Elden Ring (Eine Erlebnis-Review)

Artwork zu Elden Ring

Die letzten Wochen ging für mich nur ein Gedanke durch den Kopf: Soll ich oder soll ich lieber keine Review zu Elden Ring schreiben? Ein Spiel mit einem Metacritic-Score von 94 bis 96. Mit einem OpenCritic-Score von 95. Welches Social Media über einen längeren Zeitraum dominierte, wie kaum ein Spiel zuvor. Was könnte eine Review von meiner Seite wirklich zu der Debatte über das Spiel hinzufügen…vor allem, wenn meine Wertung prinzipiell die gleiche wäre. Daher für euch, ausnahmsweise bereits zu Beginn, der begehrte Gaming Village-Stempel! (Wenn wir größer wären sicherlich!)

Wenn ich an Elden Ring denke, wenn ich das Spiel in seine Einzelteile zerlege und gegeneinander aufwiege, würden mich die Worte auf der Tastatur unweigerlich zu einer Loblied-Review führen. Daher schaue ich weniger auf das Spiel, sondern vielmehr auf mich selbst. Wie kommt es, dass mich das Spiel so vereinnahmen konnte? Mich, der bis vor wenigen Monaten noch einen weiten Bogen um Soulsbornes gemacht hat. Begleitet mich auf meinem ganz persönlichen “Egotrip” und warum Elden Ring für mich schon jetzt zu den ganz großen Spielen aller Zeiten gehört. Obwohl ich mir einige Male die Haare gerauft habe, ob all der Dinge, die mich eigentlich stören. Spoiler für From-Jünger: Es ist nicht die Schwierigkeit des Spiels.

Elden Ring überspringt meine Rollenspiel-Hürde spielend

Das Phänomen Demon’s Souls mit all seinen positiven Anmerkungen, dem Importwahn und so weiter hat mich damals sehr angesprochen. »Hey, hast du schon vom neuen, heißen Sch** aus Japan gehört?« Und ich war ernüchtert. Ich bekam ein langsames und zähes Rollenspiel serviert, den nichts über die Masse erheben konnte außer ein wenig mehr Herausforderung und Atmosphäre. Nach ungefähr zwanzig Stunden sowie insgesamt fünf verschiedenen, bezwungenen Bossen verlor ich meine Lust. Aber das kenn ich bereits von vielen anderen Rollenspielen, dass dieses Zeitfenster kritisch wird. Elden Ring hat es allerdings nicht erwischt, ganz im Gegenteil.

Souls-likes haben mein Interesse in der Folge nicht wecken können. Bis ich dann zu Beginn diesen Jahres einen Abstecher nach Yharnam gemacht und Bloodborne bezwungen habe. Und hier habe ich gemerkt, es lag nicht gänzlich an der Designphilosophie von From Software, sondern einfach am Gesamtpaket. Meine Rückkehr kurz vorher zum PlayStation 5-Demon’s hatte nämlich dasselbe Ergebnis, wie neun Jahre zuvor. Ein explizites Problem zwischen mir und Demon’s also. Ich glaube, ohne diese Erkenntnis wäre bei mir Elden Ring wohl nicht in der Konsole gelandet. Der enorme Hype im Vorfeld sowie die extremen Review-Wertungen haben mich eh sehr skeptisch gemacht. 

Gewaltige Sprünge hat From Software da mit Elden Ring geschafft – zumindest bei mir

Warum fand Elden Ring dann dennoch zeitnah den Weg zu mir? Die Gründe sind vielfältig, aber der wichtigste Aspekt dürfte jener sein, der seit Release millionenfach aufgeworfen worden ist: Elden Ring ist in seinem gesamten Leveldesign mit The Legend of Zelda: Breath of the Wild vergleichbar. Ich habe kein Zelda-like erwartet, als ich meinen Pfad zum Elden Lord begonnen habe, sondern schon ein klares Soulsborne. Aber ich wollte wissen, ob dieses einzigartige Erlebnis, was mir Nintendos letztes Zelda geschenkt hat, nach Jahren endlich wieder nah gekommen wird. Und so kam im Verlaufe der ersten Monate 2022 einiges zusammen, um mir Elden Ring ein wenig schmackhaft zu machen.

Meine persönliche Reise durch die Zwischenlande

Jetzt schaue ich auf 116 Stunden Elden Ring zurück, die mir dermaßen Freude bereitet habe, dass ich darüber nachdenke noch einmal anzufangen und mit anderem Vorgehen zu spielen. Ich schaue mir Speedruns an (richtige, keine mit Zip-Glitches) und begleite hin und wieder Streamern auf ihren “ersten” Schritten durch die Zwischenlande. Es ist beinahe so, als wäre der gesamte Souls-Fanatismus, der mir die letzten Jahre entgangen ist, auf einen Schlag da. Verdammt, ich war wohlwollend gegenüber Dolmen, weil ich plötzlich das Gefühl habe, diesem Genre geöffnet worden zu sein. Auch wenn das Spiel es für seine technischen Shenanigans im Grunde nicht verdient hat.

Selbstverständlich waren die 116 Stunden Elden Ring nicht lupenrein perfekt. Ich bin niemand, der für seine vollste Zufriedenheit absolute Perfektion benötigt oder verlangt. Bei Spelunky, meiner absoluten Nummer 1, sehe ich, warum es nicht jeden anspricht. Ich kann verstehen, wenn jemand Celeste nicht als Meisterwerk betrachtet, wie ich es in meinem Herzen fühle. Und ich ignoriere einen kompletten Dungeon von Persona 5, obwohl ich den am liebsten aus der Disc herauskratzen würde. Ich neige manchmal zur Übertreibung, das wisst ihr ja. Meine ganz persönliche Reise durch die Zwischenlande war auf alle Fälle nicht perfekt. Und dennoch nimmt das Spiel fortan einen Platz in meinem Herzen ein, den ich vielleicht noch gar nicht wirklich fassen kann. Aber zurück zum Anfang.

Put your foolish ambitions to rest

Elden Ring ist auf den ersten Blick wie die meisten Soulsbornes, nur eben in einer offenen Welt angelegt. Wir erwachen an einem mysteriösen Ort und erhalten eine noch mysteriösere Mission, die es zu erledigen gilt. Die Welt von Elden Ring ist verfallen, lange Zeit ist vergangen seit ihrer glorreichen Zeit unter Königin Marika. Unsere Aufgabe ist es, der nächste Elden Lord zu werden und die Welt nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dass diese Vorstellungen davon abhängen, wofür wir uns entscheiden und welchen Persönlichkeiten wir begegnen, ist selbstverständlich.

Screenshot aus Elden Ring

Bereits nach wenigen Augenblicken ist Elden Ring vor allem eines: überwältigend. Die ersten Schritt in der Open World geben uns bereits so viele Informationen darüber, wie gigantisch unsere Reise als Tarnished werden wird. Und dass nur wenige Meter entfernt bereits ein Bossgegner wartet, der uns in Grund und Boden stampfen wird, zeugt bereits von der unbarmherzigen Natur dieser Welt. Gleichzeitig lehrt uns diese frühe Begegnung eine wichtige Lektion, die es in linearen Souls-likes nicht gibt: Jede Gefahr lässt sich umgehen und später angehen. Ich bin kein Fan davon, in einem Level an Gefahren vorbei zu rennen. Da bin ich stur, ich will eine Herausforderung bezwingen und nicht vor dieser Entkommen. Ich habe mich in Metroid Dread den Emmi-Gebieten durch Stealth gestellt, anstatt zu rennen. Und in Bloodborne habe ich mir die Zähne ausgebissen, getreu dem Motto “Git Gud!”.

In Elden Ring gibt es allerdings so viel zu erledigen, so viele Möglichkeiten ein Problem zu lösen, dass hier situativ ein ganz neues Schema greift. Hier ist es keine Schande vor dem ersten Open World-Boss zu fliehen. Einfach vorbei und später als unbezwingbarer Krieger zurückkehren. Es kann aber auch sein, dass man sich in der weiten Welt von Elden Ring komplett verliert. Dies geschah mir, weswegen der erste Boss, den ich in der Hauptstory hätte angehen sollen, erst nach mehr als zwanzig Stunden angegangen bin. Ich liebe das Erkunden von unbekannten Gebieten und Elden Ring bot bereits in diesem ersten Gebiet so viel, dass ich mich kaum lösen könnte.

Bin trotzdem ein paar Mal gestorben bei diesem ersten Boss, yeah!

Ein steiniger Pfad durch Elden Ring

Dieser Aspekt dürfte wahrscheinlich mein größtes Problem mit Elden Ring sein. Nicht die Schwierigkeit, die finde ich zu weiten Teilen fair und stark von den eigenen Fähigkeiten abhängig. Stattdessen fühlte ich mich nicht genug dazu “genötigt” dem mutmaßlichen Pfad durch die Welt zu folgen. Immer wieder gab es eine neue Höhle, ein neues Fort oder ein ganzes Gebiet, welches meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich bin in hochtoxische Gebiete teleportiert und von einem Aufzug in eine vollkommen neue Welt transportiert worden. Überall gibt es etwas zu entdecken, was meinen Entdeckergeist gebauchpinselt hat. Und die Welt von Elden Ring ist gigantisch, mit so vielen Abschnitten voller offener Freiheit, aber auch aus den Souls bekannten, linearen Dungeons. 

Ich würde das nicht als “falsche Spielweise” beschreiben. Aber es ist schon erstaunlich, wie meine Spielweise für knapp 60 bis 70 Stunden jegliche Herausforderung aus dem Spiel wegnahm. Eigentlich würde ich vermuten, ich überlevel mich wie leider zu oft in linearen Rollenspielen. Aber wie bereits bei Bloodborne habe ich auch hier gemerkt, dass andere Spieler mit weitaus weniger Spielzeit ebenso hoch gelevelt waren. Eine seltsame Beobachtung, die ich nicht so richtig greifen kann und die wohl auf eine Levelprogressions-Besonderheit der Soulsbornes schließen lässt.

Artwork vom Tarnished und einem Drachen in der Nacht

Ich habe Schwierigkeits-Debatten rund um dieses Genre nie wirklich verstanden. Sie sind herausfordernd und das ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Aspekte von Froms Philosophie. In Elden Ring würde ich sogar behaupten, ist die Schwierigkeit mehr denn je von der Spielweise jedes Einzelnen abhängig. Die Basis stellt weiterhin das animationsbasierte, zuweilen träge Kampfsystem dar. Doch Beschwörungen, Zauber, Waffenvielfalt oder die einfache Ergänzung eines Sprungbuttons gewähren uns so unfassbar viele Möglichkeiten. 

Meine Spielweise war divers und darauf aus mich so vielen unterschiedlichen Begebenheiten wie möglich zu stellen. Dadurch sind manche Bosse leichter, andere schwerer geworden. Je nachdem, bei wem welche Strategie am besten wirkt. Doch erst auf der Zielgeraden merkte ich eine Hürde, die ich mir so sehnlichst von dem Spiel gewünscht habe. Und die mir das Gefühl gewährt haben, von der ich bereits in meiner kürzlichen Review von Souldiers geschwärmt habe.

I am Malenia, Blade of Miquella. And I have never known defeat.

Elden Ring zieht in der zweiten Hälfte (oder eher letztes Drittel) enorm an. Hier wird im nebulösen Plot ein Punkt erreicht, der unsere Mission unter ein zuweilen anderes Licht stellt. Ich bin kein großer Fan der Gebiete, die sich anschließend öffnen, aber ich liebe den Fokus auf das große Tabu, den wir in der Welt begehen sollen. 

Ich glaube, ich könnte einen ganzen Artikel über die Welt schreiben und würde nur die Oberfläche ankratzen. Was Hidetaka Miyazaki und George R.R. Martin auf die Beine gestellt haben, ist der Wahnsinn und aller Ehren wert. Es ist nur schade, dass unaufmerksame Spieler aufgrund der Erzählweise durch Lore und Item-Beschreibungen sowie kryptischer Dialogzeilen nicht in den vollmundigen Geschmack dieser Welt kommen. 

Screenshot von Malenia, Boss aus Elden Ring.
Bereit für ein Tänzchen?

Das absolute Highlight meiner letzten 16 Stunden waren für mich zwei Bosskämpfe. Einer war versteckt auf einem hohen Plateau und war nicht mehr als eine Nebenaktivität, die wir aus zahlreichen Open World-Spielen kennen. Doch unser sich immer wieder wiederholende Tanz aus Schlag, Rolle und Ausweichen wurde von Mal zu Mal länger. Dies war kein Kampf, den ich durch eine höhere Zahl an meiner Waffe oder ähnliches gewinnen konnte. Dies war ein Kampf des Willens und der eigenen Fähigkeiten.

Denselben Tanz führte ich mit Malenia auf. Die tragische Kriegerin ist beinahe einhellig in den sozialen Netzwerken als schwerster Boss des gesamten Spiels bezeichnet worden. Verdammt, es gab einen Souls-Veteran da draußen im Netz, der nach zahlreichen Stunden Verzweiflung noch weitaus tiefer in selbige gestoßen wurde, als sich Malenias zweite Phase erstmals offenbarte. Ich habe nicht so lange gebraucht, aber anstelle von Verzweiflung habe ich Freude gespürt. Malenia ist böse, ihre Attacken in der ersten Phase unbarmherzig und in der zweiten noch weitaus heftiger.

Ich habe den Kampf genossen, da ich genau solche Bosse haben will. Ich will an meine persönlichen Grenzen innerhalb der vom Spiel gewährten Mechaniken stoßen. Und dieses Gefühl gab mir Elden Ring zu selten. Wenn ich also eine Schwäche brandmarken würde, wäre diese auf rein persönlicher Ebene festzumachen. Und der allerletzte Boss des Spiels, aber das Fass will ich an der Stelle nicht aufmachen. Nur soviel: Wenn ich etwas an Elden Ring als “schlecht” bezeichnen würde, wäre es dieser Kampf.

Wer braucht schon Perfektion?

Aber dies wäre sicherlich nicht der einzige Aspekt, den ich kritisch anmerken könnte. Es gibt vereinzelte Wiederholungen im Spiel, die in der Lore sowie dem Momentum von Elden Ring nicht gänzlich passen. Zudem ist die schiere Masse an Möglichkeiten und einhergehend auch das Loot von Waffen und anderen Items nicht nur überwältigend. Es bremst zuweilen die Euphorie, wenn eine Belohnung für den eigenen Spielstil komplett wertlos ist. Zudem könnte ich einzelne Stellen hinterfragen, ob diese der Schwierigkeit wegen angemessen sind. Aber bei letzterem Thema würden wir alle wohl unterschiedliche Stellen nennen können.

Ein anderer Aspekt, der mir persönlich nicht gefällt, wurde mir erst beim Vergleich mit Breath of the Wild klar. Elden Ring schafft es lange Zeit kaum den Spieler narrativ zu lenken. Dies liegt zuweilen am weitestgehend fehlenden Plot, aber auch am Erdtree im Zentrum. Prinzipiell sind beide Spiele ähnlich aufgebaut, im Zentrum liegt “unser Ziel” und dieses ist von nahezu allen Punkten der Karte aus sichtbar. Während allerdings Zelda uns ein konkretes, wichtiges Ziel vorgibt, was uns mit der Welt verbindet (Bezwinge Ganondorf), distanziert uns Elden Ring, in dem es uns in die Rolle des Eroberers (Werde Elden Lord) manövriert. Im Grunde ist Elden Ring auf diese Weise näher dem Storytelling, in der unser Weg das Ziel ist, während Zelda eine typische Heldenreise darstellt. Dies ändert sich erst mit dem vorhin erwähnten Wendepunkt, der uns einen größeren Sinn der Notwendigkeit unserer Taten verleiht.

Was bleibt von Elden Ring

Jetzt sitze ich hier und tippe diese Zeilen ein, blicke zurück auf zahlreiche Stunden Elden Ring und würde sagen: »Ja, ich liebe dieses Spiel!« Es ist nicht frei von Schwächen, aber jede Reise hat seine Schlaglöcher. Ich kann von mir selber behaupten, dass Elden Ring für mich eines der besten Spiele der letzten Jahre ist. Aber ich sehe trotzdem, dass trotz des enormen Hypes rund um den Titel die Soulslike-Formel weiterhin nicht jedem Spielertypus gefallen wird.

Elden Ring schafft es zudem in einem als festgefahren geltenden Leveldesign-Genre neue Aspekte zu liefern. Open World muss den Spieler nicht von Beginn an mit allen Möglichkeiten überfordern. Überfordert uns mit euren Story-, Gameplay- und Designinhalten. Nehmt uns nicht an die Hand und führt uns den gesamten Weg bis ans Ziel. Zeigt uns die Tür, gebt uns Werkzeug und wir schauen, wie wir diese Tür öffnen können. Oder ein Loch einschlagen. Gebt uns Freiheiten in den Grenzen eurer Designphilosophie. Breath of the Wild hat dies verstanden. Ansatzweise habe ich dies bei Ghost of Tsushima gespürt. Und Elden Ring setzt diesen Weg fort. Für Open World-Titel gilt dasselbe wie bei allen Medien: Nehmt eure Spieler:innen ernst, dann belohnen diese euch auf die vielfältigsten Weisen. Mit Trends, mit Verkaufszahlen, mit hohen Scores. Aber mit dem wichtigsten von allen: Sie werden sich an diesen Titel noch lange erinnern.

Gespielt auf PlayStation 5.