Spelunky II (Review)

Artwork zu Spelunky II

Wenn Spelunky eines der besten Spiele aller Zeiten ist, dann sollte der Nachfolger Spelunky II dies ebenfalls sein. Zumindest in der Theorie, da viele Elemente aus dem Vorgänger acht Jahre später ebenfalls vorhanden, stark erweitert oder spielerisch verbessert worden sind. Also Stempel unter diesen Text setzen und weiter geht es. Oder doch eher nicht?

Vor elf Tagen erschien meine Review zu Spelunky und dort habe ich – hoffentlich verständlich – näher bringen wollen, welch Leidenschaft ich zum Roguelite-Platformer hege und welches Fundament das Spiel selbst bietet, um dies erst für mich zu ermöglichen. Dies ist daher keine herkömmliche Review zu Spelunky II, sondern Teil 2 meines zweiteiligen Versuches der Anziehungskraft des Franchise in Worten Form zu verleihen. Und warum Spelunky II im Gegensatz zu seinem Vorgänger keinen Stempel verdient hat.

Hinter den Kulissen von Spelunky II

Wenn Ihr in der vergangenen Woche meine Review zum Vorgänger gelesen habt, dürfte es euch leicht fallen, meine Freude bei der Paris Games Week 2017 auszumalen. Damals wurden im Stream zur Einstimmung auf das PlayStation-Event zwei Spiele angekündigt, die ich in der Folge sehnlichst erwartet habe: Guacamelee 2 und selbstverständlich Spelunky II. Beide Vorgänger großartige Spiele, deren Nachfolger nur verlieren konnten. Doch während sich die erneute Reise in die mexikanische Folklore als genauso abgedreht, actionreich und spaßig entpuppte, hatte es Spelunky II sehr lange Zeit bei mir schwer.

Spelunky II musste in große Fußstapfen treten. Daher geisterte im Grunde permanent das Schreckgespenst “Erster Teil” während meiner Spielsessions herum, was zu Beginn dem Spiel nicht gut tat. Dies ist eindeutig ein Problem auf persönlicher Ebene gewesen und das damit einhergehende Gefühl hat mich lange zaudern lassen, ob ich überhaupt irgendwann einmal einen Text zu dem Franchise verfassen werde. 

Screenshot aus Spelunky II
Obacht, sonst hat dich der Geist schneller gefangen, als du „Spelunky“ sagen kannst!

Erst Abstand und ein Abflauen meiner eigenen Erwartungen haben das Gespenst vertreiben können. Zum Glück half mir Sony dabei, einen metaphorischen Neustart zu wagen, indem ich mein neues Abenteuer auf PlayStation 5 startete. Und siehe da, der Spaß begleitete mich in die tiefen Höhlen des Mondes. Doch auch nach einem knappen Jahr sowie zahlreichen Spielstunden bleibt die Erkenntnis, dass Spelunky II seinem Vorgänger nicht das Wasser reichen kann.

Zurück in gefährliche Untiefen

In seinen Grundfesten ist Spelunky II dasselbe Spiel wie sein Vorgänger. Mossmouth entwickelte erneut eine Hybride aus 2D-Platformer und Roguelite, in dem wir Höhlen erkunden, um Schätze aufzusammeln. Wir schlüpfen dieses Mal allerdings in die Rolle von Ana, Tochter des Spelunky Guys aus dem ersten Teil. Ihre Eltern witterten auf dem Mond ein mysteriöses Geheimnis mit wertvollen Schätzen und ließen sie daher zurück bei ihrem Hündchen Monty. Zu gefährlich seien die Höhlen für das kleine Mädchen.

Doch ein echter Spelunky (ja, das ist der Nachname der Familie geworden) lässt sich nicht von einer unerforschten Höhle abhalten. Weil ihre Eltern von deren Abenteuer nicht zurückkehren, schnappt sich Ana eine Rakete und fliegt selber auf den Mond. Scheinbar hat der alte Dagobert einige Schätze dort oben übersehen. Angetrieben von der Suche nach ihren Eltern wagen wir uns gemeinsam mit Ana in die Höhlen. Die erkunden wir prinzipiell auf dieselbe Weise wie im Vorgänger. Träge, aber präzise Hüpfer werden vereint mit einem einfachen Kampfsystem bestehend aus Peitsche, dem Werfen von Gegenständen oder Sprünge auf die Gegner.

Screenshot aus Spelunky II
Die Minen bieten viele neue, aber auch viele altbekannte Elemente aus dem Erstling

Auch das prozedurale Leveldesign folgt denselben Mustern. Erneut wird ein Pfad von oben nach unten generiert, der durch designte Kacheln bestückt und mit zufälligen Items, Gegnern oder Fallen erweitert wird. Weniger das Platforming, als die Mischung an unterschiedlichen, gefährlichen Manövern ist es, was die Schwierigkeit von Spelunky II ausmacht.

Neues Terrain, mehr Geheimnisse

Doch das Leveldesign von Spelunky II bietet einige Neuerungen, die auf dem ersten Blick sinnvoll erscheinen. Hinter jedem Level befindet sich eine zweite Ebene, die durch Eingänge betreten werden kann. Hier finden sich kleinere Höhlen oder sogar ganze Systeme, die einen Ausgang an anderer Stelle im Level besitzen. Zahlreiche Geheimnisse verstecken sich hier, so verkaufen NPC hier stellenweise ihre Waren oder ein ganz besonderes Item versteckt sich hier. 

Einige Ideen hinter der zweiten Ebene sind nett, Abkürzungen, Herausforderungen oder versteckte Tempel erweitern das eh schon komplexe System an Leveln. Und das Revival der Eishöhlen hat mich hier sehr angenehm überrascht. Grotesk wird es hingegen, wenn wir beispielsweise über den Geburtsort der Shopkeeper Eddie, Fred oder wie sie alle heißen stolpern. Ich muss von einer Spielwelt nicht jede Lore kennen, danke!

Screenshot aus Spelunky II
Jeder NPC kann unter Umständen eine große Bedrohung für uns werden

Insgesamt hat sich das kreative Team vor allem “narrativ” ausgetobt. Das Tutorial-Tagebuch ist weitaus länger und erzählt eine längere Geschichte, die Masse an NPC sowie freischaltbaren Charakteren besitzt nun einen Namen. Befreite Charaktere lassen sich auch im Camp ansprechen und sprechen mit dir. Selbst Höhlenbewohner haben nun soziale Aktivitäten und schlafen oder sprechen miteinander, wenn man in den Höhlen auf diese trifft. So fühlt sich das Spiel belebter an, als es ohnehin durch die vielen Gegner- und Monsterhorden eh schon ist.

Erhöhte Schlagzahlen

Derek Yu kündigte im Vorfeld an, dass auch erfahrene Spelunky-Spieler:innen eine Herausforderung im Nachfolger finden werden. Dies wäre wahrscheinlich einfach gewesen, wenn alle Elemente von Spelunky II von Grund auf neu designt worden wären. Leider ist das nicht der Fall. Spelunky II übernimmt viele Elemente aus dem Vorgänger, manche variiert es ein wenig und wieder andere werden erweitert. Welt 1 hat sehr große Ähnlichkeiten, sowohl in optischer, als auch spielerischer Natur. Und auch andere Level des insgesamt viel komplexeren Weltenaufbaus wurden mehr oder weniger aus dem Vorgänger übernommen.

Um diese bekannten Abschnitte dennoch für erfahrene Spieler:innen anspruchsvoll zu gestalten, sind zahlreiche Elemente hinzugefügt worden. Als Beispiel: Welt 1, die Minen, sind nun zusätzlich bevölkert von Maulwürfen, die jederzeit aus dem Boden auftauchen können, sowie brachialen Armadillos, die auf uns rollen. Aber ihr kennt es vom Backen: Gebt ihr mehr Zucker in den Teig, wird es noch süßer. Erwartet nicht, dass ihr eine andere Süße erhaltet! So ähnlich verhält es sich stellenweise mit Spelunky II. Viele Elemente kamen hinzu, das Balancing wurde dementsprechend verändert. 

Screenshot aus Spelunky II
Der Tod naht an allen Ecken und Enden

Doch nicht nur die altbekannten Elemente erhöhen den Schwierigkeitsgrad des Spiels. Neue Level sind diffuser aufgebaut und neue Gegner überraschen mit sehr variablen Mustern. Schalter sowie Wasser und Lava machen Level gefährlicher und komplexer zugleich. Selbst die neuen Reittiere sind stellenweise tödlicher, als dass sie uns eine Hilfe sein können. Zudem warten auf dem Weg in die tiefsten Abgründe diverse Herausforderungen, die wie Zwischenbosse fungieren. Aufgrund des Levelaufbaus und der Häufigkeit mancher Gegner mutieren so viele Tode zu einem weitaus größeren Chaos, als es im Vorgänger noch der Fall war. Spelunky war bereits ein herausforderndes Spiel mit einem Hang zur Ungerechtigkeit. Den Nachfolger fand ich hingegen an vielen Stellen unfair und bezüglich des Balancings nicht gut durchdacht.

Mehr Spelunky plus noch mehr Spelunky ist nicht gleich besseres Spelunky

Dieses Streben nach “Mehr” ist bis zur letzten Ader von Spelunky II zu spüren, gerade wenn man sich näher mit dem Design des Erstlings auseinandergesetzt hat. Mehr Gegner, mehr NPC mit mehr Aufgaben in mehr Leveln. Je öfter ich das Wort schreibe, desto schlimmer wird es! Und so ist auch eines der Kernelemente des Erstlings, welches ich wirklich toll fand, in Spelunky II zu einem größeren, komplexeren und leider somit auch unspaßigeren Konstrukt geworden.

Um in Spelunky das “wahre” Ende zu erreichen, also Bonuswelt und zweiter Endboss, waren insgesamt sieben aufeinanderfolgende Schritte über alle vier Level notwendig. Davon war ein Schritt optional. Diese Kette konnten wir uns nach und nach zusammen puzzlen, weil die Level klein und übersichtlich waren und ein Durchgang gerade einmal maximal eine halbe Stunde dauern würde.

Screenshot aus Spelunky II
Wohin uns dieser Bohrer wohl führt?

Spelunky II hat eine ähnliche Kette, um den wahren Endboss bzw. eine Welt mit endlosen Leveln zu besuchen. Diese erfordert allerdings bis zum regulären Boss dreizehn unterschiedliche Schritte mit stellenweise sehr abstrakten Forderungen. Und nach dem Boss hört es nicht auf, da sind vier weitere, aufeinander aufbauende Aktionen notwendig, um das “wahre” Ende freizuschalten. Einige Glieder dieser Kette lassen sich beim Erkunden der Höhlen erahnen, andere hingegen wirken stellenweise so an den Haaren herbeigezogen, dass die “Freude am Erkunden”, wie es Derek Yu einst in seinem Buch schrieb, nicht mehr gewährleistet ist.

Zu guter Letzt

Warum fällt es mir so schwer Ana Spelunky genauso lieb zu haben wie Guy Spelunky? Die Frage habe ich mir im Verlauf des letzten Jahres immer wieder gestellt, denn oberflächlich betrachtet macht Spelunky II wenig falsch. Es hat immer noch denselben, süchtig machenden und herausfordernden Gameplay-Loop aus Hüpfen und Erkunden in chaotischer Welt mit vielen Geheimnissen. Wir sterben oft, wir sterben schnell und wir haben sehr oft auch Spaß daran.

Meine Grübelei hat mir aber auch gezeigt, dass es nicht bloß eine Herzensangelegenheit war, als ich vor einem Jahr eine Pause von Spelunky II eingelegt habe. Die Schwierigkeit des Spiels geht stellenweise – je nach zufälliger Verteilung von Gegnern beispielsweise – durch die Decke. Der Einstieg ist ungemein höher und selbst mit Erfahrung lässt sich mancher Tod nicht verhindern. Zudem ist nicht nur das gesamte Leveldesign, sondern die gesamte Struktur ungemein komplexer und undurchschaubarer geworden. Geheimnisse passen nicht mehr haargenau zusammen, um deren Relevanz für das große Ganze selbstständig erkennen zu können.

Spelunky II folgt demnach dem Designpfad seines Vorgängers. Es wurden allerdings nicht bloß wertvolle Ergänzungen oder Optimierungen hinzugefügt. Die zweite Ebene hinter einem Level ist eine gute Idee, um Geheimnisse anders anzuordnen oder den Pfad durch das Level zu designen. Stattdessen bietet das Spiel sehr viel Masse an, welches die Spielphilosophie von Spelunky verwässert und die Spielwelt sich nicht mehr als ein organisches Gesamtwerk darstellt.

Gespielt wurde die PlayStation 4-Version auf PlayStation 4 und 5 sowie zusätzlich auf Nintendo Switch OLED.