Crysis Remastered (Review)

Dieser Test fand auf der Playstation 4 mit einem 55 Zoll Full HD TV statt. Die Spielerfahrung kann auf einer Playstation 4 Pro, PC und Nintendo Switch abweichen.

November 2007, ich fahre in die Nachbarstadt, um mein Päckchen mit der Crysis Special Edition im Steel Book abzuholen. Es war ein Samstag und die Post war nicht geöffnet, aber einen Tag vorher hatte ich mit einem Telefonat geregelt, dass ich es beim Zoll abholen kann. Es waren wahrlich wilde Zeiten, die Shooter waren ehrlicher, Windows Vista war nach 6 Monaten Reifezeit so langsam brauchbar und die FSK Einstufungen verdeckten noch nicht das halbe Cover von Spielen und Filmen.

So wie sich dieses Erlebnis in meinen Kopf einbrannte, so hat auch mein Playthrough durch Crysis Remastered bleibende Spuren hinterlassen. Manche positiv, andere eher nicht.

Für diejenigen, die nie Kontakt mit Crysis hatten, eine kleine Zusammenfassung: Cryis war die neue IP von Crytek, nachdem sie die Rechte an Far Cry (dem ersten Teil), an Ubisoft abgetreten hatten. Far Cry war seiner Zeit technisch weit voraus und grafisch eine Pracht, Crysis sollte dies um sehr viele Längen schlagen. Bei Ankündigung des Spiels gab es de facto keinen PC auf dem es spielbar gewesen wäre. Dies war wenig verwunderlich, da Crytek Beta Hardware von Nvidia zur Verfügung stand und sie wussten in welche Leistungsregionen kommende Generationen vorstechen würden. Nach Release interessierte sich niemand mehr für die Komponenten in einem PC, es wurde nur noch nach „Can it run Crysis?“ gefragt – ein geflügeltes Wort bis heute.

Die Story ist erheblich schneller erzählt. In einer Ausgrabungsstelle in Nordkorea werden Wissenschaftler vermisst und da die Koreanische Arme dorthin abbeordert wurde, schicken die USA gleich ihr bestes Einsatzteam in hübschen Nanosuits dorthin. Diese verleihen dem Träger mehr Kraft, Widerstand, Geschwindigkeit und bei Bedarf auch gleich ein Tarnfeld. Wie sollte es anders kommen, bei der Ausgrabung wurden havarierte Aliens geweckt und diese wollen nun (natürlich) die Erde erobern.

Als Crytek verkündete, es würde nach 13 Jahren ein Remastered für alle aktuellen Konsolen und den PC geben, war ich sofort Feuer und Flamme und das alte Kribbeln stellte sich wieder ein. Endlich wieder durch den Koreanischen Dschungel schleichen, wieder beim Umschalten des Nanosuit die vertraute Stimme „Maximale Panzerung“ oder „Tarnfeld aktiviert“ sagen hören.

Da die Story die gleiche geblieben ist, muss ich darauf nicht noch weiter eingehen, auf der technischen Seite gibt es jedoch erheblich mehr zu sagen. Gleich zu Beginn freue ich mich riesig, das neue dynamische Beleuchtungssystem ist grandios, eine Verbesserung, die diesem Spiel unglaublich gut tut. Alles wirkt nun viel natürlicher und endlich muss man nicht die stellenweise sehr schlechten Schatten ertragen, denn wenn das Original eines nicht konnte, dann waren es Schatten. Umso näher ein Objekt an der Lichtquelle war, desto Schlimmer wurde es und die Schatten bildeten Treppchen die Bauklötzen gleichkamen.

So schön sahen Schatten noch nie in Crysis aus

Nach diesem Freudenschrei kam die Ernüchterung. Die Texturen der Charaktere wirkten weniger detailreich, flacher. Klar, um viele Klassen besser beleuchtet, aber ich fühlte mich etwas betrogen, aber gut, wenn das der Preis für ein anständiges Beleuchtungssystem ist, dann muss ich das so hinnehmen. Einen richtigen Schock habe ich jedoch bei den Dialogen bekommen, diese haben nichts mit den Lippenbewegungen gemein und sind stellenweise so sehr verschoben, dass der Charakter schon den Mund geschlossen hat, während die Stimme munter weiterläuft. Das kann man weder schönreden, noch darf sich ein Titel wie Crysis das erlauben, ein Remastered erst recht nicht. Nun sind Shooter nicht für ihre Dialoglastigkeit bekannt, aber bei Crysis reicht es aus, dass man sich das ganze Spiel über immer wieder ärgern muss.

Sind wir in der Welt angekommen und dürfen die Steuerung übernehmen, fällt sofort auf, dass der Standartmodus des Nanosuit von „Panzerung“ auf „Kraft“ gelegt wurde, so weit nicht tragisch, jedoch verbraucht der Suit im Panzermodus permanent Energie. Es ist dabei egal ob auf uns geschossen wird oder nicht. Im Original war das anders und verändert das Gameplay enorm, warum diese Entscheidung getroffen wurde, ist mir schleierhaft. Zum einen ergibt es keinen Sinn, dass dieser Modus dauerhaft Energie zieht und somit weniger Schutz bietet als üblich, zum anderen weil dadurch im Falle eines Hinterhaltes eine unangenehme Mischung aus Deckung suchen, zurückschießen und Anzug umstellen entsteht. Eine weitere Änderung des Gameplays ist die reduzierte Bewegungsgeschwindigkeit, konnten wir früher noch laufen, joggen und rennen, so sind wir jetzt auf spazieren und rennen beschränkt. Auch fehlt eine dedizierte Taste um Granaten zu werfen, wir müssen diese jetzt wie jede andere Waffe anwählen, werfen und dann wieder zurück zu unserer Schusswaffe gehen. Dies nimmt unheimlich viel Tempo aus dem Spiel. Kam im Original noch ein Gefühl von Elitesoldat im Hightech-Anzug auf, so fühlt es sich jetzt an als ob wir als einfacher Soldat eine ganze Armee besiegen müssen, das typische Crysis Feeling wurde gekonnt unterbunden.

Die Welt an sich kann grafisch durchaus überzeugen, auch wenn man sich hier und da ein paar Schnitzer erlaubt, wie zum Beispiel schlechteres Bumpmaping als 2007 oder eine etwas zu helle Umgebung, die das Nachtsichtgerät sogar in Höhlen überflüssig macht. Leider wurde der Wind etwas zu stark reduziert wodurch sich die Flora nur noch halb so schnell im Wind wiegt. Die Reduzierung als solches begrüße ich durchaus, wirkte das Original stellenweise etwas nervös, so ist man hier allerdings über das Ziel hinausgeschossen und lässt die Welt etwas leblos erscheinen. Mir ist bewusst, dass diese Punkte noch unter die Kategorie „persönliche Präferenz“ fallen, ob einen das stört oder nicht muss jeder für sich selbst entscheiden. Fehler wie flimmernde oder falsch geladene Texturen sind mir im ganzen Spiel nur an einer Stelle begegnet, ein klarer Pluspunkt im Vergleich zum Original.

Der einzige Texturpatzer der mir begegnet ist.

Ein wenig Sorgen bereitet mir das Physiksystem, arbeitet es sehr gut bei Kollisionen von Fahrzeugen, einstürzenden Gebäuden und ähnlichem, so versagt es bei Gegnern total. 2007 blieben getötete Gegner liegen wie man es erwarten würde, selten kam es zu Patzern und die Gegner lagen auf dem Boden als wären sie wie Schaufensterpuppen umgefallen mit ausgestreckten Armen um die Waffe zu halten. Im Remastered ist dieser Fehler leider der Dauerzustand und ich habe keine Ahnung wie das der Qualitätssicherung entgehen konnte.

Typische Todesstellung eines Pixelsoldaten

Ein sehr großes Lob muss ich allerdings den Indoor-Leveln geben, diese sind vor allem durch die erheblich besseren Schatten um einiges schöner geworden und ich hatte meine Freude daran sie zu spielen, es fehlte einfach nichts. Was aber fehlte war das Level „Ascension“. Hierbei handelte es sich im Original um ein Fluglevel, welches das Finale des Spieles einläutet und einen nicht unerheblichen Teil der Spannung aufbaute. Es verdeutlichte, welcher Bedrohung und Übermacht man sich gegenüber steht. Stattdessen wird man in die nächste Cutscene geworfen die mit den Worten „Wie war ich?“ beginnt. Was damit gemeint ist, wird sich dem Crysis-Neuling vermutlich nicht erschließen.

Dieses Gewehr glaubt nicht an Gravitation

Bevor ich zu meinem Fazit komme, muss ich leider noch das Speichersystem ansprechen. Hier wurde das alte Konzept von Checkpoints und manuellem Speichern durch ein reines Checkpointsystem ersetzt. Leider wurden die alten Punkte übernommen, wodurch man stellenweise zu weit zurückgeworfen wird. Hier wäre das alte System klar im Vorteil gewesen, alternativ hätte die Neupositionierung der Checkpoints in Betracht gezogen werden müssen. Leider fängt das Spiel bei jedem Speichervorgang für ein paar Sekunden unspielbar an zu ruckeln, das war in 2007 nicht zeitgemäß und in 2020 erst recht nicht.

Was bleibt unterm Strich übrig von Crysis Remastered? Leider viele verschenkte Chancen diesem Spiel das Comeback zu bereiten, welches es verdient hätte. Grafisch nicht ganz auf der höhe der Zeit, dennoch wirklich sehr schön anzusehen. Einige Altlasten wie die Physik hätten nicht wieder auftauchen dürfen, stören aber nicht den Spielfluss. Die Zerstörbarkeit der Gebäude macht heute noch genau so viel Spaß wie vor 13 Jahren. Die Veränderungen des Gameplayes kann man als Modernisierungsversuch werten, bleiben jedoch hinter den Möglichkeiten zurück und machen alles nicht unbedingt besser.

Ich möchte betonen, dass Crysis Remastered kein schlechtes Spiel ist, viele der angesprochenen Punkte sind Meckern auf hohem Niveau. Eine uneingeschränkte Empfehlung kann ich jedoch, so gerne ich auch will, nicht geben. Wer noch nie Crysis gespielt hat und dies auf einer Konsole nachholen möchte, ist mit diesem Spiel gut bedient und wird seine Freude haben. Ein Veteran muss für sich entscheiden, ob er die oben angesprochenen Punkte verzeihen kann und einfach nach einigen Jahren wieder Nordkoreas Dschungel besuchen möchte.

Ich möchte, wie eingangs erwähnt, noch einmal darauf hinweisen, dass auf einer First Gen PS4 getestet wurde, die PS4 Pro bietet zusätzlich einen Resolution Mode mit dynamischer Auflösung zwischen 1440p und 4K und Software Ray Tracing. Die PC Version bietet weitere Grafikoptionen.

Vielen Dank an Crytek für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PlayStation 4.