Toree Saturn (Review)

Artwork und Logo zu Toree Saturn

Eine der lustigsten Clickbait-Überschriften im Jahr 2021 kam von Nintendo Life, als man im Zuge einer Spielevorstellung über Toree 3D als den Ein-Dollar-3D-Plattformer, der besser als Balan Wonderworld ist, sprach. Böse Zungen würden behaupten, dies wäre keine Kunst gewesen. Aber gleichzeitig würden diese Zungen in Abrede stellen, welch grandioses und spaßiges Spiel damals von Siactro und Diplodocus Games veröffentlicht wurde. In einem Jahr voller Highlights hat der kleine Vogel mit Jetpack in meinen Augen mit einigen ganz großen Titeln auf der Sympathie- und Qualitätsskala mithalten können. Die erste Skala dürfte Toree Saturn, welches morgen erscheint, ebenfalls mit Leichtigkeit sprengen können. Doch wie schaut es mit der Qualität des mittlerweile sechsten Toree-Abenteuers aus? Welch große Namen kann Toree in diesem Jahr hinter sich lassen?

Gekränkte Eitelkeiten in Toree Saturn

Zuerst einmal lässt unser flotter Vogel Toree seinen Konkurrenten Hawkee Staub schlucken. Selbstverständlich sind wir das schnellste Federvieh unter der Sonne, doch Hawkee sinnt auf Rache und vergreift sich zwei Jahre später mit seiner Privatarmee an sämtlichen  Eisvorräten der Stadt. Da ist definitiv eine rote Linie überschritten worden und wir schreiten zur Tat!

Fortan hüpfen und zischen wir in Toree Saturn durch die Level auf der Jagd nach Hawkee und seiner Bande. Mir gefiel wie bei den Titeln zuvor die subtile Form des Storytelling durch Animation und Artstyle, wodurch die wenigen Cutscenes eine erfrischende Pause zwischen den rasanten Leveln darstellen.

Und rasant sind sie! Die Level in Toree Saturn sind in der Regel auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt. Boosterflächen geben unserem gelben Vogel einen Kick, der ihn auf den Boden schneller rennen lässt. Und rote Ringe in der Luft lassen sich anvisieren und in bester Sonic-Manier rammen, um die Geschwindigkeit zu steigern. Zudem hat sich Siactro entschieden, das Laufen von Toree zu automatisieren. Kein lästiges Knöpfchen-Halten mehr, stattdessen sorgt R2 für einen Stampfer auf den Boden, der zusätzlichen Speed erzeugen kann. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis ich diesen Stampfer eingesetzt habe, da mir in der Hitze der schnellen Level die Tutorialschilder irgendwie abhanden gekommen waren. Stattdessen habe ich diese neue Bewegung erst Dank der Bonuswelt kennengelernt. Yeah, ich bin Blindfisch.

Leveldesign mit Wiederspielwert

Diese Bonuswelt schaltet sich erst frei, wenn wir in allen Level alles Eis gesammelt haben. Zugegeben, eine Privatarmee für jeweils drei Eis wirkt ein wenig übertrieben, aber Bösewichte müssen nicht immer rational agieren. In der Regel liegen diese Sammelgegenstände auf dem direkten Weg, ähnlich wie Sterne. Hin und wieder sind sie dies aber ebenso wenig, wie auch die kleinen Minispiele, die sich nach erfolgreichem Fund im Bonus-Hub von Toree Saturn auswählen lassen. Nette Extras, welche vor allem dazu dienen, alternative Kostüme freizuschalten.

Hier tut sich in meinen Augen eine kleine Schwäche von Toree Saturn auf. Die Level und auch deren Geschwindigkeit sagt mir sehr zu. Ganz speziell eines der späteren Level mit Tempel-Optik hat mir sehr gefallen, da mir hier das Terrain selbst Steine in den Weg legt, um meine Geschwindigkeit zu bremsen. Auch die anderen Level laden dazu ein, das nicht existierende Tempolimit auszureizen. Abseitige Geheimnisse sowie vereinzeltes Eis neben der Ideallinie wirken da nicht gänzlich stimmig im Gesamteindruck.

Screenshot aus Toree Saturn
Na schau mal einer an!

Auch die Schwierigkeit der Level, vor allem für das blanke Durchspielen, ist in meinen Augen ein kleineres Problem. Nach gerade einmal einer halben Stunde fand mein erster Durchgang den Weg in die Endcredits. Allgemein hatte ich das Gefühl beim Spielen, dass das Platforming anders als in den vorangegangenen Titeln nicht gänzlich an erster Stelle stand, sondern sich vielmehr dem Geschwindigkeitsrausch unterwerfen musste. Denn wenn man versucht, den Rang für die schnellsten Zeiten aufzusteigen, dann erst zeigt sich das wahre Potenzial von Toree Saturn. Erkundung oder präzises Hüpfen stehen dem eher entgegen, weswegen ich in den Level eher das Gefühl hatte, dass das Finden eines korrekten Pfades durch die boostenden Sequenzen im Zentrum steht.

Immer noch besser als Balan Wonderworld

So haben sich die wenigen Stunden abgewechselt darin, dass ich einerseits gerne Torres Animationen zuschaue oder dem tollen Soundtrack lauschen will. Und andererseits die Level mich wie an einer Schnur entlang ziehen und dabei viele nette Details übersehen lassen. Hier trifft wahrscheinlich das “falsche” Gameplay auf den “falschen” Spieler und mündet dann eher in einer Art von persönlicher Enttäuschung…wenn auch auf einem allgemein recht hohen Level.

Toree Saturn ist wieder ein allzu kurzes Vergnügen, vor allem wenn man sich eher nicht auf Speedruns als Langzeitmotivation als Spieler einlassen kann. Ich persönlich kann damit leben, weil sich im Franchise bisher andere Faktoren immer im Vordergrund gespielt haben. Toree Saturn konnte mich allerdings – anders als insbesondere Toree 3D – nicht dazu motivieren, meine Zähne an den Speed-Rängen auszubeißen. Abseits des Charmes der Welt und Figuren sowie des grandiosen Soundtracks, fand ich mich nach Durchspielen und Entdeckung aller Sammelgegenstände satt. Für mich persönlich ist das Speed-Gameplay von Toree Saturn in seinem Grundsatz verkehrt gedacht. Level sind weitestgehend eine Ansammlung von Brotkrumen (aka Boostern und Ringen), denen wir folgen müssen, um einen Flow vom Level diktiert zu bekommen. Anstelle diesen selber mit meinem eigenen Skill zu generieren. Reißerischen Clickbait gibt es so auf alle Fälle nicht von mir.

Eisvorräte auf Nintendo Switch 2 gerettet. Ein herzlicher Dank geht an Siactro und Diplodocus Games für die Bereitstellung eines Mustercodes.