Fire Emblem: Genealogy of the Holy War (Review)

Als mit Fire Emblem für den Game Boy Advance erstmals ein Titel der gleichnamigen Reihe hierzulande erschienen ist, war die Serie in Japan längst etabliert. Erst mit dem siebten Teil hat Fire Emblem den Sprung in den Westen geschafft. Ein wichtiger Entwicklungsschritt für die Reihe wurde auf dem Super Nintendo mit dem vierten Teil Fire Emblem: Genealogy of the Holy War gemacht. Viele Systeme, die die Reihe bis heute bestimmen, haben in diesem Titel ihren Anfang genommen, insbesondere das Waffendreieck und die Paarung von Charakteren.

In Fire Emblem Genealogy of the Holy War wird die Geschichte eines Kontinent-überspannenden Krieges auf dem Kontinent Jugdral erzählt. Dieser Krieg zieht sich über zwei Generationen von Kämpfern und hat, gemessen an modernen Fire Emblem-Spielen einen sehr düsteren Ton. Seien es Kinderjagden, story-bedingte Tode von Hauptcharakteren oder die massenhafte Tötung von Zivilisten, Fire Emblem: Genealogy of the Holy War schreckt nicht davor zurück, die Grausamkeiten des Krieges ausdrücklich darzustellen, was zu dem beinahe fröhlichen Anime-Stil der heutigen Fire Emblems wie Three Houses in einem deutlichen Kontrast steht. Wie gewohnt wird die Geschichte über Textboxen und Charakterporträts vor schön gezeichneten Hintergründen vorangetrieben und ist sehr wortreich. Auf Wunsch kann man die Gespräche mit Druck auf den Startknopf überspringen. Da das Spiel ausschließlich in Japan erschienen ist, sind die Texte natürlich auf Japanisch, allerdings gibt es seit einigen Jahren eine qualitativ hochwertige englische Fanübersetzung. Diese hat den Nachteil, dass sie auf Grund ihrer Größe nur schwierig auf Originalhardware gespielt werden kann, stellt aber einen großen qualitativen Fortschritt im Vergleich zu der älteren Fanübersetzung dar. Dieses Review basiert auf der aktuellen Version der Project Naga-Übersetzung.

Spielerisch werden Fire Emblem-Fans sich sofort wie zu Hause fühlen, denn die Grundzüge der wesentlichen Mechaniken der Reihe wurden mit Fire Emblem: Genealogy of the Holy War etabliert oder fortgesetzt. Später hinzugekommene Mechaniken variieren von Teil zu Teil, so dass es abseits des erzählerischen Tons nur wenige klare Indikatoren gibt, dass dieses Spiel bereits fast dreißig Jahre alt ist. Das Gameplay in Fire Emblem: Genealogy of the Holy War besteht ausschließlich aus rundenbasierten Schlachten, die aus der Vogelperspektive auf einer Karte stattfinden, die in ein Raster von Quadraten unterteilt ist. Die Spielercharaktere und die gegnerischen Charaktere werden jeweils in einer Phase zusammenhängend bewegt, wobei eine Runde im Spiel jeweils aus einer Spielerphase gefolgt von einer Gegnerphase besteht.

In der Spielerphase bewegt man seine Spielfiguren in beliebiger Reihenfolge über die Karte und kann, wenn man sie in Reichweite eines Gegners positioniert, den Gegner angreifen. Berittene Einheiten, die in Fire Emblem: Genealogy of the Holy War eine große Rolle spielen, können, wenn sie ihren maximalen Bewegungsradius beim Angriff nicht bereits ausgenutzt haben, nach dem Angriff noch einmal ihre Position justieren. Neben den Charakterwerten wie Angriff, Verteidigung und Geschwindigkeit spielen die gewählten Waffen eine große Rolle im Kampf. Die Angriffsfähigkeiten teilen sich zunächst einmal grob in drei Kategorien: Physische Angriffe, magische Angriffe und magische Stäbe, mit denen man beispielsweise negative Statuseffekte hervorrufen kann, oder aber – die wohl wichtigste Verwendung von Stäben – seine eigenen Charaktere heilen kann.

Zusätzlich unterteilen sich die physischen und magischen Angriffe noch in mehrere Typen, die jeweils Stärken und Schwächen gegenüber anderen haben. Besonders wichtig ist hier das Waffendreieck: Schwerter sind im Vorteil gegenüber Äxten, die Vorteile gegenüber Lanzen haben, die wiederum gegen Schwerter das Mittel der Wahl sind. Jeder Charakter hat eine individuelle Auswahl an Waffentypen, die er führen kann, allerdings ist das in Genealogy of the Holy War nicht einmal die entscheidendste Einschränkung. Anders als in vielen anderen Teilen der Reihe sind Waffen hier nämlich absolute Mangelware. Neben den Waffen, die ein Charakter mitbringt, kann man noch eine Hand voll Waffen an verschiedenen Stellen im Spiel finden – insbesondere als Geschenk aus geretteten Dörfern – aber es gibt keine Händler, die bereitwillig beliebige Waffen verkaufen würden.

Stattdessen bieten die Händler nur diejenigen Waffen zum Kauf an, die man zunächst an sie verkauft hat. Die Charaktere können ihre Waffen auch nicht untereinander tauschen und jeder Charakter besitzt ein individuelles Budget, so dass man nicht einmal das Geld unter den Charakteren teilen kann. Insofern ist ein planvolles Vorgehen beim Retten von Dörfern entscheidend, damit man nicht mit einem unbrauchbaren Charakter dasteht, wenn dieser seine Waffen aufgebraucht und kein Geld für die Reparatur hat. Im Gegenzug ist es allerdings so, dass aufgebrauchte Waffen nur in einen beschädigten Zustand wechseln, statt verloren zu gehen und dann mit geringerer Angriffsstärke weiterverwendet und gegen Zahlung eines der Stärke der Waffe entsprechenden Obolus repariert werden können.

Ich habe im Verlauf des Spiels nur einmal finanzielle Probleme mit einem Heiler gehabt, ansonsten hat sehr moderate Aufmerksamkeit hinsichtlich der finanziellen Verteilung gereicht, um stets einsatzbereit zu sein – und mit den stärksten Waffen auch nicht knausern zu müssen. Im Vergleich zum klassischen System, in dem man aus einem großen Pool an Waffen wählen kann, bevorzuge ich das Genealogy-System, allerdings ist die Reparatur von Waffen abseits der grundsätzlichen Möglichkeit, sein Geld aufzubrauchen, spielerisch weitgehend unerheblich und ein wenig lästig, da man in der ersten Runde eines jeden Kampfes erst einmal alle seine Waffen manuell reparieren muss. Hier wäre zumindest eine einfache Option, alle Waffen gemeinsam soweit möglich zu reparieren, wünschenswert gewesen.

Die große Besonderheit von Genealogy of the Holy War ist allerdings die Größe der Levelkarten. Diese sind nämlich um ein Vielfaches größer als in allen anderen Fire Emblem-Spielen und wenngleich das Spiel mit zwölf Missionen ungewöhnlich kurz erschienen mag, ist das gar nicht der Fall, sondern es wird einfach nur sehr viel Zeit auf jeder einzelnen Karte zugebracht. Das bedeutet jedoch nicht, dass Genealogy of the Holy War enorm unübersichtlich wäre. Die Missionen verlaufen jeweils in Wellen, so dass man nach und nach die verschiedenen Schlösser einer Karte einnehmen muss. Nur selten hat man dabei die Wahl der Reihenfolge, denn neutrale Einheiten blockieren über weite Teile des Spiels den Zugang zu späteren Kartenabschnitten, bis man die jeweils vorherigen Schlösser eingenommen hat. In diesem Sinne enthält eine Mission in Genealogy of the Holy War also konzeptuell mehrere Missionen eines anderen Fire Emblem-Spiels.

Allerdings kommt dieses System sowohl mit Vor- als auch Nachteilen daher. Zunächst einmal wäre da die erschlagende Dauer einer Mission. Meistens dauert eine Mission an die hundert Spielrunden und damit mehrere Stunden. Dass das mit dem üblichen etwas rücksichtslosen System der Fire Emblem-Spiele schwer vereinbar ist, haben die Entwickler offenbar auch eingesehen und das mit einem äußerst großzügigen Speichersystem (über-)kompensiert. Nac jeder einzelnen Spielrunde kann man speichern, wobei man unbedingt darauf achten sollte, mehrere Spielstände zu verwenden, wenn man sich entscheidet, in den Missionen zu speichern, da es durchaus passieren kann, dass man sich versehentlich in eine aussichtslose Situation speichert. Doch trotz einiger Nickeligkeiten wie insbesondere kurzfristige Angriffe auf das Heimatschloss: Das Speichersystem schränkt die Notwendigkeit der allzu exakten Planung der einzelnen Züge schon stark ein. Es ist sogar plausibel, einzelne Runden etwas zu variieren, um bessere Ergebnisse bei den Würfelereignissen zu Treffern und Volltreffern zu erzielen.

Ein entscheidender Nachteil des Kartensystems in Fire Emblem: Genealogy of the Holy War ist der Umstand, dass man sehr große Distanzen überbrücken muss. Immer wieder ist es notwendig, von einem Ende der Karte zum anderen zu gelangen und in vielen Fällen muss man sich dazu sogar über Untergründe bewegen, die die Bewegungsgeschwindigkeit arg drosseln. Da es in Genealogy of the Holy War noch keine Möglichkeit gibt, die Animationen auf der Karte zu überspringen, wird da die Geduld des Spielers schon einige Male arg auf die Probe gestellt. Immerhin, in der zweiten Spielhälfte werden die Missionen etwas linearer, so dass man seltener zwischen verschiedenen Enden der Karte wechseln muss. Auf der Haben-Seite wird die Größe der Welt und ihr Zusammenhang durch das Kartendesign deutlich präsenter und man kann sogar eine vollständige Karte Jugdrals erhalten, indem man die Karten der Einzelmissionen nebeneinandersetzt.

Die eigentlichen Kämpfe sind unterhaltsam, haben aber längst nicht die Varianz sei es in den Mechaniken, Zielsetzungen oder Umgebungseffekten, die beispielsweise Fire Emblem Fates oder Fire Emblem Engage bieten können. Nichtsdestotrotz ist es den Entwicklern gelungen, immer wieder gut abgestimmte Nadelöhre und oder Effektfelder zu positionieren, um die Kämpfe strategisch aufzuwerten. Gut gefallen hat mir der Druck, zügig zu agieren, der durch zu rettende Dörfer oder flüchtende Zivilisten geschaffen wird. Das sind zwar jeweils optionale Zusatzziele, die aber durchaus motivierend sind.

Hinsichtlich der Erfahrungspunkte ist Genealogy of the Holy War moderat strikt. Das heißt, es gibt keine optionalen Karten oder unendliche Nachschublinien, aber es gibt die Arena, die in jeder Karte für jeden Charakter eine Reihe von Trainingskämpfen anbietet. Hiermit kann man sich allerdings nur kurzzeitig einen Vorteil verschaffen, niemand wird zum Grinding gezwungen. Insbesondere ist es so, dass ich durch das im Vergleich zu späteren Fire Emblem-Spielen niedrige Maximallevel von 30 auch ohne die Arena zu nutzen, am Ende des Spiels eine reichhaltige Auswahl an Charakteren hatte, die das Maximallevel erreicht haben. Tatsächlich hat mehr als die Hälfte meiner Kämpfer am Ende ihr Maximallevel erreicht.

Optisch ist Fire Emblem: Genealogy of the Holy War sehr gut lesbar und ist bereits nah an der Darstellung, die später auf dem Game Boy Advance verwendet wurde. Die Charakterporträts, Karten und Hintergrundbilder sind sämtlich sehr ansehnlich und die kleinen Spielfiguren auf der Karte zwar detailarm, aber differenziert genug, dass man sich schnell einen Überblick über seine Einheiten verschaffen kann. Umfangreiche Statistikbildschirme sorgen dafür, dass man den Einsatz und das Training seiner Einheiten im Kampf effektiv planen kann. Auch musikalisch wird gute Koste geboten.

Fire Emblem: Genealogy of the Holy War hat sich um die Reihe sehr verdient gemacht und ist durch seine riesigen Karten bis heute eine Besonderheit in der Reihe. Allerdings gehen hiermit auch viele spielerische Durststrecken einher, die sich durch langwieriges Laufen über die Karte oder etwas überzogene Längen von Gegnerphasen auszeichnen. Insgesamt ist Genalogy of the Holy War ein ordentliches Fire Emblem, das auch in Kenntnis späterer Teile noch eine gute Wahl ist, sich aber mit der Spitze der Reihe nicht messen kann. Übrigens ist Fire Emblem: Genealogy of the Holy War als Teil des Nintendo Online Abos über die japanische Super Nintendo-Software verfügbar – allerdings natürlich im Original in japanischer Sprache.

Getestet auf Super Nintendo.