Wunderling (Review)

Mittlerweile erscheinen so viele Spiele, dass es fast unmöglich erscheint noch den Überblick zu behalten. Um abseits der großen, bekannten Spiele aufzufallen benötigen die Entwickler vor allem eins: Mundpropaganda und viel Glück. Wunderling in meinem Fall hatte Glück, da ich das Cover süß fand und die Screenshots mir zugesagt haben. Ich wusste nichts über das Spiel, Reviews gab es kaum und Videos schaue ich mir aus Prinzip selten an. Ehe ich mich versah war es auch gekauft und der erste große Kritikpunkt stand für mich nach kurzem Anspielen fest: Es war ein Autorunner. Mir hat schon Super Mario Run nicht besonders gefallen, gewissermaßen mache ich einen großen Bogen um das Genre weil ich es mir einfach nicht vorstellen kann, ein gutes Leveldesign um diese 1-Knopf Spiele zu entwickeln. Spoileralarm: Ich bin froh, dass ich so dermaßen falsch lag.

In Wunderling übernimmt der Spieler die Rolle vom namensgebenden Wunderling, der von Grund auf Bösem, mit perfiden Möglichkeiten ausgestatteten Gemüseeinheit. Er muss den Helden des Spiels, Carrot Man, aufhalten.  Denn der Antagonist beherrscht alsbald die Mutter aller Fähigkeiten: Er lernt das Springen! Und ein guter Lakaie ist natürlich einer, der hirnlos alle Befehle ausübt. So hirnlos, dass er nicht daran denkt anzuhalten und einfach weiter läuft, selbst wenn Stacheln ihn aufzuspießen drohen. Wunderling sieht aus wie ein gelber Gumba und selbst die Entwickler wissen nicht genau, was er eigentlich darstellen soll. Ich tendiere zu einer Kartoffel, Retroid zu einer Zitrone. Aber ungeachtet dieser Spitzfindigkeiten geht es im Prinzip darum, den Helden Carrot Man auf seiner Odyssey aufzuhalten, Prinzessin Pea zu retten, die von der bösen Zauberin Kohlrabi entführt wurde. Die Geschichte klingt auf dem Papier wie nach einem Trip mit illegalen Substanzen entstanden, ist jedoch im Spiel selbst wirklich witzig geschrieben und steckt voller Charme.

Der Kern des Gameplays besteht natürlich aus Springen, das Laufen wird vom Wunderling selbst übernommen. Nach und nach entwickelt ihr neue Fähigkeiten die sich auch in früheren Levels einsetzen lassen, neben dem Sprint ist vor allem der Wandsprung sehr wichtig. In jedem Level ist eine Kiste versteckt, die diverse Outfits enthält und zumeist nicht leicht zu erreichen ist. Überhaupt steckt im Leveldesign mehr, als ich von einem Autorunner erwartet habe. Geheime Ausgänge, Flugabschnitte, Schalterrätsel und sogar Bosskämpfe, bei denen wir an den Extraleben von Carrot Man knabbern. Auch thematisch unterscheiden sich die Welten, jede hat ein anderes Thema und oft entdeckt man Anspielungen auf andere Videospiele. Achtet nur mal auf die Musik in den Untergrundlevels…

Grafisch ist das Spiel sehr bunt, liebevoll und erinnert an die schönen 16 Bit Zeiten. Auch die musikalische Untermalung gefällt mir sehr, überhaupt ist das Spiel sehr kindgerecht aufgemacht und kann somit jeder Altersklasse empfohlen werden, zumindest vom Äußeren. Sind die ersten Levels noch sehr leicht und erklären das Spieldesign, wird es immer schwerer den Ausgang zu erreichen. Insbesondere Komplettionisten haben einiges vor sich und werden bestimmt mehr als ein Mal laut fluchen, so wie ich es auch getan habe. Aber durch die Größe der Levels ist man stets motiviert, es auf noch einen Versuch ankommen zu lassen. Dabei sollte man sich beim Erkunden nicht zu viel Zeit lassen, denn wenn Wunderling nicht konstant isst stirbt er bald einen raschen Tod. 

Die „Bosskämpfe“ sind eher Slapstick und nicht wirklich anspruchsvoll, aber sehr witzig umgesetzt. Im Allgemeinen bin ich wie oben schon geschrieben sehr vom Spiel angetan, neben der süßen Optik gefällt mir besonders das Leveldesign, der Humor und die Herausforderung, die das Spiel bietet. Jeder der mit dem Prinzip was anfangen kann sollte Wunderling eine Chance geben, Retroid würde sich bestimmt über gute Verkäufe freuen und eventuell besteht dann sogar die Möglichkeit auf einen Nachfolger. Ich zumindest würde diesen mit Kusshand nehmen.