Spiritfarer (Review)

Als eine Freundin mir riet Spiritfarer auf der Switch zu spielen und dabei eine Packung Taschentücher bereitzuhalten, habe ich mit einem netten kurzen Spiel gerechnet das mich einfach ein wenig von den Nebenwirkungen der Selbstisolation abblenkt. Womit ich nicht gerechnet hatte war der Umfang der verschiedenen Spielelemente, die angenehme Ästhetik und der Umstand, dass ich mich jemals dermaßen emotional an einen Frosch binden könnte.

Zu allererst trifft man auf Stella, die an der Schwelle der Immerpforte (quasi dem Tor ins Jenseits) die große Aufgabe übernimmt herumirrende Seelen den Übergang ins Jenseits zu ermöglichen. Ausgestattet mit einem Schiff, einer Kombüse, einem Aufenthaltsraum und dem Immerlicht, welches sich in das Werkzeug verwandeln kann was auch immer man gerade benötigt macht man sich auf die Suche um die ersten Seelen zu finden. Sie erscheinen in Tierform und spiegeln den inneren Charakter der Person wieder. Es wird sehr schnell klar, dass die meisten von ihnen Stella in ihrem früheren Leben kannten und je mehr man über die einzelnen Seelen die als Passagiere auf ihrem Schiff einziehen erfährt, umso mehr erfährt man auch über Stella und welche Verbindung sie zu den Seelen hatte. Mit ihrer treuen Begleitung, der Katze Daffodil, wird sie von ihren Passagieren quer durch die Weltgeschichte geschickt, um Quests zu erfüllen, spezielle Materialien zu sammeln, Beziehungen zu kitten und so all die Dinge aufzubröseln, welche die einzelnen Seelen noch vom Gang ins Jenseits abhalten.

Neben den sehr speziellen und persönlichen Quests gilt es auch das Schiff auf Vordermann zu bringen, zu erweitern, Rohmaterialien zu sammeln und weiterzuverarbeiten und sich um die Schiffsgärten zu kümmern. Im Grunde ist Stellas Schiff eine kleine Welt für sich die über die Meere geschickt wird um am Ende immer wieder an der Immerpforte halt zu machen. Der Managementanteil ist enorm, allerdings bietet das Spiel auch genügend Zeit die kleinen Geschicklichkeitsaufgaben zu lösen, um an spezielle Materialien zu kommen wie zum Beispiel Bretter aus Baumstämmen zu sägen oder aus Erzen Baren zu gießen. Wie auch in der Welt der Lebenden gibt es hier Tag und Nacht, Regen und Sonnenschein. Bei Nacht kann das Schiff nicht fahren (jedenfalls nicht zu Beginn) und die Passagiere wollen schlafen, dadurch ergibt sich schnell eine natürliche Routine. Neben dem Management des Schiffes bleibt allerdings die Interaktion mit den Seelen der Hauptbestandteil des Spieles. Sie wollen auch umsorgt sein und dazu zählt, dass man sie bekocht und regelmäßig in den Arm nimmt. Sind sie gut gelaunt und haben die richtige Mahlzeit erhalten helfen sie auch bei den Arbeiten in den einzelnen Werkstätten und Gärten auf dem Schiff oder überraschen Stella nach einem Besuch auf einer Bergwerkinsel mit gesammelten Erzen.

Die Inseln sind zudem auch nicht direkt zugänglich. Nach und nach entdeckt man mehr Areale auf der Karte, die mit schwarzen Flecken bedeckt ist. Auch dafür braucht man Erweiterungen des Schiffs, für die wir wieder einiges sammeln müssen. Jede Insel hat ihre Besonderheiten und erzählt eine eigene kleine Geschichte. Dort trifft man auch auf viele Seelen, die noch nicht bereit sind auf das Schiff zu ziehen. Und die allermeisten werden es auch nicht. Dennoch sind viele von ihnen auch auf Hilfe angewiesen und versorgen den Spielenden mit noch mehr Quests. Die kleinen Geschichten drumherum sind teils humorvoll, teils wirklich sehr schräg bieten aber jede Menge Abwechslung. Darüber hinaus gibt es eine Unmenge an geheimen Schätzen zu finden für die meist eine spezielle Fähigkeit vorausgesetzt wird. Diese müssen erlernt werden, indem Stella zwei Dublonen an dem entsprechenden Tempel abgibt. Diese Dublonen erhält sie von den Seelen die auf das Schiff ziehen, denn selbstverständlich wollen nicht nur Fährmänner, sondern auch Fährfrauen für ihre Arbeit bezahlt werden.

Spiritfarer wirkt optisch und atmosphärisch so friedlich und freundlich, weiß aber auch mit schwierigen Themen aufzuwarten. Jede Seele trägt ihr Laster mit sich und auch wenn manche sich vielleicht aus scheinbar banalen und albernen Gründen an ihrem geschiedenen Dasein klammern brauchen andere wiederum Hilfe um mit den Geistern ihrer Vergangenheit (wie Erinnerungen an den Krieg oder an eine mit seelischer Gewalt behaftete Kindheit) abzuschließen. Das sind für mich persönlich die Momente gewesen in denen ich dringend auch mal eine Spielpause einlegen musste, da ich absolut nicht damit gerechnet habe. Allerdings finde ich, dass es gerade dieser Kontrast ist der das Spiel zu etwas besonderem macht. Es ist niedlich genug, dass es einen nicht extrem runterzieht, es ist aber definitiv eines der traurigsten Spiele das ich je gespielt habe. Und gleichzeitig eines der friedlichsten. Meiner Meinung nach ist der Umgang mit dem Tod, den Ängsten und den Erwartungen drumherum sehr respektvoll. Stella selbst spricht übrigens nicht. Sie hört zu. Das konnte sie auch zu Lebzeiten schon besonders gut. Aber so wird jeder Charakter mit seinen Erfahrungen und seinen Meinungen gehört und davon haben sie alle VIELE. Man muss sie oder ihn nicht mögen und nicht jeder hat zum Ende hin ein Happy End erlebt, aber ob sie sich nun ändern oder nicht hat man als spielende Person nicht zu kommentieren. Das eine oder andere mal war ich wirklich traurig, dass die Seele am Ende ihrer Reise stand, da ich den Eindruck hatte, dass noch etwas fehlte damit ich damit abschließen konnte aber auch das ist ein wirklich sehr lobenswerter Aspekt des Spiels.

In diesem Jahr erscheinen noch zwei weitere Updates und kostenfreier Inhalt wie neue Inseln und Seelen. Darüber hinaus wird es eine limitierte physische Version des Spiels geben die im Juli für PlayStation 4 und Switch erscheint.

Fazit: Das Indie-Studio Thunder Lotus Games hat mit Spiritfarer einen unglaublich schönen Titel geschaffen der mit seinem ruhigen und relativ langsamen Spielverlauf perfekt dazu geeignet ist dem stressigen Alltag zu entfliehen. Der Soundtrack ist sehr angenehm und das Artwork fügt sich ebenso in das Bild der Ruhe und Entspannung ein. Der unglaublich liebevolle Umgang mit der Thematik und den Fragen rund um den Tod und die verschiedenen Sichtweisen und Erkenntnisse der einzelnen Seelen geben der spielenden Person genügend Impulse um auch nach dem Abschalten der Konsole darüber nachzudenken. Das Spiel hat durchaus einige überraschend bedrückende Seiten, weshalb ich das Spiel nicht jemandem empfehlen würde der einen traumabehafteten Umgang mit dem Thema Tod und Trauer erlebt hat. Für Freunde von Management-Simulationen mit leichten Platformanteilen und viel Geduld ist dieses Spiel meiner Meinung nach ein absolutes Must-Have.

Vielen Dank an Thunder Lotus Games für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Nintendo Switch.