl und keine Rückkehr der nicht gewählten in späteren Versuchen. Eine Mechanik, die mich nur zu ungut an Lootboxen erinnert.

Ein Poinpy in den Brunnen gefallen

Die ersten Stunden in Poinpy haben sehr viel Spaß gemacht. Mir gefällt das Grobkonzept und es ist simpel und intuitiv integriert. Doch dieses Design wird im alsbald von den üblichen Mechanismen des Smartphone-Marktes verdrängt. Wo dich Downwell mit seinem Gameplayloop begeistern und stundenlang an Konsole oder Smartphone gefesselt hat, schafft es Poinpy nicht diesen aufrecht zu erhalten. Stattdessen lädt der Titel zu einem Grind ein, den das Konzept alleine nicht tragen kann. Und nutzt dabei Mechaniken aus, die es sonst nur bei gierigen Entwicklerstudios gibt. Vielleicht könnte man das Argument bringen, dass es hier bei Poinpy sogar schlimmer ist. Das Spiel will von dir kein Geld. Es will deine Aufmerksamkeit. Wenn das Spieldesign unter der Oberfläche interessanter wäre, würde es der Titel wahrscheinlich auch bekommen.

Gespielt auf einem Samsung Galaxy A70. Poinpy-Counter für diesen Artikel: 14-mal!