Paper Mario hat in den letzten Jahren eine kleine Identitätskrise durchlaufen. Bedingt durch die parallel laufende RPG-Reihe Mario & Luigi hat Intelligent Systems sich bemüht, die Reihe ein wenig von den reinen RPG-Wurzeln zu differenzieren und auf verschiedene Weise mit dem Konzept experimentiert – nicht immer zur Freude der Serienfans. Paper Mario: The Origami King nähert sich wieder ein wenig an die ersten beiden Teile der Reihe an, geht aber gleichzeitig seinen eigenen Weg.
Das Leben in der Papierversion des Pilzkönigreiches wird durch das Auftreten eines neuen Königs mächtig durcheinandergewirbelt. Mit Bowser können Mario, Luigi und Peach schon lange gut umgehen, doch Prinz Olly ist eine gänzlich neue Gefahr für die flachen Helden. Der Origamikönig nimmt kurzerhand den Pilzpalast ein, entführt, wie könnte es auch anders sein, im Vorbeigehen Prinzessin Peach und düpiert sogar Bowser, der eigentlich gerne selbst der Prinzessin habhaft geworden wäre. Mit der Unterstützung von Ollys liebenswerter Schwester Olivia macht Mario sich nun auf, das Pilzkönigreich von der Tyrannei des Origami Königs zu befreien.
Das wesentliche Ziel in Paper Mario: The Origami King ist es, fünf Luftschlangen zu lösen, die sich um das Schloss der Prinzessin gewickelt haben und so den Zugang verschließen. Diese fünf Luftschlangen strukturieren die Spielwelt in fünf Hauptgebiete, die im Gegensatz zu den letzten Paper Marios auf natürliche Weise miteinander verbunden sind, so dass in The Origami King auf eine Oberweltenkarte verzichtet werden kann. Einzig im Pausemenü kann man zum Einsehen der Statistik eine Repräsentanz der Spielwelt über eine Weltenkarte einsehen.
Der Spielablauf ist in den fünf Hauptgebieten grundsätzlich sehr ähnlich. Zunächst erkundet man ein neues Oberweltgebiet, um Zugang zu einem ersten Dungeon zu erhalten, in dem man eine neue Fähigkeit für Olivia erhält, um anschließend einen zweiten Teil der Oberwelt zu erkunden und Zugang zu einem zweiten Dungeon zu erhalten, an dessen Ende die Luftschlange des jeweiligen Gebietes zu kappen ist. Die Oberweltgebiete konzentrieren sich weitgehend auf Erkundungsaufgaben und optionale Sammeleien, immer wieder unterbrochen von Kämpfen gegen kleinere Gegner. Die Dungeons hingegen bieten eine Vielzahl kleiner Rätsel und schließen jeweils mit einem großen Endgegnerkampf ab. Die Rätsel sind zwar nicht übermäßig anspruchsvoll, machen aber Spaß und nutzen die Mechaniken des Spiels auf kreative Weise.
Hinsichtlich der Kämpfe hat Intelligent Systems aus der Kritik an den Vorgängerspielen Sticker Star und Colour Splash gelernt. Einfache Sprung- und Hammerangriffe sind nicht mehr an Verbrauchsgegenstände geknüpft, sondern können uneingeschränkt eingesetzt werden. Es gibt allerdings Items im Spiel, die beispielsweise einen Stachel-resistenten Sprung erlauben oder einen stärkeren Hammerschlag, die nur endlich oft einsetzbar sind. Diese Items erleichtern die Kämpfe teilweise erheblich, allerdings spielen sie in den Endgegnerkämpfen eine absolut untergeordnete Rolle und es ist ohne Frage möglich, nur mit den Standardangriffen beinahe jeden Kampf im Spiel erfolgreich zu absolvieren. Ein einziger Kampf ist mir in Erinnerung geblieben, der nach meinem Dafürhalten den Einsatz eines Kampf-Items erfordert hat.
Die Kämpfe sind demnach dem Ablauf nach größtenteils sehr ähnlich zu denen in den ersten drei Paper Mario-Spielen, allerdings gibt es eine große Besonderheit. Das Kampffeld ist nämlich in einem Ringmuster angeordnet, auf dem die Gegner verteilt sind. Zu Beginn einer jeden Runde kann Mario die Ringe rotieren oder schieben, um in einer begrenzten Zahl an Zügen möglichst viele Gegner in praktischen Gruppen anzuordnen, die möglichst viel Schaden auf einmal erlauben. Interessant ist dabei, dass es stets möglich, aber beileibe nicht immer offensichtlich ist, alle Gegner in Gruppen maximaler Größe anzuordnen. Gelingt einem das, erhält man einen Bonus auf die Angriffsstärke, so dass man in vielen Fällen Kämpfe mit nur sehr wenigen oder sogar gar keinen gegnerischen Angriffen absolvieren kann.
Das Ringsystem wird besonders umfangreich in den kreativen und wirklich gelungenen Endgegnerkämpfen verwenden und gibt den Kämpfen einen nicht unerheblichen Rätselcharakter. Die verschiedenen Stärken und Schwächen der Gegner sorgen zudem dafür, dass man neben der reinen Gruppierung auch noch strategische Überlegungen hinsichtlich der Zusammenstellung der Gruppen anstellen muss. Letzterer Aspekt spielt bei Endgegnern eine untergeordnete Rolle, dafür sind die Möglichkeiten für besonders effektive Angriffe, die teilweise über mehrere Runden vorbereitet werden wollen, besonders wertvoll.
Abermals verzichtet Intelligent Systems komplett auf ein Erfahrungspunkte-System. Die Kämpfe werden einzig mit Münzen entlohnt, die man einsetzen kann, um Hilfsitems zu erstehen oder aber Upgrades zu kaufen, die beispielsweise die Reaktionszeit beim Anordnen der Ringe erhöhen oder aber die Lebensenergie im Kampf erhöhen – und damit auch in jeder Runde einen kleinen KP-Boost geben. Das System hat Vor- und Nachteile. Auf der Habenseite verzichtet The Origami King so komplett auf Grinding und Fleißarbeit um im Kampf zu bestehen, zudem haben die Entwickler die Stärke Marios – abgesehen von den kleinen angesprochenen Boostern – unter Kontrolle. Auf der anderen Seite können Kämpfe gegen sich wiederholende Gegner sich unzufriedenstellend anfühlen, da man keine nennenswerte Belohnung erhält. Zum Spielende hatte ich beispielsweise trotz großzügiger Ausgaben im letzten Spielabschnitt noch über 100.000 Münzen auf dem Konto. Allerdings kann man den Gegnern in der Spielwelt zu großen Teilen ausweichen, so dass das in meinen Augen die Vorteile nicht überkompensiert.
Paper Mario: The Origami King hat zahlreiche Aufs und Abs, denn die reine Weltenerkundung kann stellenweise schon sehr ermüdend sein, wohingegen die Dungeons zuverlässig gut unterhalten. Nach einem etwas zähen Start überwiegen die starken Momente im Spiel aber bei weitem. Das Rotationssystem in den Kämpfen ist eine frische Idee, die im Gegensatz zu vielen Ansätzen der letzten beiden Paper Marios auch tatsächlich gut funktioniert und der Humor in den Charakter-Interaktionen lockert das Spiel zuverlässig auf. In meinen Augen ist The Origami King das zweitbeste Paper Mario und insofern eine Rückkehr zur alten Form.
Getestet auf Nintendo Switch.