Erwartungen können manchmal ganz schön seltsam sein. Von manchen Spielen erwartet man viel und bekommt noch viel mehr. Von anderen Spielen erwartet man wenig und wird dennoch enttäuscht. Oft entwickelt sich im Vorfeld irgendeine Vorstellung davon, wie sich etwas genau präsentieren wird. Und je nachdem wie dieses Bild getroffen wird…ihr versteht das Konzept. Und dann gibt es Fälle wie Leximan. Wo meine Erwartungen ein komplett anderes Bild gezeichnet haben, als ich in den letzten knapp zehn Spielstunden im Endeffekt gespielt habe. Leider nicht zum Vorteil für das zauberhafte Adventure.
Leximan und die zauberhafte Welt der Worte
Taten sagen meist mehr als Worte, doch in Leximan sind Worte unser mächtigstes Werkzeug. Als junger Zauberlehrling ohne jede Erinnerung treten wir eines Tages vor die Türe einer magischen Akademie. Doch ihr Direktor Elementine ist uns und unserer Wortzauberkunst ganz und gar nicht aufgeschlossen gegenüber. Zu chaotisch, zu gefährlich und mit viel zu wenig Potenzial – als wir dann unsere letzte Chance auch noch verpassen…kein Wunder, dass wir in den Keller zu anderen ausgestoßenen Lehrlingen kommen. Doch dort beginnt unser Abenteuer erst so richtig!
Und dieses Abenteuer hat es zu Beginn in sich. Leximan hat einige sehr sympathische, teils skurrile Figuren, die uns schnell ans Herz wachsen können. So ist für mich nicht nur wegen des eher minimalistischen Grafikstils, der mir persönlich nicht so gut gefallen hat, oftmals Undertale als Referenz eingefallen. Doch während das Rollenspiel von 2015 nicht umsonst zu einer Sternstunde der Indieszene mutiert ist, fehlt Leximan das gewisse Etwas. Dieses ist zu Beginn auf alle Fälle enthalten. Die Geschehnisse, Dialoge und Ideen, Plotwirrungen und Charakterzeichnungen innerhalb der Akademie sind wirklich klasse. Und machen Lust auf mehr.
Leider folgen nach diesem ersten Akt noch drei weitere. Während die Charaktere weiterhin gut geschrieben sind und neue Figuren gut passen, flacht die Welt und die erzählte Geschichte zusehends ab. Es wirkt beinahe so, als wäre kein roter Faden im Vorfeld erdacht worden, um die Narrative von Leximan rund zu machen. Dabei sind es doch gerade die Worte, die von größter Bedeutung in Leximan sein sollten.
Ein Gameplayloop, zu gut, um beibehalten zu werden
Mit unserem Lexicon sind wir nämlich furiose Wortmagier, was sich im spielerischen Kernelement von Leximan deutlich widerspiegelt. Einerseits gibt es Duelle mit anderen Wesen. In denen stellt uns das Spiel vor Probleme, die es kreativ zu lösen gilt. Silben fliegen dann durch den Bildschirm und wir müssen die korrekten Worte bilden. Aber was heißt schon korrekt? Manche Lösung kann zu unerwarteten Erfolgen oder einem großen Debakel werden. Diese Duelle sind im ersten Akt unglaublich spaßig und die mehrfachen Lösungswege erlauben uns zahlreiche Pfade, wie wir diese angehen wollen.
Zusätzlich gibt es Beschwörungen in der Welt von Leximan zu entdecken. Diese können uns mehr oder weniger hilfreich zur Seite stehen, um die Level des Spiels erfolgreich zu erkunden. Ein Feuerzauber auf eine Tür und schon geht es in ein verborgenes Gebiet. Diese Möglichkeiten sind allerdings nur möglich, wenn wir magische Kräfte an Ort und Stelle spüren. Dann können wir allerdings anhand einer virtuellen Tastatur frei Begriffe eingeben. Ich hatte allerdings weitestgehend nicht das Gefühl, dass abseits der auffindbaren Beschwörungen andere Worte sinnvoll waren.
Aber auch hier gilt: Akt 1 in der Akademie war richtig gut und das Potenzial von Leximan an allen Ecken spürbar. Duelle waren witzig und kreativ, die Beschwörungen wurden regelmäßig und sinnvoll eingebunden. Und dann verliert sich das Indie-Adventure. Die Duelle traten nach dem ersten Akt mehr und mehr in den Hintergrund. Sie verschwinden nie vollständig, doch oft fehlt ihnen der Esprit des Beginns. Zudem offenbarte sich hier schnell eine Schwäche des Systems. Aufgrund der Silben-Nutzung mag vielleicht die Zugänglichkeit verbessert sein, allerdings erforderten so die meisten Duelle auch keine allzu große Anstrengung. Vor allem im letzten Akt wurde das Duell-System nahezu komplett über den Haufen geworfen.
Ungenutztes Potenzial
Es ist definitiv bedauerlich, dass Leximan sein einzigartiges Gameplay-System so früh fallen ließ. Ich könnte jetzt mutmaßen, dass Knights of Borria nie wirklich gelungen ist, das Element sinnvoll weiterzuentwickeln. Stattdessen entfaltet sich ein Sammelsurium an einzelnen Minispielen, die mehr und mehr die Kontrolle über das Spiel übernehmen. Vor allem der zweite Akt ist meiner Ansicht nach sehr auffällig geworden. Hier wandern wir quasi von Sequenz zu Sequenz, die nicht wirklich unserer Wortmagie entsprechen, sondern ein komplett anderes Gameplay erfordern. Verflucht sei dieses Auto beispielsweise!
Der dritte Akt wird dann vollends zu einem Item-basierten Adventure, weil uns dort die Wortmagie gar nicht zur Verfügung steht. Leximan schleicht auf diese Weise von Moment zu Moment und wurde mir persönlich immer egaler. Nicht, dass Leximan schlecht wäre, aber ich wollte das Wortgameplay ausgereizt sehen, kreative Lösungen suchen und nicht ein bereits tausendfach durchgekautes Konzept vorgesetzt bekommen. Dass dann im letzten Akt das Spiel dann wieder einen 180° macht und sein Gameplay verändert, wirkte dann – vor allem wenn man die inhaltliche Entwicklung bedenkt – aufgesetzt.
Ich bin bei Leximan definitiv ein Opfer meiner eigenen Erwartungen geworden. Diese wurden zu Beginn vollends erfüllt, denn die magische Akademie und seine Einwohner sind toll, der Humor überdreht und das Kerngameplay ungemein kreativ. Und wenn das Spiel genau so geblieben wäre – also im Grunde wie alle Trailer es im Vorfeld auch gezeigt haben – wäre Leximan eindeutig ein Geheimtipp für mich in 2024. Doch die Abkehr von seinen Tugenden, die etwas ziellose Narrative und das immer banalere Gameplay konnten auch durch die einzelnen kleinen Blitze in Humor und Spielidee, die kurz auf den Bildschirm zuckten, nicht wettgemacht werden.
Silbentrennung magisch auf Steam Deck vollführt. Ein herzlicher Dank geht an Marvelous Europe und Knights of Borria für die Bereitstellung eines Mustercodes.