Returnal (Review)

Artwork von Returnal. Protagonistin Selene steht im Vordergrund. Im Hintergrund bilden mehrere leere und zerstörte Helme eine Mauer.

Housemarque liefert mit Returnal ihr erstes Big-Budget Projekt ab und bleibt dabei dennoch Ihrem Motto ‚Gameplay First‘ treu. Einigen dürfte die Spieleschmiede durch Resogun oder einer ihrer anderen schweren Bullethell-artigen Spielen bekannt sein. Returnal hingegen ist ihr erstes 3D Projekt an dem sie nun rund 4 Jahre gewerkelt haben. Und ich kann vorweg sagen, dass hier etwas Besonderes entstanden ist.


Wenn man sich Returnal von Spielern beschreiben lässt werden oft einige bekannte Namen gekreuzt um ungefähr erklären zu können was genau der Kern des Spiels ist. Ich habe schon gelesen dass Returnal eine Kreuzung aus Bloodborne und Deadspace ist. Andere bezeichnen es als eine Mischung aus Control und Metroid Prime. Noch viele weitere Spiele werden genannt wie zum Beispiel Risk of Rain, Hades, Vanquish, Contra oder Dead Cells und wenn man all diese Titel kennt versucht man einen gemeinsamen Nenner zu finden oder sich die Kreuzung sogar vorzustellen. Aber bei so vielen Titeln die zum Vergleich ran gezogen werden, wird eigentlich nur eins klar: Das Spiel lässt sich nur schwer und wenn überhaupt in Bruchstücken mit den genannten Titeln vergleichen. Daraus lässt sich ganz schnell schließen: Es gibt momentan nicht wirklich etwas Vergleichbares auf dem Markt.

Selene ist eine Amerikanisch-Griechische Raumfahrerin. Sie trägt den Namen der griechischen Mondgöttin.


Deja-Vu
Ich habe Returnal nun rund 30 Stunden gespielt und in der Zeit alle Gebiete gesehen und alle Bosse bekämpft. Also was genau ist Returnal? Returnal ist in erster Linie ein kompromissloser beinharter Action-Shooter bei dem es auf schnelle Reflexe und gute Planung ankommt. Es bedient sich diverser Rogue-lite Elemente und garniert das Ganze mit einer spannenden Geschichte rund um den Astra-Scout Selene. Angezogen von einem merkwürdigen Signal landet die Weltraum-Entdeckerin auf dem Planeten Atropos. Ihr Raumschiff ist dabei stark beschädigt worden und eine Rückreise somit erst mal ausgeschlossen. Nach wenigen Minuten der Erforschung stößt sie dabei auf die Leiche eines Astra-Scouts und muss feststellen dass es sich um ihre eigene handelt. Kurz darauf begegnet sie dem ersten außerirdischen Widerstand und … stirbt. Doch der Spieler darf in diesem Moment wie Selene auch selbst feststellen, dass sie erneut in ihrem Raumschiff erwacht, die Bruchlandung überlebt und sich in Versatzstücken daran erinnert, dass sie all das schon mal erlebt hat. Bei der erneuten Erkundung stellen wir fest, dass sich die Geographie des Planeten geändert hat. In was für ein Dilemma ist Selene hier reingeraten und wie kann sie dieser endlosen Qual entkommen? Das fragen wir uns auch als Spieler und begeben uns mit ihr auf der Suche nach der Antwort. So viel zur Story. In dem restlichen Artikel werde ich nun kein weiteres Wort mehr darüber verlieren, da man diese Geschichte am besten unvoreingenommen und zusammen mit Selene erlebt.


Triple-A Arcade
Die Rogue-Lite Elemente sorgen für zufällige Abwechslung nach jedem Ableben. Da man nach jedem Neustart wieder am Raumschiff beginnt, sorgt der sich ständig verändernde Planet dafür, dass simples auswendiglernen des Layouts keine Option ist. Waffen und Upgrades werden nach einem Ableben entfernt und es gibt insgesamt nur wenige permanente Erfolge die man in den nächsten Versuch mitnehmen darf. Dazu zählen ein paar Ausrüstungsgegenständen, Äther und Schlüsselgegenstände die dem Spieler beim erneuten Versuch mehr Optionen der Fortbewegung und alternative Wege und/oder Abkürzungen anbieten. Gefundene Waffen und beispielsweise Heiltränke werden dem Spieler hingegen entzogen und die neue Anordnung der (‚handgemachten‘) Räume wird mit eventuell anderen Gegnern gefüllt.

Auch der erste Bossgegner weiß schon seine Angriffe zu kombinieren.

Selene kann schon von Anfang an springen, sprinten und Dashen und lernt im weiteren Verlauf noch die ein oder andere permanente Fähigkeit, die ihr beim erfolgreichen Kampf behilflich sein kann. Die Gegner sind sehr fremdartig designt und oft mit etlichen Tentakeln überzogen und können Energiekugeln und Laser in allen Formen und Farben verschießen. Die Mischung aus Realismus und bunten Videospiel-Leuchteffekten funktioniert dabei ganz wunderbar. Es ist beinahe hypnotisch, wenn gegnerische Horden den gesamten Raum mit bunten tödlichen Geschossen füllen die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Manövern versuchen Selene ihr Leben zu rauben. Das erinnert an die guten alten Arcade-Spiele der 90er. Aber auch spielerisch erwartet uns ein beinahe klassisches Erlebnis. Mit allem was dazu gehört…


Frust und Lust
Ein Arcade Spiel kann jedoch meist auch in einer Sitzung durchgespielt werden, sofern man die Übung hat und nicht vorzeitig scheitert. Sicherlich geht das bei Returnal auch wenn man es nur lang genug gespielt hat, aber für den Anfang sollte man sich lieber über die kleinen Erfolge freuen. Es kam sehr oft vor dass ich viele Stunden lang gar keinen Fortschritt gemacht habe, weil ich stets durch einen kleinen Fehler meinerseits zurück zum Anfang geworfen wurde. Returnal kann unbarmherzig sein und dank der beinahe nicht vorhandenen Ladezeit steht man schon wieder am Wrack des Helios bevor man überhaupt verarbeitet hat was einen da gerade so in Stücke gerissen hat. Ich musste oftmals empört durchatmen und war noch zähneknirschend gedanklich im letzten Run und habe nur halb realisiert, dass ich schon wieder losgelaufen bin und meinen Frust an die ersten Gegner des ersten Gebiets auslasse.

Jedes Gebiet bietet seinen ganz eigenen Charakter und eigene Gegner und gefahren.

Frust und Lust liegen hier sehr eng beieinander und so hart es einen auch bestrafen kann, so schön kann auch das Erfolgserlebnis sein, wenn man bestimmte Checks erreicht hat. Für das Erreichen des Abspanns habe ich beinahe 60 Runs gebraucht und ich denke, daraus lässt sich ganz gut ablesen, dass die Zahl der erfolglosen Versuche ungefähr drei Mal so hoch ist wie die Zahl der Runs in der ich kleine permanente Erfolge verbuchen konnte. Ein kleiner Trost sind die freigeschalteten Waffen-Attribute die ich sehr regelmäßig freischalten konnte und dann in weiteren Versuchen dann bei den Waffen direkt zur Verfügung war. Auch der Äther, neben den Oboliten eine weitere Währung, lässt sich mit in den nächsten Start nehmen um sich diesen auf Wunsch etwas zu vereinfachen. Nichtsdestotrotz liegt es in der Natur des Spiels, dass man am Ende eines gescheiterten Spiels die Konsole eher mit Ärger ausschaltet. Aber keine Sorge: In der Regel kommt die Lust so schnell wieder dass ich kaum zwanzig Minuten später wieder am spielen war.

Flow
Und das liegt am einzigartigen Flow. Sobald man sich mit all den Systemen zurechtgefunden hat und beginnt, effektiv zu spielen kann und will man beinahe gar nicht mehr damit aufhören. Schießen springen, rennen. Alles ist so verdammt schnell und butterweich und lässt einen nicht mehr los. Es ist ein wahnsinnig gutes Gefühl wenn man ohne Gegentreffer aus einem Kampf heraus kommt und dabei ein Audiovisuelles Spektakel verursacht. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei leichter gesagt als getan: Werde nicht getroffen. Selene erleidet schwere Schäden durch die meisten Gegentreffer und Heilungen finden sich nur spärlich. Zusätzlich gibt es noch ein Adrenalin-System dass sich mit jedem getötetem Feind steigert aber bei Gegentreffer zurückgesetzt wird. In den fünf Adrenalin-Stufen schaltet man dabei Vorteile im Kampf frei die durchaus entscheidend sein können. So wird unter anderem die Zielgenauigkeit verbessert, Gegner werden mit einem Signal auch hinter Wänden angezeigt und Gegner hinterlassen mehr Oboliten. Ein Gegentreffer setzt all diese Vorteile zurück und Selene muss sie sich erneut erarbeiten. Die angesprochenen Oboliten lassen sich in diversen Vorrichtungen für Upgrades und Items eintauschen und können somit auch für den späteren Verlauf des Runs essentiell wichtig sein. Doch auch hier gibt es einen Haken: Die Oboliten werden nicht automatisch nach einem besiegten Gegner aufgesogen und verschwinden nach kurzer Zeit. Der Spieler muss Selene nah genug an die kleinen goldenen Splitter heran bewegen bevor sie dem Konto gut geschrieben werden. Wer also nicht mit leeren Händen aus einer Auseinandersetzung gehen will muss dem Feind nahe bleiben.

in Blick ins Menü lohnt sich. Hier zu sehen sind die verschiedenen Eigenschaften die die Waffe beim Auffinden besitzen kann.

Risk and Reward ist ein stets vorherrschendes Thema und muss stetig neu erwogen werden. Jede Waffe besitzt Vor- und Nachteile in den entsprechenden Situationen. Zudem gibt es ein paar ‚verdorbene‘ Varianten von Heilungen oder Schatztruhen. Beim Öffnen oder Aufsammeln jener Items kann es vorkommen, dass Selene Schaden erleidet oder ihr Anzug eine zufällige Fehlfunktion erhält, die sich nur durch das Erfüllen einer bestimmten Voraussetzung wieder entfernen lässt und mitunter gefährliche Nachteile mit sich bringen kann. Außerdem gibt es noch Parasiten zu finden die Selene bewirten können. Ein Parasit bringt jedes Mal einen Vorteil und einen Nachteil mit sich. So kann es z. B. sein, dass dir ein Parasit mehr Schaden verspricht aber die Effektivität deiner Heilung verringert. Am Anfang eines Bioms ist das vielleicht keine so gute Entscheidung, aber solltest du nun schon vor dem Endgegner des Levels stehen und sowieso keine Heilgegenstände mehr bei dir tragen, ist es vielleicht keine schlechte Idee zu diesem Parasiten zurückzukehren und ihn aufzunehmen. Die wenigen Endgegner des Spiels sind dabei besondere audiovisuelle Spektakel. Jeder davon ist einzigartig auf seine Weise und bietet eine faire und dennoch fordernde Herausforderung. Auch wenn diese Boss-Gegner zu den wenigen Dingen gehören die man nicht erneut schaffen muss, habe ich mich doch hin und wieder an jene herangewagt für einen zusätzlichen kleinen Bonus. Und weil sie so viel Spaß gemacht haben.

Einer der zufälligen Parasiten. In diesem Fall finde ich die Strafe zu hart um sie in Erwägung zu ziehen.

Ein echtes PS5-Spiel
Returnal zeigt bei alledem eindrucksvoll, was die PlayStation 5 zu bieten hat und unterstützt ausnahmslos all die Features mit denen geworben wird. Gleich beim ersten Einschalten (und nach dem Einstellen der Optionen) zeigt die SSD sofort ihre Wirkung und überspringt sogar dafür provokant den Titelbildschirm den es gar nicht erst gibt. Das Spiel empfängt dich mit dem Intro und gibt dir einen Vorgeschmack auf die Controller-Haptik und den 3D-Sound sofern man natürlich über die Kopfhörer spielt. Die Aktivitätskarten dienen dazu, dir den Erkundungsfortschritt der einzelnen Biome anzuzeigen. Die Soundkulisse ist atemberaubend und ein essentieller Bestandteil der Spielerfahrung und sollte nach Möglichkeit auch mit Kopfhörern gespielt werden. Gegner, Apparaturen, Angriffe und Parasiten lassen sich beinahe problemlos über das Gehör allein orten und es kann einen entscheidenden Vorteil im Kampf bieten da es in dem hektischen Gemetzel auch durchaus chaotisch zugehen kann. Die Haptik überträgt für jede Waffe ein anderes Gefühl, lässt dich den Regen oder auch die allgemeine Umwelt spüren. Es kribbelt beispielsweise, wenn du in ein Teleportal hereintrittst.

Für bestimmte kurze Story-Schnipsel schaltet das spiel in die Ego-Perspektive und kann mitunter ganz schön gruselig sein.

Die adaptiven Trigger werden hierbei auch genutzt. Insbesondere L2 ist klar in zwei Abstufungen getrennt. Drückt man die Taste bis zum ersten Widerstand wird genauer gezielt und etwas herangezoomt. Drückt man durch den Widerstand hindurch und die Taste komplett wird noch etwas herangezoomt und die Waffe schaltet in den alternativen Feuermodus. Hat man den alternativen Feuermodus ausgeschöpft, kribbelt die L2 Taste beim Durchdrücken solange die Fähigkeit in ihrer Abklingzeit ist (begleitet wird die Abklingzeit mit einem Signal das gefühlt hinter dem rechten Ohr sitzt). Das ist ein interessanter Ansatz der mir anfangs einige Probleme gemacht hat. Oft habe ich in der Hitze des Gefechts ungewollt zu fest gedrückt und die alternative Funktion ungewollt ausgeschöpft. Nach ein paar Stunden war es aber sehr intuitiv und ist ein Feature das ich in Zukunft sehr gern in vielen weiteren Spielen sehen würde. Wer sich allerdings partout nicht daran gewöhnen kann, kann den alternativen Feuermodus auch auf einen einzelnen Knopf legen. Insgesamt lässt sich die Steuerung auch bei Bedarf komplett ändern.

Fazit
Alles in allem ist Housemarque mit Returnal ein besonderer Wurf gelungen der mich auf allen Ebenen abgeholt hat und kann jedem Besitzer der noch rar gesäten Konsole nur empfehlen dem Spiel eine Chance zu geben. So abschreckend die Herausforderung und die Bestrafung auch sein kann: Wer Spielspaß an erster Stelle stellt und einfach nur den Moment genießen will, ist bei Returnal richtig. Manchmal wird man eben keinen Fortschritt erzielen. Aber man kann es positiv sehen: Je öfter man scheitert, desto mehr hat man vom Spiel. Auch ich freu mich darauf, selbst nach dem Abspann erneut Atropos zu besuchen um das ein oder andere verborgene Geheimnis zu lüften.

Vielen Dank an Sony für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PlayStation 5.