Die Lebewesen eines sterbenden Planeten zu retten, ist ein hehres Ziel. Oder nicht? Das Action-Adventure Creatures of Ava entführt mich auf einen unfassbar farbenfrohen Planeten voller Leben, das jedoch von einer mysteriösen Infektion bedroht wird.
Das Welken
Die Bewohner des Planeten Ava nennen diese Infektion Welken. Rote Ranken mit großen Blüten versperren Wege, saugen dem Planeten die Kraft aus und machen die Fauna aggressiv. Besonders die Farbe hat mich erst einmal sehr an die Plage aus Horizon Forbidden West erinnert. Doch das Welken ist hier eine Bedrohung, die sich spürbar weiterentwickelt. Je weiter die Protagonistin und Naturforscherin Vic in ihrem Vorhaben, die Welt (oder wenigstens die Tiere und Bewohner) zu retten, desto weiter schreitet das Welken voran. Die trostloser werdende Atmosphäre ist fast greifbar. Creatures of Ava nutzt die wechselnde Intensität von Farben auf beeindruckende Weise aus. Einzig die größte Ortschaft des Planeten ist visuell ein wenig überladen. Da helfen Minikarte und Questmarker allerdings gut aus.
Vic
Wie Jade in Beyond Good & Evil, fotografiert auch Vic und “kämpft” mit einem Stab. Von den Tieren kann sie Fotos im gesunden und im infizierten Zustand machen. Das enthüllt einige Informationen in der Avapedia. Diese füllt Vic auch durch versteckte Objekte, die oft hinter kleinen Rätseln oder Platforming-Aufgaben stecken. Außerdem kommt sie einigen Geheimnissen auf die Spur.
Vic hat auch eine dramatische Hintergrundgeschichte. Leider habe ich die erste Szene gleich richtig interpretiert, weshalb die spätere “Auflösung” für mich nicht funktioniert hat.
Die “Kämpfe” bestreitet Vic mit einem Artefakt, das besondere Fähigkeiten hat. Hauptaufgabe des Stabes ist das Zurückdrängen des Welkens. So kann sie die Ranken in der Umgebung durch die Blüten entfernen, aber auch die Infektion der Tiere heilen.
Erst hatte ich die Befürchtung, das Heilen der Infektionen wäre zu passiv. Das System funktioniert ähnlich wie das Aufsaugen von Geistern in Luigi’s Mansion, allerdings versuchen die Tiere nicht, zu fliehen. Entsprechend muss ich nicht gegensteuern, wenn Vic einen Strahl aus dem Stab abfeuert. Im Gegenteil, wenn ich mich dadurch zu weit vom infizierten Tier entferne, bricht die Verbindung sogar ab.
Doch da die Infektionen die Tiere aggressiv machen, muss ich stattdessen Angriffen ausweichen oder über sie hinwegspringen. Dabei hat Vic eine Ausdauerleiste, die ich im Blick behalten muss. Sonderlich fordernd werden die Kämpfe dennoch selten. Und wenn, dann eher dadurch, dass ich nicht ausreichend Heiltränke im Inventar habe, wenn Vic wieder einmal von einem zu hohen Absatz heruntergesprungen ist. Das lässt sich allerdings einfach vermeiden, wenn man nicht wie ich zu Abstürzen neigt.
Außerhalb von Kämpfen verbraucht Vic praktischerweise keine Ausdauer. Das bedeutet, dass ich dauerhaft rennen oder springen kann, ohne ständig abbremsen zu müssen.
Platforming
Das Platforming in Creatures of Ava ist überraschend ausgearbeitet, auch wenn es nie wirklich komplex wird. Die Gefahr von Abgründen habe ich bereits erwähnt, auch wenn sie eine untergeordnete Rolle spielt. Einige Lücken kann Vic nur aus dem Rennen heraus überwinden, was mir unnötigerweise Sorgen bereitet hat, da die Abstände gut abgepasst sind, um auf der anderen Seite sicher zu landen.
Zudem kann Vic im Verlauf neue Fähigkeiten nutzen, um etwa Plattformen temporär anzuheben und dadurch voranzukommen. Zudem kann sie die Hilfe der Tierwelt in Anspruch nehmen, um Blöcke zu verschieben oder Brücken herunterzuladen.
Leider ist mir an mehreren Stellen aufgefallen, wie Blüten oder Brücken nicht vorhanden waren, weil ich an dieser Stelle noch nicht vorankommen sollte. Eine Stelle ist besonders deutlich. Dabei habe ich das Welken an zwei Stellen zurückgedrängt und eine Tür freigelegt. Als ich später erneut an diese Stelle gegangen bin, war ein Loch in der Tür, damit Vic hindurchgehen kann.
Avas Kreaturen
Bewohnt wird Ava von den Naam, die sich je nach Region optisch und charakterlich unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen jedoch die Verbindung mit dem Planeten. Vic selbst ist diese Verbindung fremd, weshalb sie oft mit ihren Ansichten aneckt. Wiederholt hört sie, dass sie nicht helfen muss oder nicht helfen soll, aber ihr fällt es schwer, dem Welken tatenlos zuzusehen.
Was Creatures of Ava aussagen möchte, ist überdeutlich, weshalb Vics Sturheit fast ein wenig frustrierend ist. Allerdings ist sie durchaus nachvollziehbar. Obwohl die Geschichte letztlich kaum überrascht, habe ich sie dennoch gern mitverfolgt.
Es gibt einige amüsante Schlagabtausche, die sich allerdings teilweise zu oft wiederholen, bevor sie sich durch veränderte Beziehungen wandeln. Dennoch zeigen die Dialoge deutlich, wie sich die Ansichten unterscheiden und wie besonders Vic ihren Horizont erweitert.
Vic kommt mit besten Absichten von außerhalb und will sowohl Naam als auch Tiere vor dem Untergang retten. Dabei ist sie gefangen zwischen dem Wunsch, alle auf der Bioarche unterzubringen, und der Hoffnung, Ava vielleicht doch retten zu können. Schließlich kann der Stab das Welken zurückdrängen, wenn auch nur sehr langsam. Von einigen Naam erhält sie dabei Unterstützung, während andere sie einfach ihr Ding machen lassen und die übrigen dagegen sind.
Vor allem die Tierrettung lassen die meisten Naam einfach laufen. Dabei ist eigentlich schon vor dem ersten geretteten Tier klar, dass Vic das vielleicht nicht machen sollte. Doch Vic hat schließlich einen Auftrag und ich kann in der Story nicht voranschreiten, wenn ich keine Tiere einfange. Also schickt Vic mehrere Exemplare jedes Tieres in die Bioarche. Die entsprechenden Teleporter sind großzügig verteilt. Außerdem können die Tiere auch Brücken überqueren, so dass es wenige Einschränkungen beim Sammeln gibt.
Du kannst die Kreatur streicheln
Zum Zähmen nutzt Vic eine Flöte. Für jede Region lernt sie zuerst das Lied der Region, anschließend kann sie gesunden Tieren Melodien vorspielen. Jede Tierart hat dabei eine eigene Melodie. Die wird vorgespielt, damit Vic sie anschließend wiederholt.
Bei der Standardeinstellung wird dabei auch der Ton angezeigt, der per Stick nachgespielt wird. Da mir das Gehör für spezifische Töne fehlt, ist das sehr praktisch. Ich hatte auch Probleme damit, Tonfolgen mit unterschiedlichen Tonlängen nachzuspielen. Doch Creatures of Ava ist nicht komplett strikt, was das Nachspielen angeht, so dass ich spätestens nach ein paar Minuten gut genug gespielt habe.
Ein durch Musik oder nach einem Kampf beruhigtes Tier kann Vic anschließend per Flötenspiel zu sich locken, damit es ihr folgt. So kann sie es zur Bioarche schicken. Außerdem kann Vic die Kreaturen streicheln.
Doch mit der Flöte kann Vic auch ganz besonders mit den Tieren in Verbindung treten. Sie kann den Kreaturen keine Befehle geben, aber effektiv ist das Ergebnis dasselbe. Ich kann die Kreaturen steuern und so beispielsweise Seile durchschneiden, Gegenstände ausgraben oder Steinblöcke verschieben. Dadurch schalte ich neue Wege frei. Leider wechselt die Kamera dann sehr abrupt auf die Kreatur und ist sehr dicht, weshalb ich mich sehr oft erst einmal neu orientieren musste.
Jede Region hat ihre eigenen Tiere, doch viele davon ähneln einander und erfüllen auch dieselben Rollen. Da die vier Regionen nur jeweils eine Handvoll Tiere aufweisen, ist das ein wenig schade. Es kommen zwar je nach Region neue Barrieren hinzu, doch insgesamt ähneln sie sich stark.
Fazit
Creatures of Ava ist ein farbenfrohes Action-Adventure mit spannenden Mechaniken. Die Geschichte ist alles andere als subtil, wirkt aber dennoch organisch. Die Flötenmusik schafft den Spagat zwischen aufmerksamem Nachspielen und Raum für Fehler. Das Zähmen als Alternative zu einem klassischen Kampfsystem ist zwar eher passiv, involviert aber ausreichend. Leider ist das Spiel an einzelnen Ecken nicht ganz rund ausgearbeitet. Deshalb gibt es in der Umgebung Hindernisse, die sich durch Storyfortschritt ändern, ohne dass ein Zusammenhang dazwischen besteht. Doch abseits kleinerer Schwächen weiß Creatures of Ava gut zu unterhalten.
Herzlichen Dank an 11 bit studios für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.