Sniper: Ghost Warrior Contracts 2 (Review)

Eine Gestalt liegt auf alten, vernagelten Holzbrettern, den Finger am Abzug, den Blick auf ein großes Bauwerk in der Ferne gerichtet. Das ist Raven, Protagonist in Sniper: Ghost Warrior Contracts 2, wie auch schon im ersten Teil der Ablegerserie von Sniper: Ghost Warrior. Bevor er schießt, plaudert er ein wenig über Funk mit seinem Auftraggeber und überlegt, wie er am besten vermeidet, sein Ziel aufzuscheuchen. Die Entfernungen sind besonders groß, aber Raven ist schließlich Profi.

Sniper: Ghost Warrior Contracts 2 besteht aus fünf Karten, in denen jeweils mehrere Aufträge stattfinden. Die einen sind „Klassische Aufträge“, in denen es vor allem auf Stealth ankommt. Daneben gibt es auch „Weitschuss-Aufträge“, die zu bereits beschriebenen Szenen führen. Optionale Ziele wie das unentdeckte Ausführen eines Auftrags, oder eine bestimmte Anzahl von Kopfschüssen durchzuführen bieten Wiederspielwert.

Die Mission in den Klassischen Aufträgen ist meist das Ausschalten einer Zielperson oder die Sabotage verschiedener Versorgungsknotenpunkte des fiktiven Landes Kuamar. Unterwegs trifft Raven immer wieder auf feindliche Soldaten (oder schleicht vorbei). Die sind ein wenig vermenschlicht und führen mit ihren Kollegen, am Handy oder mit sich selbst kleine Gespräche. Mal geht es um die Langeweile beim Job. Ganz selten spezifisch um den Ort, an dem sie gerade stehen. Mal machen sie sich Sorgen um die Ehefrau, die allein zu Hause bleibt, oder planen den Kauf von ein paar Kätzchen. Zugegeben, der letzte Gedankengang hat mich beim ersten Mal so sehr abgelenkt, dass ich erwische wurde. Leider wiederholen sich die Gespräche viel zu oft, besonders weil quasi jeder Soldat jeden Dialog an jedem Ort aufsagen kann. 

Das macht es einfacher, sie nach Möglichkeit aus dem Weg zu räumen, statt sich nur an ihnen vorbeizuschleichen. Dann können sie mich auch nicht später überraschen, wenn ich unvorsichtig spiele.

Ein unerwarteter Gegner ist die automatische Schnellspeicherung. Natürlich ist es praktisch, wenn das Spiel Missionserfolge sichert, ohne dass man die Karte per Exfiltrationspunkt verlassen muss. Platziert das Spiel Raven allerdings nach seinem Tod zwischen Gegnern, muss er auf die sofort reagieren. Einmal ist mir aufgefallen, dass ein Symbol angezeigt hat, dass Schnellspeichern nicht möglich sei, während darunter das Speichersignal geleuchtet hat. Deshalb wurde Raven mehrfach sofort nach dem Respawn entdeckt und besiegt. Glücklicherweise lassen sich auch ältere Speicherstände innerhalb einer Mission anwählen.

Feindlich gesonnen ist Raven auch die Umgebung. Er bleibt immer wieder an Kanten hängen. Manchmal so sehr, dass ich zum letzten Speicherpunkt zurückkehren musste. Manche Unebenheiten kann er nicht kriechend bewältigen, sondern muss aufstehen und gehen. Oder sogar springen, was zwar nicht unmittelbar zur Entdeckung führt, aber trotzdem nichts mehr mit Schleichen zu tun hat. Einmal ist er sogar in eine Box geglitcht.

Die intendierten Gegner des Spiels teilen sich in verschiedene Typen auf. Neben normalen Soldaten gibt es Sniper, die Raven aus der Ferne entdecken können. Andere Feinde sind besonders gepanzert und Raven kann sie erst mit Spezialmunition oder einer freigeschalteten Fertigkeit besiegen.

Bei dreien der Karten handelt es sich um Weitschuss-Missionen, auch wenn eine davon leider besonders kurz ist. Auf dem Weg zu einem Aussichtspunkt kann Raven bereits auf Gegner treffen. Außerdem hält ihn die Funkstimme auf dem Laufenden und informiert über jedes betretene Missionsgebiet.

Angekommen, kann Raven stehen, knien oder liegen, was das Schwanken des Zielfernrohrs beeinflusst. Am wenigsten bewegt es sich, hält er für einige Sekunden die Luft an.

Manchmal läuft sein Ziel umher, manchmal befindet es sich in einem Gebäude. Ablenkungsmöglichkeiten gibt es einige: Explosive Fässer, an Kränen hängende Autos, zerstörbare Elektronik. Das birgt natürlich alles Risiken, schließlich will Raven nicht auf sich aufmerksam machen.

Hat Raven ein Opfer im Visier, gilt es, die Entfernung, Windstärke und -richtung zu beachten. Auch die Bewegung des Opfers kann man natürlich nicht ignorieren, schließlich kann ein verfehlter Schuss das feindliche Lager alarmieren. Wegen wechselnder Waffen und Distanzen habe ich hin und wieder die Hilfsskala falsch interpretiert. Aber sobald ich verinnerlicht hatte, richtig auf die Zahlen zu schauen, habe ich mich bei jedem Schuss darauf gefreut, vor dem Abdrücken in Ruhe zu zielen. Meistens, ohne die Luft anzuhalten, weil ich zuerst nicht verstanden hatte, dass ich dafür den linken Stick drücken muss. Das leichte Schwanken hat das ganze auch ein wenig aufregender gemacht.

Eine Bullet-Cam belohnt gute Schüsse und geht über in einen Treffer in Zeitlupe. In der deutschen Version gibt es übrigens keine besonders plastischen Effekte. Gezeigt wird lediglich fruchtgeleeartiges Blut und gelegentlich ein unscharfes Bild. Das wird sehr schnell repetitiv, ist aber auch ein wenig albern-amüsant.

Ähnlich sieht die Story aus. Alles ist dramatisch inszeniert, alle Ziele sind echt fiese Leute. Raven erlöst die arme Bevölkerung Kuamars, wenn er sie vernichtet. Dabei verliert er trotz seines brutalen und riskanten Jobs nicht seinen Humor. Seine Sprüche sind wenig innovativ. Meistens sind die Dialoge zwischen Raven und sein Auftraggeber klischeehaft und überzeichnet. Aber alles zusammen hat mich bisweilen zum Lachen gebracht.

Mit besonders viel Ernst trägt der Auftraggeber vor jeder Mission Ravens Aufgaben vor und erläutert Hintergründe. Leider tut er das jedes Mal, wenn man eine Karte startet. Dann spricht er beispielsweise darüber, wie Raven dringend jemanden töten soll, auch nachdem der Auftrag längst erfüllt ist. Bei kürzeren Spielsessions stört das besonders, schließlich kann oder will ich nicht jedes Mal eine Karte komplett abschließen, ehe ich Raven zu einem Exfiltrationspunkt schicke. Zumal ich oft Probleme hatte, einen zu erreichen, weshalb ich dafür auch noch einige Zeit einberechnen musste.

Optisch ist Kuamar sehr abwechslungsreich. Neben einem Dschungel verfügt das Land über steinige und sandige Wüsten, Canyons und kleine Höhlen, und mit der DLC-Map sogar über ein weitreichendes Tempelgebiet.

Insgesamt ist Sniper: Ghost Warrior Contracts 2 durchwachsen. Das Schleichen funktioniert meistens gut, auch wenn es nicht besonders anspruchsvoll ist. Allerdings bleibt Raven dabei zu oft irgendwo hängen und die Schnellspeicherfunktion speichert oft an den unmöglichsten Stellen. Auch die vielen Wiederholungen von Monologen und Gesprächen fallen unangenehm auf. Dafür sind die besonders weiten Schüsse zufriedenstellend, ohne zu komplex zu werden.

Vielen Dank an CI Games für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox One.