12 Minutes (Review)

Titelartwork aus 12 Minutes. Darstellung einer Uhr mit großem Zeiger und Sekundenzeiger, die zwischen 1 und 2 zeigen. Logo "Twelve Minutes" befindet sich im Hintergrund des Zeigerblattes.

Als sich mir 2019 auf einem großen Xbox-Event das Spiel 12 Minutes zum ersten Mal offenbarte, zappelte ich sofort wie ein Fisch an der Angel. Wie ich schon viel zu oft an dieser Stelle betont habe, liebe ich Science-Fiction – und Zeitreise-Shenanigans sowieso. Und so brauchte es nicht viel: Einfach ein wenig Hitchcock-eske Spannung eingewickelt in einem ewigen Zeitloop. Es ist daher kein Wunder, dass ich pünktlich zum Release das Adventure via GamePass auf meinen PC heruntergeladen und sofort gespielt habe.

Dennoch kann ich nicht von mir behaupten, große Erwartungen an das Spiel gehabt zu haben. Viel zu viel Fokus während der zwei Jahre richtete sich im Marketing wiederholt auf die Aspekte Loop und Synchronsprecher. Ohne wirklich einschätzen zu können, was mich erwartet, blieb ich trotz großen Interesses verhalten skeptisch. Doch welchen Eindruck ich nach einigen Stunden ewig wiederholender Abende haben würde, habe ich nicht wirklich kommen sehen.

12 Minutes, die sich wieder und wieder wiederholen…

Zeitloops sind im Science-Fiction-Storytelling ein gern eingesetztes Mittel, um die Protagonisten in eine ausweglose SItuation zu manövrieren. Phil Connors wandelt sich dadurch in Groundhog Day vom selbstverliebten Egozentriker zu einer Person, der auch die Sorgen und Nöte anderer Menschen wichtig ist. William Colter aus Edge of Tomorrow bekämpft eine gefährliche Alieninvasion. Und Selene Vassos aus Returnal sucht nach einem Weg von einem tödlichen Planeten zu fliehen. Den namenlosen Held aus 12 Minutes hat es nicht minder schwer erwischt, obwohl sein Feierabend eigentlich sehr positiv beginnt.

Zuhause angekommen überrascht ihn seine Frau nicht nur mit einem leckeren Dessert, sondern auch mit einer Überraschung. Endlich steht Nachwuchs im namenlosen Hause an. Leider währt die Freude nur kurz und unerwarteter Besuch stört den häuslichen Frieden. Ein Polizist verschafft sich rabiat Zutritt und überwältigt das Ehepaar, während er die Frau des Mordes beschuldigt. Bevor die Situation allerdings vollends eskalieren kann, betritt der Ehemann plötzlich wieder seine Wohnung. Zwölf Minuten ist er in die Vergangenheit zurückgesprungen und erlebt nun dieselben Momente wieder und wieder.

Screenshot aus 12 Minutes. Darstellung des Wohnzimmers aus der Vogelperspektive. Mann und Frau sitzen gemeinsam am Tisch oben, zwischen ihnen steht Dessert auf dem Tisch sowie ein verpacktes Geschenk.
Home sweet home – In einem Moment ist unsere Welt noch in Ordnung…

Wieder Dessert, wieder Babybotschaft und wieder der Cop. Wenn wir als Ehemann nichts tun, wird sich jeder Abend auf dieselbe Weise entfalten. 12 Minutes versucht auf diese Weise die Natur menschlicher Entscheidungen innerhalb des Moments zu ergründen, wie Autor und Lead-Entwickler Luis Antonio im Vorfeld immer wieder hervorhob. Dies ist ihm allerdings mehr schlecht als recht gelungen.

Und wieder und wieder…

Das Adventure 12 Minutes ist in seinem narrativen Kern ein Thriller, in dem wir einerseits versuchen müssen das Geschehen vor Ort zu verhindern, als auch Geheimnisse der Vergangenheit aufzuklären. Das Kammerspiel zwischen Ehemann und Ehefrau setzt zu Beginn die richtigen Akzente, weil sich durch den Polizisten ungeahnte Abgründe auftun. Die Geschichte entpuppt sich allerdings zusehends uninspirierter. Jeder neue Loop bringt uns zwar einen Schritt näher zur Wahrheit, doch wer schon einmal einen Krimi gelesen hat, wird schwer überrascht werden. Zudem nutzt das Spiel sein Loop-Konzep narrativ nur als Werkzeug und spielt für sich betrachtet nicht einmal eine Nebenrolle für Charaktere und Plot.

Screenshot. Darstellung des Wohnzimmers aus der Vogelperspektive. Frau sitzt unten auf dem Sofa, ein Buch lesend. Mann steht rechts oben am Kühlschrank.
…dann gibt es Momente, in denen gefühlt nichts passiert…

Den Dolchstoß für die Handlung führte allerdings der letzte Akt aus. Bei einer kurzen Debatte über das Spiel im Village-Discord kam der Vergleich zu Heavy Rain auf und könnte treffender nicht sein. Ich will nicht groß auf die Inhalte eingehen, aber leider schlägt 12 Minutes in eine ähnliche Kerbe der Ernüchterung. Die Enthüllungen des letzten Aktes des für mich knapp 3 bis 4 Stunden für alle Credit-Enden langen Spiels strapazieren die Logik der aufgebauten Storywelt. Diese Enden haben mich leider mit dem Gedanken zurücklassen “Und das war es?”. Für ein Spiel, dessen Fokus auf eben dieser Narrative liegt, ein seltsames Gefühl.

Eventuell liegt dies aber auch daran, dass das Spiel es selten schafft eine Immersion zu erzeugen. Das Ehepaar und der Polizist bleiben namenlos und die Dialoge sind abseits von Schlüsselmomenten eher belanglos und funktional. Es hilft auch nicht, dass das prominent besetzte Sprecher-Ensemble in Gestalt von James McAvoy, Daisy Ridley und Willem Dafoe ihren Figuren nur wenig Leben einhauchen und stellenweise lustlos wirken. Dass es dem Spiel dennoch gelingt eine angespannte Thriller-Atmosphäre mit Sound, Setting und Kamera zu erschaffen, ist vor diesem Hintergrund beeindruckend.

Point’n’Click mit verschollen-geglaubten Krankheiten

Dies waren jetzt viele Worte über die Erzählweise, doch kann eventuell das “Spiel” 12 Minutes die sprichwörtlichen Kohlen aus dem Feuer holen? Eine definitive Antwort gestaltet sich sich schwierig. 12 Minutes kommt als Hybrid aus klassischen Point’n’Click -Adventures sowie den narrativ-fokussierten Spielen à la Heavy Rain daher. Wir interagieren mit dem Level durch Anklicken von Personen und Gegenständen. Manche stecken wir in unserer Inventar und können diese mit anderen Objekten des Levels durch Ziehen verbinden. Ein herkömmliches Gameplay, welches durch den kurzen Loop direkte Auswirkungen im Verlauf der Story bewirkt.

Je nachdem was wir in unserem Loop anstellen, so verändert sich auch das Geschehen. Ein Anruf dort mit den richtigen Worten verändert das Verhalten der Figuren. Eine wertvolle Information mehr aus vergangenen Loops gibt uns mehr Dialogoptionen. Prinzipiell ist 12 Minutes wie ein einziges, großes Puzzle aufgebaut, indem es unser Ziel ist, den idealen Pfad der Story zu finden. Ein wenig könnte man es an der Stelle mit The Sexy Brutale vergleichen. Hier verhindern wir mehrere Morde in unterschiedlichen Leveln ebenfalls innerhalb einer Zeitschleif. Es ist allerdings schade, dass 12 Minutes an dieser Stelle relativ wenig zielführende Interaktionen und Fragestellungen aufwirft, die uns wirklich fordern. Erfahrene Adventure-Spieler:innen dürften daher wenig Herausforderung geboten bekommen.

Screenshot aus 12 Minutes. Darstellung des Wohnzimmers aus der Vogelperspektive. Leichnam der Frau liegt links in einer Blutlache, im Zentrum steht der Mann.
…und zum Schluss gibt es Loops, die in einer Katastrophe enden. Die Wahl ist unser!

Zudem leidet dann 12 Minutes wieder an kleinen Krankheiten, die ich im Genre schon lange nicht mehr gesehen habe. So war es in einer Szene wichtig, dass ein Gegenstand an seinem angestammten Platz verbleibt, anstatt in mein Inventar zu wandern. Selbst wenn ich diesen Gegenstand direkt weitergeben könnte, ist dies im starren Verlauf des Rätseldesigns nicht möglich. Oder ein Charakter fragt mich nach einem Gegenstand, der vor uns auf dem Tisch liegt. Die Situation kann ich nicht lösen, weil er nicht in meinem Inventar liegt.Beide Male galt dann: Neuer Loop, noch einmal alles von vorne arrangieren und ärgern. Dabei sind es gerade diese Optionen in Leveldesign und Dialogen, die 12 Minutes prinzipiell spielerisch sehr interessant gestalten könnten. 

Viel Potenzial, wenig Ertrag bei 12 Minutes

Prinzipiell sehe ich in 12 Minutes sehr gute Ansätze. Das Setting und die gesamte Ausgangslage der Geschichte gefallen mir. Die Point’n’Click-Rätselmechanik erweitert das entscheidungs- und dialogbasierte Gameplay und gibt dem Genre narrativ-fokussierter Adventures eine wichtige, spielerische Komponente zurück. Leider kommt das Spiel aber kaum über diese positiven Ansätze hinaus. Das Gameplay macht an einigen Stellen ungeahnte Fehler und die Story weiß sowohl auf Charakter- als auch Plotebene kaum zu überzeugen. Und mit seinem letzten Akt verblieb leider nach dem Abspann ein bitterer Nachgeschmack in mir zurück.

Gespielt auf PC via GamePass.