
Karma wird gemeinhin als Situation bezeichnet, in der Dinge geschehen, die aus vorangegangenen Ereignissen resultieren. Religiöse Themen wie Tod und Wiedergeburt hängen ebenso peripher damit zusammen wie über Ecken der Schmetterlingseffekt. In Karma: The Dark World fällt das Wort zweimal. Eine Situation war stimmig und “Karma” hat in den Dialog gepasst. Dann brauchte das Spiel einige Stunden, um noch einmal Karma zu erwähnen…in einem komplett sinnlosen Kontext, der keinen Sinn zur Szene, dem Dialog oder dem gesamten Spiel ergab. Und so sinnig wie diese Statistik auf euch erscheinen möge, so sinnig war beim Anblick der Credits nach ungefähr fünf Spielstunden auch mein Eindruck vom Psycho-Horror-Adventure. Über Fragezeichen in meinem Kopf, die sich während des Spielens anwachsen, aufgelöst oder umgedreht haben.
Gefangen in Karma: The Dark World
Mir war im Vorfeld schon klar, dass Karma: The Dark World vermutlich keine leicht verdauliche Kost sein dürfte. Nicht aufgrund zu großem Ekel- oder Gewaltgrad, sondern aufgrund obskurer, surrealer Momente. Dies war schließlich auch ein Grund für mich, ins Spiel eintauchen zu wollen, denn ich liebe es sehr, wenn Videospiele versuchen, abstrakte Grenzen auszuloten. Get Even war ein solcher Fall beispielsweise und für das Village habe ich diesbezüglich bereits Observer: System Redux unter die Lupe genommen. Diese Titel haben mit Karma gemeinsam, dass sie stark mit den Realitäten der Protagonisten spielen. Schaut euch nur mal den Trailer des Spiels dazu an, dann wisst ihr ungefähr, worauf ich hinaus will:
Und unter diesem Aspekt hat Karma: The Dark World nicht enttäuscht. Das Adventure beinhaltet Elemente aus Horror, Fantasy, Science Fiction und Mystery mit einer Prise Kriminalfall und Kunststudie. Und der Name ist Programm: Es ist durchweg düster und deprimierend, denn bereits in den ersten Spielminuten erwachen wir ohne Erinnerung (welch wunderschön wiederkehrender Videospiel-Trope) an Kabeln angestöpselt in einer unheimlichen Fabrikanlage. Selbstverständlich suchen wir einen Ausweg und entdecken dabei zahlreiche andere Körper, die verstorben oder regungslos vor sich hinvegetieren.
Am anderen Ende des Gebäudes entdecken wir dann noch einen quicklebendig, alten Mann vor einer Reihe von Bildschirmen. Noch immer verwirrt von unserer Lage schafft er es dann, uns an einen Stuhl zu schnallen. Wir sollen unsere Erinnerungen finden, dann würden wir dem Mann auch helfen können. Okay, yeah? Wer hätte gedacht, dass dies noch nicht das Abstrakteste sein wird, was wir erleben werden.
Schrecklich langweiliger Schrecken
Denn der Kern von Karma: The Dark World spielt sich in diesen Erinnerungen ab. Wir sind Daniel McGovern, seines Zeichens Agent der Leviathan Corporation im Ostdeutschland der 70er Jahre. Unsere Firma hat die Kontrolle über die Gesellschaft übernommen und so sind ihre Augen und Ohren überall. Sogar direkt in den Köpfen der Menschen, denn diese zu erkunden ist unsere Aufgabe. Wir werden zu einem bizarren Fall in einer Forschungseinrichtung gerufen und sollen entsprechende Ermittlungen anstellen. Der Fall ist auf den ersten Blick komplex und verworren, vor allem wenn wir später mit mutmaßlichen Tätern unsere Gedanken verschmelzen, erscheint es richtig abstrakt.
Allerdings ist der Kriminalfall unter der Oberfläche von Karma: The Dark World nichts weiter als ein roter Faden, denn die eigentliche Geschichte dreht sich um unsere Identität, verloren geglaubte Erinnerungen und Schuld. Leider war die grundlegende Handlung selbst zu oberflächlich und die surrealen Level schafften es zu selten, mehr darzustellen als eine abstrakte Theaterbühne. Lediglich im Finale gibt es einen Moment, in dem ein tieferer Sinn der Handlung durchschimmert und sich die Tür in Richtung Demenz-Allegorie zu öffnen scheint. Allerdings ist mir jetzt auch Tage nach dem Abspann nicht klar, weshalb diese Allegorie dort eingeflochten wurde. Der Rest der Handlung spiegelte es kaum wider.

Stattdessen springt Karma: The Dark World hin und her zwischen den einzelnen Genre-Facetten. Horror ist sehr prominent und ich fand die Atmosphäre auch dementsprechend ansprechend. Allerdings verließ sich das Spiel weitestgehend auf Jumpscares, um Schrecken hervorzurufen, was eine einfache Methode ist…wenn man ihn nicht kommen sieht. Ich bin kein großer Fan von Horror, aber abgesehen von der ersten halben Stunde hat mich dieser aufgrund der sich stetig wiederholenden, vorhersehbaren Jumpscares kaum in Aufruhr versetzt. Auch die spärlich eingesetzten Schreckensbilder haben schnell ihre Wirkung verloren. Sie sehen hier und da zwar beeindruckend und bedrückend aus, wirken allerdings auch schon sehr ausgelutscht im Genre.
Ein Code für alle Fälle
Was bleibt sind die abstrakten Ideen im Leveldesign, die ich ganz ansprechend fand, aber ich in zahllosen Spielen bereits in ähnlicher Form und besserer Form gesehen habe. So mutieren wir in einer Szene in Papiergirlanden und beobachten unseren Flatterflug übers Meer. Sehr artsy.
Spielerisch hingegen gibt sich Karma: The Dark World auf alle Fälle alle Mühe. Weitestgehend erkunden wir die linearen Level und suchen Hinweise, welche uns der Wahrheit und unseren Erinnerungen ein Stück näher bringen. Briefe und andere Schriftstücke enthüllen Geheimnisse, die uns helfen und aus prekären Lagen befreien sollen. Und weil wir uns in unterbewussten Erinnerungen herumtreiben, können diese Lagen sehr surreal werden.
So fliehen wir beispielsweise ganz traumpsychologisch klassisch vor einem Monster, während sich die Gänge um uns herum ständig verändern. Wiederholende Loops von einem Gang in denselben Raum zurück und sogar eine Zeitschleife sind ebenfalls Teil unserer Ermittlungen. Dabei werden immer wieder mal Codes eingestreut, die es zu lösen gilt, um beispielsweise eine Schublade zu öffnen, in der sich eine Sicherung befindet. Solche Codes waren offensichtlich, aber passen meiner Ansicht nach gut dazu, Ermittlungen anzustellen. Vereinzelte Sammelgegenstände gehen sogar noch weiter. In kleinen Rätselboxen warten Zeichnungen auf uns, die logische Schlussfolgerungen erfordern. Nur wenn wir die richtige Lösung auswählen, gehört die Figur in jener Box uns. Liegen wir falsch…tja, dann bitte den Checkpoint neu laden oder nochmal von vorne anfangen.

Zudem versucht Karma: The Dark World immer wieder, das Geschehen durch die gegenwärtige Szenerie auch spielerisch zu variieren. Im späteren Verlauf gilt es, mit einer Kamera in eine andere Dimension zu blicken und Augen aufzuspüren. Ein Blitz später ist das Auge zerstört und in unserer Dimension passieren Dinge. Diese Mechanik entwickelt sich im Laufe immer weiter und wird final dann mit einer Art Bosskampf auf die Spitze getrieben. Gerne mehr davon!
Was bleibt von Karma: The Dark World in Erinnerung?
So bietet Karma: The Dark World definitiv mehr “Videospiel”, als wir von anderen Vertretern des Genres gewohnt sein dürften. Es ist hier definitiv nicht alles Gold, was glänzt. Die Fluchtsequenzen spielen sich beispielsweise hakelig, weil das Sprinten nicht immer so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Und manche Rätselräume wirken stark gelenkt. Ein solcher Raum war ganz besonders seltsam, da hatte ich keine Ahnung, was den Fortlauf ermöglicht hat. Ich glaube ein interner Timer, aber dieser wäre so gewaltig großzügig gewesen, dass ich den Raum in der verfügbaren Zeit achtmal auf den Kopf stellen konnte.

Karma: The Dark World hat mich daher oftmals ratlos zurückgelassen. Spielerisch waren es nette Stunden, auch wenn ich mir definitiv mehr Finesse gewünscht hätte. Der Horror war “zum Glück” für mich persönlich zu schwach und eindimensional, um vollends zu überzeugen und die Narrative war… schwer zu fassen? Definitiv schwer zu beschreiben, denn obwohl wir einem simplen Detektivplot folgen und viele Dinge vorhersehbar scheinen, ergeben etliche Dinge – gerade gegen Ende – kein stimmiges Gesamtbild mit der Inszenierung der Level und des Gameplays. So kann ich Karma: The Dark World im Grunde nicht empfehlen, euch aber auch schwer davon abraten, wenn ihr dieser Art Spiel zugeneigt seid. Und hinterlasse dabei wahrscheinlich das ein oder andere Fragezeichen über euren Köpfen.
Verloren gegangene Erinnerungen auf PlayStation 5 aufgespürt. Ein herzlicher Dank geht an Pollard Studios und Wired Productions für die Bereitstellung eines Mustercodes.