Drawn to Life: Two Realms (Review)

Vor vielen, vielen Jahren malte der Schöpfer eine Welt, bevölkert von kleinen Wesen mit großen Ohren, Raposa genannt. Irgendwann war einer von ihnen davon überzeugt, besser als der Schöpfer zu sein, aber natürlich ging das schief. Die Zeichnungen des Raposas wurden finstere Schattenwesen, die die Welt in Gefahr brachten.

Doch der Schöpfer half den Raposas, indem er ihnen einen Helden malte. Das Böse wurde zurückgeschlagen, zweimal.

Im ersten Teil der Reihe stirbt am Ende der Bürgermeister der Raposas. Im zweiten Teil ist das Ende so verstörend, dass spätere Versionen ein anderes haben. Deshalb war ich gespannt darauf, auf welchem Ende diese Fortsetzung aufbaut. Ein Detail bleibt in beiden Versionen: Ein kleiner Junge, Mike, der auch in der Welt der Raposas war, wacht auf und es scheint so, als gäbe es die Welt der Raposas nicht mehr. Denn alle waren davon überzeugt, dass die Raposas nur in seinem Kopf existierten.

Obwohl die Raposas ihr Ende bereits akzeptiert haben, existieren sie nun doch weiter. Und zwar in Drawn to Life: Two Realms. Das spielt einige Jahre nach den Ereignissen in Drawn to life: The Next Chapter. Diesmal ist der Held nicht nur bei den Raposas, sondern auch in der Menschenwelt unterwegs. Spielerisch gewinnt das Spiel zwar wenig durch die zwei Welten, aber für die Geschichte sind sie wichtig. Ähnlich ist der Tag-Nacht-Wechsel, bei dem sich auch nur die Aufenthaltsorte der NPCs ändern.

In der Menschenwelt lebt Mike mit seiner Schwester Heather im scheinbar idyllischen Belleview. Doch die Menschen in dem kleinen Ort sind angespannt und neigen zu Wutausbrüchen. Welch Glück, dass der von den Raposas herbeigerufene Held diesmal in die Köpfe anderer eindringen kann, um sie zu beruhigen. Wirkt vielleicht wie Gedankenmanipulation, aber es ist ja für einen guten Zweck. Außerdem bedanken sich die Charaktere oft auch beim Helden, also ist das vielleicht gar nicht so schlimm.

In den Köpfen der Menschen und Raposas befinden sich die Level. Während die ersten beiden Teile den Fokus auf Platforming mit Erkundungsmöglichkeiten legen, gibt es in Two Realms zumeist Rätselaufgaben.

In einigen Hauptleveln und allen Nebenleveln müssen Gegner und Objekte, Spielzeuge genannt, platziert werden. Dann macht man sich entweder gleich auf den Weg zur Tür, die das Ziel des Levels markiert, besiegt erst einmal alle Gegner oder befördert Gegner oder Träumer in einen Zielbereich.

Dabei benutzt der Held sein komplettes Moveset mit Sprüngen, Stampfattacken und einem Wirbelangriff, der Gegner betäubt und ein Stück in die Luft befördern kann. Betäubte Gegner lassen sich zudem werfen. Bei jedem Treffer, den der Held einsteckt, geht ein Designstück für den Rest des Levels verloren, um den erhaltenen Schaden darzustellen, bis nur noch ein Mannequin übrig bleibt, das nach einem weiteren Treffer besiegt ist.

Die Aufgaben zu erfüllen, ist oft ziemlich knifflig. Während der Story sind alle zu verteilenden Spielzeuge vorgegeben. In den Zusatzleveln können für Spielgeld zusätzliche Spielzeuge dazugekauft werden. Das ist nicht zwingend nötig, um die Level abzuschließen, vereinfacht aber das Erreichen höherer Punktzahlen für die höchste Sternewertung.

Tatsächlich habe ich nicht mit der Komplexität der Level gerechnet. Damit, wie viele Anläufe ich brauchen würde, um mir Stück für Stück Lösungswege zu erarbeiten. Zum Glück bleiben die schwersten Story-Rätsel einfacher als die schwersten Rätsel in den Nebenmissionen, gerade weil man erstere für den Spielfortschritt zwingend lösen muss, aber keinerlei Tipps oder zusätzliche Hilfsmittel bekommt.

Abseits davon fühlt sich der Look des Spiels mit den hektischen Idle-Animationen und expressiver Gestik und Mimik sehr vertraut an. Ebenso die ernsten Themen, mit denen sich das Spiel beschäftigt, ohne dass die Düsternis Oberhand gewinnt, weil Humor und Hoffnung weiterhin vorhanden sind. Und wenn nicht, hilft der Held immer gern aus.

Dabei ist es egal, ob eine Familie droht, zu zerbrechen, weil die Eltern nur noch streiten, oder ob ein Kind einem anderen den Tretroller wegnehmen will. Die Menschen stehen unter hoher Anspannung und das schon viel zu lange. Manchmal leiden dann auch andere darunter, aber hin und wieder kann ich als Held rechtzeitig eingreifen und die akute Lage entschärfen. 

Fast noch nostalgischer hat es sich für mich angefühlt, meinen eigenen Helden zu zeichnen. Wobei ich nicht darauf verzichten konnte, bei jedem Spielen noch einmal das Design zu optimieren. Oder es komplett über den Haufen zu werfen.

Dabei ist der Zeichenmodus nicht besonders eingängig. Im Gegensatz zu den DS-Spielen gibt es zwar keine Touch-Steuerung, aber um Farben pixelweise zu setzen, sind mir andere Steuerungsmethoden ohnehin lieber. Allerdings reagiert die Steuerung auf so feine Richtungseingaben mit dem Joystick, dass ich keine längeren Geraden ziehen kann. Es gibt auch kein Pixelraster zur Orientierung. Mit den vielen Einstellungsmöglichkeiten braucht man alle Knöpfe der Joy-Cons für irgendetwas und trotzdem fehlt eine schnelle Möglichkeit, Fehler rückgängig zu machen.

Es braucht also einige Eingewöhnungszeit, aber dann lässt sich viel mit dem Zeichenmodus anstellen. Die Vorlagen lassen sich für die einzelnen Körperteile komplett übernehmen oder bearbeiten. Die vorgegebene Farbauswahl reicht schon weit, lässt sich aber auch erweitern. Zusätzlich gibt es Stempel von Mündern, Augen, Dämonenhörnern und mehr, die man auf dem Helden platzieren kann und die wie selbstgezeichnet funktionieren, also umgefärbt und weiter angepasst werden können. Daneben gibt es Aufkleber, um den Helden mit Flügeln oder Ähnlichem auszustatten, die an bestimmten Körperteilen angebracht und in ihrer Größe und Ausrichtung verändert werden können. Stempel und Aufkleber werden ebenso wie weitere Spielzeuge für die Nebenmissionen in Läden angeboten.

Abseits vom Helden zeichnet man diesmal nicht besonders viel. Die selbstplatzierten Spielzeuge ersetzen gewissermaßen die selbstgemalten Plattformen. Manche Raposas wollen verschiedene Gegenstände wie ein Ladenschild oder einen Wasserball. Dabei kann man komplett frei malen, aber auch eine Vorlage nutzen, entweder nur mit vorgegebenen Outlines oder komplett in Farbe. Weil ich selbst mit Schattensetzung Probleme habe, habe ich es mir meistens einfach gemacht und die eingefärbten Vorlagen umgefärbt und leicht angepasst. Gestempelte Bärte und Augen sehen schließlich überall großartig aus.

Das Ende wirkt ein wenig arbiträr. Eine Bedrohung ist vorerst zurückgeschlagen und ein Charakter bleibt das ganze Spiel über mysteriös, was Hoffnung weckt auf eine weitere Fortsetzung. Trotzdem löst das Ende den Hauptkonflikt auf, der Mike umtreibt, so dass ein gewisser Abschluss auf jeden Fall gegeben ist.

Dadurch, dass das Spiel einen eigenen Konflikt in den Fokus setzt, funktioniert es weitgehend auch als einzeln stehendes Spiel. Oder auch dann, wenn man es ein Jahrzehnt nach dem Vorgänger spielt. Im Detail ist das natürlich schwieriger, aber es erwähnt die zum Verständnis wichtigsten Aspekte aus den Vorgängern.

Auf technischer Seite hat das Spiel ein paar Probleme. Hin und wieder hängt das Spiel im Ladebildschirm fest und muss dann neu gestartet werden. Aber kein geht Fortschritt verloren, denn das Spiel speichert sogar zwischen jedem Level, wenn in Storymissionen mehrere Level direkt aufeinanderfolgen. Einmal ist mein Held nicht im Level aufgetaucht, aber das ließ sich ebenfalls durch einen Neustart beheben. Daneben gibt es seltene Framerate-Einbrüche.

Drawn to Life: Two Realms mag nicht der erhoffte Nachfolger sein. Ich habe überhaupt nicht mit einem gerechnet und war überrascht von der veränderten Ausrichtung auf einen starken Puzzle-Fokus. Auch nimmt der Schwierigkeitsgrad dadurch deutlich zu. Es ist etwas schade, dass der Erkundungsaspekt verloren geht, aber die Rätsel machen auch Spaß. Und die Story, hier zwar etwas kleiner und vorwiegend persönlich erzählt, fühlt sich wieder nach Drawn to Life an. Die Raposas und die kleinen Gegner sind Bekannte aus den Vorgängern und viele Charaktergeschichten werden ein kleines Stück weitererzählt.

Wer auf eine Fortsetzung gewartet hat, sollte sich darüber bewusst sein, dass das Spiel ein Puzzle-Platformer ist. Darüber hinaus spricht nichts dagegen, hier zuzugreifen und den eigenen Helden erneut zum Leben zu erwecken.

Vielen Dank an 505 Games für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Nintendo Switch.