Spelunky (Review)

Spelunky ist in meinen Augen eines der besten Spiele aller Zeiten. Das hat mir die Praxis in den vergangenen sieben Jahren gezeigt und bestätigt sich jedes Mal wieder, wenn ich mit dem wackeren Abenteurer in tiefste Tiefen der Erde abtauche. Also Stempel unter diesen Text setzen und weiter geht es. Oder doch eher nicht?

Vor sieben Jahren erschien Spelunky via PlayStation Plus Abonnement und landete schnell auf meiner PlayStation Vita, ohne zu ahnen, welche Leidenschaft ich für den Spelunky Guy sowie dem Hund Monty, aber auch das Design des gesamten Spiels entwickeln würde. Dies ist daher keine herkömmliche Review zu Spelunky, sondern Teil 1 meines zweiteiligen Versuches der Anziehungskraft des Franchise in Worten Form zu verleihen. Und warum Spelunky im Gegensatz zu seinem Nachfolger einen Stempel verdient hat.

Hinter den Kulissen von Spelunky

Spiele mit einem großen Fokus auf Designelemente von Roguelites sind in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Und die Bandbreite ist gewaltig: Von action-orientierten Titeln wie Hades oder Returnal bis hin zu abstrakten Genre-Mash Ups wie Slay the Spire oder Dicey Dungeons. Viele Publikationen weisen darauf hin, dass der Beginn dieses Trends ins Jahr 2008 zurückdatiert werden kann, als Derek Yu (@mossmouth) seinen Prototypen zum heutigen Spelunky Classic veröffentlichte. 

Screenshot aus Spelunky Classic aus dem Level "Minen".
Das klassische Spelunky hatte 2008 noch eine schwächere Grafik und weniger ausgefeilte Systeme

Ich selbst bin erst 2014 auf Spelunky HD, wie der Titel in der jetzigen Form eigentlich genannt wird, aufmerksam geworden. Zum Release des Spiels auf PlayStation 4 entschloss sich Sony damals, den Indietitel über seine PlayStation Plus-Spiele zu bewerben. Es war allerdings nicht die damals noch frische PS4, die ich für meine Abenteuer auserkor, sondern die PlayStation Vita.

Erwartungen hatte ich zum damaligen Zeitpunkt keine, ich wusste lediglich, dass es hoch gelobt wurde und irgendwie eine ganze besondere Art von Spiel sein sollte. Roguelites waren mir zu dem Zeitpunkt fremd und ich versprach mir einen spaßigen, kurzweiligen Platformer im Abenteuergewand. Bekommen habe ich hingegen verrückte, unzählige Stunden mit vielen abgekauten Fingernägeln in einem für mich damals viel zu schweren Spiel. Anderthalb Jahre mit vielen gefühlt unendlich vielen Versuchen müsste es gedauert haben, bis ich den Boss das erste Mal bezwingen konnte. Doch das war noch lange nicht das Ende von Spelunky.

Super Mario Bros. meets Indiana Jones

Spelunky ist ein Platformer ala “Super Mario Bros. mit prozedural generierten Welten” – so lautet zumindest die Definition von Derek Yu, Designer des Spiels, in seinem Buch über den Entstehungsprozess von Spelunky. Diese Aussage, damit sich Außenstehende einen Begriff vom Spiel machen können, trifft allerdings nur schwer den Kern des Spiels. Spelunky ist ein Platformer, der aufgrund vereinzelter Elemente aus dem Roguelite-Designschema zu einem einzigartigen Hybride beider Prinzipien geworden ist.

Wir schlüpfen in die Rolle des Spelunky Guys, der sich auf der Suche nach unermesslichen Reichtümern in die Untiefen der Erde wagt. Auf unserem gefährlichen Pfad durch die zufällig generierten Level sammeln wir Gold und Edelsteine ein, um unseren Highscore dementsprechend in die Höhe zu treiben. Wir müssen auf diesem Wege fiesen Gegnern wie Fledermäusen oder Spinnen sowie Fallen gekonnt ausweichen oder den Kampf aufnehmen. Und nein, nicht nur Optik und Peitsche, sondern noch andere Elemente erinnern daran, dass sich Yu beim Design des Spiels an Indiana Jones und anderen Abenteuerromanen der Pulp Fiction orientierte.

Screenshot. In Level "Minen" springt der Spelunky Guy nach links, unter ihm befindet sich der Gifttropfen einer spuckenden, blauen Schlange.
Gerade so dem Tod durch Schlangengift von der Schippe gesprungen!

Ein weiterer Roguelite-Kernaspekt neben den zufälligen Leveln, der sich in Spelunky wiederfindet, ist der Permadeath. Sterben wir in den Höhlen der Unterwelt – und das tun wir oft – setzt uns das Spiel ganz an seinen Anfang zurück. Jeden Durchgang beginnen wir mit vier Leben, vier Bomben und vier Seilen, jeder Fortschritt abseits von freischaltbaren Abkürzungen ist auf den jeweiligen Durchgang beschränkt. In Verbindung dieser beiden Elemente sollen abwechslungsreiche Spielsessions generiert werden, welche die Wiederspielbarkeit von Spelunky erhöhen sollen.

Riskante Manöver in hoch gefährlichem Terrain

Das zugrundeliegende Gameplay von Spelunky besteht größtenteils aus der sehr variablen Fortbewegung sowie rudimentären Kampffähigkeiten. Unser Held springt zwar recht behäbig, aber zuverlässig und präzise. Und sollte ein Abgrund mal zu weit für ihn gewesen sein, hält er sich mit ganzer Kraft an der Kante fest. Auf diese Weise sind mit Übung später waghalsige Manöver möglich, wenn wir von einer Ebene zur nächsten springen müssen. Denn passen wir nicht auf, kann uns ein zu tiefer Sturz schnell in die Bredouille bringen. 

Vorsicht ist das oberste Gebot in Spelunky. Gegner jeder Art, so simpel oder langsam sie auch sein mögen, stellen je nach Gelegenheit eine tödliche Gefahr dar. Und zu Beginn können wir uns lediglich mit Bomben, unserer Peitsche oder beherzten Sprüngen auf die Oberseite des jeweiligen Gegners zur Wehr setzen. Wir können allerdings auch Steine oder sogar betäubte Gegner aufnehmen und durch Werfen als Verteidigungsmittel einsetzen. Das Kampfsystem ist auf diese Weise einfach, aber effektiv, um es mit möglichst allen Gegnern im Spiel aufnehmen zu können. 

Screenshot aus Spelunky. Darstellung eines Shops im Level "Minen".
Was passiert wohl, wenn wir den Ladenhüter bestehlen?

Dieses Repertoire kann sich in einem Durchgang erweitern. Shopkeeper und Holzkisten bieten uns nicht nur mehr Bomben oder mehr Seile, sondern auch eine ganze Reihe anderer Items. Waffen verstärken dabei unsere Kampffertigkeiten, während sie zugleich individuelle Nachteile mit sich bringen. Eine Schrotflinte lässt uns auf die Entfernung Gegner erledigen, wirft uns aber mit dem Rückstoß enorm zurück. Eine Machete spielt sich prinzipiell wie die Peitsche, blockiert aber unsere Fähigkeit Gegenstände aufzunehmen. Demgegenüber optimieren Items wie das Jet Pack oder die Springstiefel unsere Fortbewegung und gewähren uns die Möglichkeit noch riskantere Manöver auszuführen.

Ein wahrlich “verrücktes” Labyrinth

Die Level der meisten (guten) Jump’n’Run-Spiele sind von ihrem Designerteam komplett durchdacht. Jedes Element verfolgt darin eine klare Absicht, um Spaß und Exploration zu fördern oder die Fähigkeiten der Spieler:innen auszureizen. Eine zufällige Generierung der Level steht daher in der Theorie dieser Absicht komplett entgegen. Wenn also Derek Yu selber Spelunky als “Super Mario Bros. mit zufällig generierten Leveln” beschreibt, erweckt er mitunter falsche Eindrücke. Denn das Leveldesign von Spelunky ist viel, aber nicht dem blanken Zufall überlassen.

Spelunky bietet grundsätzlich vier Welten, die sich ihrerseits in vier Levelabschnitte unterteilen. Jedes Basislevel besteht dabei aus einem Raster von vier mal vier Segmenten, in denen der Levelgenerator zuerst einen Pfad vom Start zum Ziel beschreibt. Alle Spieler:innen sollen auf diesem Pfad in der Lage sein, den Weg bewältigen zu können, egal ob mit ausreichenden oder ohne Bomben. Jedes Segment ist komplett von Derek Yu designt worden und wird vom Generator ähnlich wie beispielsweise die quadratischen Karten des Brettspiels Das verrückte Labyrinth variabel aneinander gelegt. Die restlichen Segmente abseits des Hauptpfades füllt das Spiel durch andere vorab erstellte Bereiche aus.

Screenshot. Darstellung aus dem Level "Dschungel" mit Shop links. Ein großes Maul frisst unseren Helden sowie dessen Damsel.
Nahezu alles in der Spielwelt kann eine Gefahr darstellen!

Komplett zufällig ist hingegen die Verteilungen von Schätzen und Items sowie Fallen und Gegner. Auf diese Weise füllen sich die Level mit den unterschiedlichsten Elementen, die auf unterschiedlichste Weise miteinander interagieren können. Jeder Durchgang bietet so am Anfang sehr viel Varianz, während die unterschiedlichen Systeme des Spiels auch erfahrene Spieler:innen wieder und wieder überraschen können.

Liebes Tagebuch, mein Spelunky Guy hat heute…

Die Schwierigkeit von Spelunky ist ein großer Anreiz, aber auch die größte Hürde zugleich. Während Spiele wie Hades oder Dead Cells zwar ihrerseits ebenfalls Level zufällig aufeinander aufbauen lassen, begleitet dennoch ein Fortschritt das gesamte Spiel. Ressourcen oder variable Upgrades begleiten trotz Tod den Spieler in den nächsten Durchgang und sorgen so dafür, dass der Startpunkt für erfahrene Spieler sich nach und nach verschiebt. Bei Spelunky ist dies nicht der Fall. Wer stirbt, der nimmt nur sehr wenige, essentielle Elemente mit in den nächsten Durchlauf. 

Spielerisch sind hier sicher die Abkürzungen für Neueinsteiger von großer Bedeutung. Haben wir einmal die erste Welt komplett hinter uns, begrüßt uns ein anderer Abenteuer und braucht unsere Unterstützung beim Bau einer solchen Abkürzung. Dies können Bomben, Seile oder Geld, später noch abstraktere Dinge sein. Zu Beginn ist es ratsam, diese Abkürzungen zu nutzen, denn damit überspringen wir einzelne Level. Damit kommen wir dem Ziel zwar näher, haben aber auch dementsprechend weniger Optionen in der Hinterhand, um uns für die gefährlichen Hindernisse in späteren Leveln vorzubereiten.

Darüber hinaus bietet Spelunky noch ein Tagebuch, über dieses wir Statistiken nachverfolgen können und die einzelnen Elemente aus den Leveln sammeln. Orte, die wir besucht haben, und Items, die wir gefunden haben, finden sich hier ebenso wie Gegner sowie eine Statistik darüber wie oft wir diese getötet haben oder selber Opfer geworden sind.

Screenshot aus Spelunky. Darstellung einer Doppelseite aus dem Tagebuch des Spiels in der Kategorie Monster
Das Tagebuch führt all unsere Statistiken, wer uns wie oft erledigen durfte

Die harte Schule des Überlebens

Spelunky ist ein sehr herausforderndes Spiel. Dass stundenlange Mühen keinerlei Fortschritt bedeuten können, verleiht dem Abenteuer in den Höhlen gerade zu Beginn ein hohes Frustpotenzial. Das zufällige Arrangement der einzelnen Elemente führt bei jedem Durchgang zu neuen Situationen, die mal mehr, mal weniger haarige Momente hervorrufen können. Dieses einhergehende Chaos verstärkt den Eindruck der Zufälligkeit und wirkt sicherlich für die meisten Spieler:innen auf den ersten Blick stellenweise unfair.

Dahinter versteckt sich eine Lernkurve, die bei vielen Roguelites üblich ist. Die Kurve beginnt sehr hoch, der Einstieg fällt dementsprechend schwer. Die Wenigsten werden diese Spiele direkt mit dem allerersten Run durchspielen können. Während allerdings andere Vertreter ein Fortschrittssystem eingebaut haben, welches Waffen, Fähigkeiten oder andere Dinge abspeichert, beginnt Spelunky immer wieder vom Anfang. Die Progression findet in uns selbst statt. Wir entdecken durch wiederholtes Angehen der Herausforderung miteinander verzahnte Systeme. Deren Auswirkungen auf uns oder andere Elemente in der Spielwelt gilt es zu verinnerlichen. Dieser Erfahrungswert gepaart mit dem Level der eigenen Fähigkeiten macht den Löwenanteil der Fortschrittes aus.

Dazu passt auch, dass uns unterschiedliche Herangehensweisen beim Spielen angeboten werden. Abkürzungen ermöglichen es uns das reguläre Ende von Spelunky schnell und verhältnismäßig einfach zu erklimmen. Dieses Ende befindet sich nach vier Welten, einem Endboss sowie einem herausragenden Schatz, den wir wieder an die Erdoberfläche bringen können. Doch alle Spieler:innen, welche die Level ausgiebig erkunden, stolpern unter Umständen über eine Reihe von Geheimnissen. Einzigartige Items und spezielle Ereignisse formen vom Beginn an eine herausfordernde Kette bis hinein in eine flammende Bonuswelt. Diese Bedingungen sind immer vorhanden und erweitern für all diejenigen, welche auch nach dem Bezwingen des Endbosses Lust auf Spelunky haben, den Wiederspielwert enorm. 

Wie ich lernte, durch Spelunky die Herausforderung zu lieben

Als ich vor sieben Jahren begonnen habe, Spelunky auf PlayStation Vita zu spielen, habe ich mich nicht für einen Spielertyp eingeschätzt, der von einem Spiel gerne seine eigenen Grenzen aufgezeigt bekommt. Mein persönliches Level war weit unterhalb dessen, was das Spiel am Beginn von mir verlangt hat. Doch das stundenlange Springen, Klettern und Sterben in den hochgefährlichen Höhlen hat mich immer weiter in seinen Bann gezogen. Nachdem ich den Boss bezwang, habe ich mich an der Vervollständigung des Tagebuchs versucht und als dieses komplett war, gaben die Trophäen von PlayStation noch mehr Anreize, das Spiel anhand von Speedruns noch intensiver zu erleben.

Sieben Jahre später habe ich auf unterschiedlichen Plattformen die Herausforderungen angenommen. Und obwohl ich alles gefühlt gesehen habe, was Spelunky mir bieten könnte, werde ich auch heute noch überrascht. Überrascht vom Spiel, auf welche Weisen sich manche Situation im Endeffekt auswirkt. Und überrascht von mir, der weiterhin zwischen Genie und Wahnsinn beim Erforschen der Höhlen hin und her schwankt – wie auf den beiden von mir eingebundenen Tweets.

Spelunky hat auf mich eine magische Anziehungskraft entwickelt. Es ist alle paar Tage immer noch eine Runde drin, um mich in Highscores mit anderen Abenteurer:innen zu messen. Und vielleicht werde ich eines fernen Tages eine Tagesherausforderung abschließen, von der Spitze grüßen und zumindest für einen Tag gefühlt alles erreicht haben. Bis ich das nächste Mal bereits in Level 1-2 scheitere.

Die Qualitäten eines Roguelite-Plattformers

Spelunky ist eindeutig kein Spiel für jeden. Die Einstiegshürde ist enorm, die Lernkurve zu Beginn ungemein steil. Und wer wirklich alle Geheimnisse des Spiels aufdecken will, benötigt eine große Portion Ehrgeiz. Nicht das Spiel, sondern wir als Spieler:innen müssen mit jedem Abenteuer mitwachsen und immer mehr Erfahrung mit den diversen Systemen des Spieles gewinnen. Dies kann aufgrund unzähliger Momente voller Zufall und Chaos gerade zu Beginn abschrecken.

Doch hinter allen chaotischen Momenten sowie dem zufälligen Leveldesign steckt System. Derek Yu erschuf einen zeitlosen Klassiker des Roguelite-Genres, der in seinem Design beileibe nichts dem Zufall überlassen hat. Das Endprodukt ist ein Titel, der Spaß, Herausforderung und Erkundung dermaßen in Einklang bringt, dass mir das Spiel auch nach vielen Jahren immer wieder Freude bereitet.

Gespielt über viele Jahre auf PlayStation Vita, PlayStation 3, PlayStation 4, Xbox One und PC via Steam sowie neuerdings auf Nintendo Switch (OLED).