Unpacking (Review)

Artwork zu unpacking. Im Hintergrund des Logos befindet sich ein Umzugskarton, aus welchem ein Stofftierschein aus dem Füllmaterial des Kartons herausragt.

Ich kann euch sagen, ich bin ein Experte im Umziehen. Mittlerweile wohne ich in meinem achten Zuhause und wahrscheinlich steht mindestens noch ein weiterer Umzug mittelfristig ins Haus. Eine gewisse Übung beim Ein- und Auspacken mag ich also vorzuweisen haben, bevor ich mich an kürzlich an Unpacking gesetzt habe. Und es ist wirklich erstaunlich, wie dieses kleine, aber feine Puzzlespiel es geschafft hat die Umstände eines Einzugs in ein neues Heim relativ akkurat nachzuempfinden.

Einzug um Einzug in Unpacking

In gerade einmal knapp drei Stunden Unpacking erleben wir fast ein gesamtes Leben voller Neuanfänge und Rückschläge mit. Das Puzzlespiel von Witch Beam gibt uns in dreidimensionalen Zimmern einen Stapel von Umzugskarton, deren Inhalte im jeweiligen Zimmer verteilt werden sollen. So beginnt das erste Level in einem Kinderzimmer und wir suchen uns Platz für Fußball, Lieblingsstofftier und Zeichenstifte. Später kommen zusätzliche Zimmer dazu, wodurch wir ganze Wohnungen einräumen und ein ordentlich sortiertes Zuhause erschaffen.

Alles beginnt klein mit dem eigenen Kinderzimmer

Unpacking will allerdings mit seinem Gameplayloop nicht stressen, sondern eher für Entspannung sorgen. Karton auf, ein Gegenstand herausholen und irgendwo einsortieren. An welcher Stelle ein Gegenstand exakt stehen soll, ist meist sogar unerheblich. Weicht man allerdings zu stark von “üblichen” Orten ab, weist das Spiel nach dem Auspacken aller Gegenstände auf deren falsche Position hin. Diesen Hinweis können wir allerdings in den Optionen ausstellen, sofern wir gar keinen Druck beim Einräumen von Büchern, Geschirr oder ähnlichem spüren wollen.

Genieß die kleinen Dinge im Leben

Im Grunde sind alle Level von Unpacking gleich aufgebaut. Eines oder mehrere Zimmer ist mit Kartons vollgestellt, die wir langsam aber stetig auspacken. Eine spielerische Progression gibt es weniger, anspruchsvoller wird es seltener, aber nahezu immer stetig mehr. Aufgrund der meditativen Musik sowie den angenehmen Sounds beim Auspacken und Einräumen, fühlt sich jeder einzelne Spielzug angenehm entspannend an. Mich begleitete zeitweise das Gefühl eines echten Einzugs, wenn der ganze belastende Stress vorbei ist und es nur noch um das Einrichten seiner neuen Heimat geht.

Und dennoch gibt es diese kleinen Augenblicke, in denen bei Unpacking aus der Komfortzone des kleinen meditativen Indiepuzzlers auszubrechen versucht. Die nachfolgenden Level gestalten das Leben eines Mädchens, was sich durch College und Karriere verwirklichen will. Jeder Einzug ist ein neuer Abschnitt in ihrem Leben und der Beginn eines neuen, unerzählten Kapitels. Dennoch schaffte es das Spiel auf seinem Mittelpunkt ein Unwohlsein hervorzurufen.

Mit einer Replay-Funktion können wir uns jedes Level noch einmal im Schnelldurchlauf anschauen

Dann ziehen wir nämlich in die erste gemeinsame Nicht-WG mit einem Partner ein. Diese ist allerdings bereits komplett von ihm eingenommen und wir können lediglich wenige Gegenstände von ihm verschieben. So quetschen wir unsere Sachen irgendwo dazwischen und es keimt ein Gefühl des “Ich bin hier fremd!” auf. Den Höhepunkt erreicht dies, wenn wir erkennen, dass diese Wohnung keinen Arbeitsplatz für uns bereits hält und unser Abschlussdiplom entweder in der Toilette aufgehangen oder unter dem Bett verstaut wird. Das anschließende Level ist zurück im Kinderzimmer vom Beginn, wo wir unser Hab und Gut unterbringen wollen. Und kurz vor Schluss spiegelt sich diese Szene des “Fremdeinzugs”, allerdings mit weitaus positiverer Note. Diese kleinen Momente stechen in einem Spiel, welches nur am Rande eine Geschichte erzählen will, narrativ hervor und zeugen von der erzählerischen Kraft des Leveldesigns in Videospielen.

Unpacking als niedliches Kleinod 2021

Zugegeben, ich bin aufgrund der kleinen Dinge ein wenig verliebt in Unpacking. Das kurze Puzzlespiel hat mich unerwartet gepackt und mit seinen feinen, narrativen Levelideen nicht mehr losgelassen. Doch auch das Gesamtpaket stimmt. Der Loop aus Auspacken und Einräumen gesäumt von unterschiedlichsten Geräuschen und musikalischen Queues entspannt und weiß über die gesamte Spielzeit zu unterhalten. Länger hätte es allerdings nicht sein dürfen, da sich im letzten (sehr langen) Level leichte Ermüdungs- und Wiederholungserscheinungen einstellen.

Gameplaypuristen kommen bei Unpacking sicherlich nicht auf ihre Kosten. Aber jeder mit einem Gespür für die etwas sanfteren, meditativeren Spiele, sollte einen Blick riskieren. Gerade wenn wir die Möglichkeit mit dem Gamepass haben, eine solche kleine Perle des Jahres 2021 direkt auszuprobieren.

Gespielt auf Xbox One S via GamePass.