Ghost of Tsushima (Review)

Eine Sache hat Sony diese Generation schon bewiesen: Auch wenn nicht jeder was mit den Exklusivspielen anfangen kann, so sind diese qualitativ hochwertig und durch die Bank weg gut bewertet worden. Einige wenige stört die mangelnde Diversität besonders bei den AAA-Titeln, da diese zumeist Third-Person Adventures sind. Dabei täuscht das Äußere, da sich die Spiele spielerisch doch stark unterscheiden.

Sucker Punch, einer der Firstparty-Entwickler von Sony, hat am Anfang der Generation mit Infamous Second Son bewiesen, dass er die PS4 im Griff hat und einen sehr guten Vertreter im Openworld-Genre hervorgebracht. Nun kommt nach langer Entwicklungszeit das neue Spiel von Sucker Punch, Ghost of Tsushima. Amerikaner, die ein Spiel in Japan entwickeln? Kann das gutgehen? Dieser Frage will ich in meinem Test nachgehen.

Ghost of Tsushima spielt im Jahr 1274. Die Mongolen unter der Führung von Khotun Khan starten eine Invasion auf die Insel Tsushima, die jedoch nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Eroberung des japanischen Festlandes ist. Die Insel ist im Spiel in 3 große Gebiete unterteilt und geschickt durch die Geschichte getrennt. Erst wenn der Spieler einen bestimmten Storyfortschritt erreicht, wird das nächstgelegene Gebiet freigeschaltet.

Die Entwicklung von Jin Sakai, unserem Protagonisten, beginnt bei der fundamentalen Vernichtung der japanischen Verteidigungsarmee am Strand, bei der Jin nur mit Hilfe von Yuna überlebt. Yuna ist eine Diebin und der erste Hauptcharakter, den wir überzeugen müssen, uns auf der Suche nach unserem Onkel zu helfen. Dieser wird von Khotun Khan in einer Burg fest gehalten, die für Jin erst mal unerreichbar ist. Zuallererst müssen wir vom Schlachtfeld entkommen, unser Schwert wiederfinden und uns an die neue Situation gewöhnen.

Am Tag beginnt die wahre Pracht der Spielgrafik. Ghost of Tsushima kommt praktisch ohne HUD aus, die Anzeigen sind im Großteil des Spiels somit nicht zu sehen und der Spieler kann sich ganz auf seine Umwelt konzentrieren. Und die sieht wirklich grandios gut aus! Besonders in HDR, zusammen mit der Lichtstimmung, dem Wind der uns den Weg zeigt und den bunten Farben lässt die PS4 ihre Muskeln spielen. Bei näherer Betrachtung ist mir zwar aufgefallen, dass die Texturen nicht so gut sind wie zum Beispiel bei The Last of Us Part 2, aber das trübt die Atmosphäre nicht im Geringsten. Ich bin sogar geneigt zu behaupten, dass das die beste Grafik ist, die ich bisher auf der PS4 sehen durfte, weil die ganze Komposition wie ein wunderschönes Kunstwerk wirkt.

Die musikalische Untermalung spielt sich eher im Hintergrund ab, ist jedoch sehr gut abgestimmt und unterstützt die malerische Spielwelt, statt diese wie in manch anderen Spielen zu konterkarieren. Auch die deutsche Synchronisierung ist über alle Zweifel erhaben, es wurden nur gute und passende Sprecher gewählt, die ihre Rollen im Spiel gelebt haben und diesen ihren Charakter geben.

Im Grunde geht es in Ghost of Tsushima nicht nur um die Befreiung der Insel und dem Vertreiben der Mongolen, sondern um die Entwicklung von Jin. Dieser ist dem Ehrenkodex der Samurai verpflichtet, die ehrenvolle Kämpfe führen und in Ehre sterben wollen. Jin merkt jedoch schnell, dass das den Mongolen in die Hände spielt, da diese jeden nur erdenklichen Trick nutzen, um ihren Feind gefügig zu machen oder gar zu vernichten. Khotun Khan hat vor der Invasion seinen Feind studiert und sich seine Schwächen zunutze gemacht, deswegen hatten die Japaner keine Chance, die Invasoren zu schlagen. Khotun Khan ist einer der eindrucksvollsten Antagonisten, die ich in Spielen bisher erlebt habe. Man klebt förmlich an seinen Lippen, er strahlt ein Charisma aus dass es schwer macht zu glauben, dass dieser Mann für so viele Tode verantwortlich ist.

Auch die anderen Charaktere im Spiel wirken gut ausgearbeitet, man leidet mit Ihnen, man verflucht sie, man trauert. Einige der wichtigsten Charaktere haben eine fortlaufende Storyline, die ähnlich wie bei Witcher 3 hervorragend geschrieben ist. Die Nebenquests fügen sich sehr gut ins Spiel ein und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich diese glatt mit der Hauptquest verwechseln.

Wie zuvor geschrieben greift Jin immer mehr auf andere Attacken zurück, seien es Stealthattacken von hinten, auf Gift, selbst Haftbomben spielen eine große Rolle. Wie es bei solchen Spielen üblich ist hat man natürlich nicht alle Fähigkeiten von Anfang an, vielmehr muss man sich diese verdienen. Durch Talentpunkte schaltet man Fähigkeiten frei, durch Beten an Fuchsschreinen verdient man sich mehr Entschlossenheit (die für Fähigkeiten, aber auch zum Heilen gebraucht wird) und durch Heilbäder steigert man die maximale Gesundheit. Je weiter man im Spiel voranschreitet, desto mehr Gewissensbisse plagen Jin. Mit seinen neuen Methoden ist er in der Lage, die Spielwelt zu verändern, verlässt jedoch den ehrenhaften Weg der Samurai, ein innerer Kampf, der sehr gut ins Spiel integriert wurde.

Jin kann sich auf der Insel größtenteils frei bewegen, es gibt jedoch keinerlei Minimap, keinen Kompass oder klassische Wegpunkte. Vielmehr orientiert man sich an prägnanten Punkten in der Spielwelt und kann dem Wind folgen, wenn man sich einen bestimmten Punkt auf der Karte raus gesucht hat. Fragezeichen tauchen erst auf, wenn sich Jin in der Nähe befindet oder ein mongolisches Gebiet befreit hat.

Das Kampfsystem ist nicht so anspruchsvoll wie zum Beispiel bei Sekiro, aber durch das fehlende Lock-On und schon auf normalem Schwierigkeitsgrad schnetzelt man sich nicht einfach nur durch Gegner durch, sondern muss auch parieren und ausweichen, seine Spezialwaffen wie die Kunai benutzen oder manchmal sogar auch wegrennen, wenn die Gegner Jin überrennen. Zusätzlich kann man noch verschiedene Kampfhaltungen freischalten, die jeweils starke Vorteile gegenüber verschiedenen Gegnern geben.

Es gibt viel Abwechslung in Ghost of Tsushima, neben dem Kämpfen, dem Erkunden und dem Sammeln kann Jin auch hervorragend klettern. Mit dieser Fähigkeit erklimmt man, anders als bei Breath of The Wild, Berge an vorgesehenen Stellen und hat sogar Geschicklichkeitsparcours, die meistens eine Belohnung beherbergen. Des Weiteren gibt es wie so oft einen ausbaubaren Röntgenmodus, mit dem man Gegner auch durch Wände sehen kann. Jin muss auch seine Detektivfähigkeiten beweisen und Hinweise auf den weiteren Verlauf finden. Auch kann man außerhalb von Kämpfen jederzeit sein Pferd zu sich pfeifen, was manch längeren Weg erleichtert.

Es gibt verschiedene Rüstungen und Bögen, die man wie sein Schwert und Messer mit Ressourcen bei diversen Händlern verstärken kann. Dies ist auf höheren Schwierigkeitsgraden auch absolut notwendig, damit man keine zu großen Probleme bei den Gegnern bekommt.

Das Gameplay ist im Grunde nichts Besonders, funktioniert jedoch sehr gut und die Steuerung ist sehr durchdacht, sodass man nur selten im Eifer des Gefechts den falschen Knopf drückt. Das Spiel mich bis zum Ende der Geschichte fasziniert, sogar so weit, dass ich es platiniert habe, weil ich einfach nicht genug von Ghost of Tsushima bekommen konnte. 

Zusammengefasst kann man sagen, dass die verschiedenen Facetten ihre Stärken und Schwächen haben, im Zusammenspiel jedoch gelingt hier Sucker Punch eines der meiner Meinung besten Spiele dieser Generation. Besonders die atemberaubend atmosphärische Spielwelt mit dem Licht- und Farbenspiel werde ich sehr lange in Erinnerung behalten.

Vielen Dank an Sony für die Bereitstellung des Testmusters.