Primateria (Review)

Artwork zu Primateria

Sammelkartenspiele gibt es wie Sand am Meer und ich hab euch bereits erzählt, wie süchtig ich einst nach diesen gewesen bin. Gut, dass es mittlerweile zahlreiche Videospiele gibt, die mir nicht so viel Geld aus den Taschen leiern und dennoch dieselbe Freude bereiten. Ganz besonders haben es mir ja Rogues wie Slay the Spire angetan, weswegen ich auch für das Testmuster von Primateria direkt Feuer und Flamme war. Der kleine Indie-Titel von Yfrit Games lehnt sich nach eigenen Angaben an Branchengrößen wie Yu-Gi-Oh! an. Doch nach etlichen Stunden bin ich der Überzeugung, dass Primateria seine ganz eigene Identität besitzt. Und somit viel Potenzial hat, um langfristig Fans in haarsträubende Duelle zu locken.

Es wird Zeit für ein Primateria-Duell!

Primateria ist ein Roguelite-Deckbuilder, in dem wir unterschiedliche Duelltypen bestreiten, um auf diese Weise stark genug zu werden, um die unterschiedlichen Gottheiten des Universums zu besiegen. Narrativ bewegen wir uns auf einer recht seichten, aber mit netten 2D-Zeichnungen der Charaktere inszenierten Handlung. Als künstlich entwickeltes Wesen ist es das Herz der Karten, welches uns zum Sieg leiten soll und somit eine göttliche Fügung zu erhalten. Als Fan interessanter Lore und spannender Narrative muss ich sagen, dass ich in Primateria kaum Zugriff darauf fand. Ein Manko, das komplett vor allem anderen verblasst, was Primateria zu bieten hat.

Denn das eigentliche Kartengameplay ist selbstverständlich das Herzstück des Spiels. Unsere Decks bestehen aus lauter Kreaturen, Krieger und Items unterschiedlicher Level und mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Das Spielfeld besteht aus sechs Feldern auf jeder Seite mit jeweils zwei Dreier-Reihen. Unser Deck nimmt dabei stets die mittlere Position hinten ein, das gegnerische Feld bleibt in der Regel (bis auf richtige Duelle) komplett frei.

Screenshot aus Primateria

Unser Deck besteht aus unterschiedlichen Karten mit verschiedenen Levelstufen. Level 1 Karten können wir in unserer Main-Phase jederzeit ausspielen, solange noch ein Feld frei ist. Auch die Anordnung lässt sich hier, sofern kein Sondereffekt wie Bindung dagegen spricht, jederzeit verändern. Die Anordnung in den Dreier-Reihen ist wichtig, denn gegnerische Karten können nur die vorderste Reihe attackieren, sofern da mindestens eine Karte drin liegt. Unser Deck zählt hierbei als Karte, kann also auch individuell angegriffen werden, wenn in der vorderen Linie nichts liegt.

Das richtige Level an Engagement

Doch mit Level 1 Karten alleine kommen wir in Primateria nicht weit. Karten höherer Levels können wir ausspielen, wenn die Summe an Level auf dem Feld liegen haben und fusionieren. Als Beispiel: Eine Level 3-Karte kann nur ausgespielt werden, wenn drei Level 1- oder jeweils ein Level 1 und 2 ausliegen. Die auf diese Weise fusionierten Karten verschwinden dann nicht, sondern werden als Mana unter der neuen Karte gespeichert. Dies hat zwei Vorteile: Wir können für die gesamte Manazahl auf unserer Seite bestimmte Karteneffekte aktivieren. Oder eine der gespeicherten Karten tritt an die Stelle des Fusionsergebnisses, sofern diese durch eine Karte zerstört wird.

Auf diese Weise bauen wir in der Arena eine Truppe von Karten zusammen, welche den Kampf mit den gegnerischen Karten aufnehmen kann. Sobald wir die Main-Phase nach unserer Taktik oder unseren Möglichkeiten genutzt haben, wechseln wir in die Kampfphase. Ziel des Spiels ist es, dem Gegner alle Möglichkeiten zu nehmen (also alles zu zerstören, was gegen uns eine Chance hat) oder mindestens zehn Karten auf den Zerstör-Stapel zu bringen. Hier sammeln sich – duellübergreifend für uns! – alle Karten an, die zerstört wurden. Liegen auf diesem Stapel zehn Karten, ist auch für uns das Duell und somit der einzelne Run des Spiels vorbei.

Wenn wir von Karteneffekten absehen, zerstören wir gegnerische Karten vor allem im Kampf. In unserer Kampfphase wählen wir aus, welche Karten von uns angreifen sollen und wen wir angreifen. Die Summe der angreifenden Level muss dabei über dem Level der angegriffenen Karte liegen, sonst wird die Attacke nicht durchgeführt. Die unterlegene Karte wird daraufhin zerstört. Karten, die angegriffen haben, werden anschließend gebunden und können nicht mehr für einen Angriff ausgewählt werden. Dieser Effekt verschwindet, sobald wir den Zug beenden und unser Gegner wieder dran ist.

Ich verlier’ ganz den Überblick!

Jede Karte ist für den Kampfeinsatz gedacht und nahezu jede Karte hat einen zusätzlichen Karteneffekt, um die bei Sammelkartenspielen üblichen Zusatzkarten (Zauber- und Fallen bei Yu-Gi-Oh, Trainerkarten bei Pokémon bspw.) zu kompensieren. Die Bedingungen sind unterschiedlich, so aktiviert sich beispielsweise ein Karteneffekt erst, wenn die jeweilige Karte fusioniert wird. Wieder andere Effekte aktivieren sich, wenn die Karte zerstört oder abgeworfen wird. Und noch viel mehr. Durch die Fülle an Möglichkeiten sind unterschiedliche Strategien denkbar, um beispielsweise den Gegner mit Angriffen ohne Ende zu malträtieren, dessen Feld zu zerstören – oder andere Gemeinheiten.

Ab Mitte der Questreihen gibt es allerdings ein kleines Problem, welches hoffentlich in zukünftigen Updates von Primateria auf irgendeine Weise behoben wird. Je ausgeklügelter die Strategien und Combos, desto mehr Schritte werden vom Gegner durchgeführt. Dies ergab teilweise zwanzig bis dreißig Sekunden am Stück, in denen ich mich einer Reihe von Combos ausgesetzt sah, deren Karten ich nicht kannte. Es gibt kein Log, um die einzelnen Züge des Gegners nachträglich anzuschauen. Es gibt auch keine Möglichkeit, um die Züge zu verlangsamen oder zu pausieren. 

Yu-Gi-Oh!-Videospiele waren hier zuweilen sehr nervig, wenn nach wirklich jeder Eingabe und jeder Möglichkeit von uns eine Bestätigung abgerufen wurde. Aber dies hat uns wenigstens den Überblick behalten lassen. Primateria will schneller sein, muss sich aber hier etwas einfallen lassen, um die Combos nachvollziehbarer zu machen. Denn gerade diese vielfältigen Möglichkeiten der Strategien sind es, die ich an Primateria sehr mag. 

Primaterias Achillesferse versteckt sich im Rogue-Lite

Dieses fundamentale Gameplay finde ich fantastisch und auch wenn es zu Beginn mit immer denselben Karten gleiche Muster gibt, kam ich immer wieder für genau dieses Gameplay zu Primateria zurück. Leider ist es die Struktur der Level, die mich ab und an ernüchtert haben.

Random Decks können euch neue Strategien gewähren…oder auch eine frühe Niederlage bescheren

Als Roguelite ist Primateria nicht unähnlich zu Slay the Spire. Es gibt einen Questmodus, in dem drei Kapitel à drei Quests bewältigt werden müssen, sowie einen endlosen Modus. Jede Quest besteht aus mehreren Herausforderungen oder Optionen zur Deckpotiomierung, um am Ende der Quest den Boss in einem großen Duell zu bezwingen. Wir können dabei jedes Kapitel direkt zu Beginn starten oder je nach Quest, die wir bis dahin erreicht haben. Selbstverständlich ist die Reihenfolge zufällig und auch unsere Belohnungen variieren je nach Entscheidung stark. Deckbau wird so einerseits Glückssache, aber auch Improvisation, was in der Natur des Genres liegt.

Dumm nur, wenn das eigene Deck und das eigene Zugglück bereits in der allerersten Herausforderung zu schwach ist. Schnell können wir eine Partie verlieren, ohne je eine Chance gerochen zu haben. Dies fand ich stellenweise sehr frustrierend und ist mir in der Form bisher nur beim ersten Rogue Legacy untergekommen – und da habe ich mir durch meine eigene Entscheidung das Los selbst aufgebürdet.

Abwechslung pur in Primateria

Denn abgesehen von diesem enormen Glücksfaktor weiß Primateria sehr gut, wie es uns vor Abwechslung beschert. Es gibt zwei Duell-Typen, einmal gegen den Boss mit einem Deck jenseits der 30 Karten, sowie gegen kleinere Gottheiten mit einem zehn Karten Deck. Auf diesem Wert steigen wir auch ein und können durch erfolgreiche Herausforderungen aus einer Auswahl von zweimal drei Karten je eine auswählen für das Deck. Oder keine, wenn die Auswahl zu unserer Strategie nicht passt. 

Zusätzlich gibt es eher leichtere Herausforderungen, um Geld oder Zusatzfähigkeiten freizuschalten, die unser gesamtes Spiel auf den Kopf stellen können. So gibt es beispielsweise eine Fähigkeit, die es uns ermöglicht, zu Beginn eines Zuges eine beliebige Karte auszuspielen. Praktisch! Auch einmalige Items können in einem Run gefunden und innerhalb eines Duells eingesetzt werden.

Den Löwenanteil machen hingegen Einzelarenen aus, in denen sich eine zufällige Truppe an Gegnern befindet, die wir bezwingen müssen. Auch Wellen-Überleben gibt es, denn Ziel des Spiels ist es schließlich, uns auf zehn zerstörte Karten zu bringen. Dann endet nämlich unser Durchgang. Je nach Fortschritt erhalten wir dann zwar Erfahrungspunkte, die uns neue Karten und Decks freischalten, dennoch ist jeder neue Versuch stets auch ein Glücksspiel.

Ein Glücksspiel wird es für Primateria auch sein, eine treue Anhängerschaft zu finden. Als Nischentitel innerhalb der Indie-Szene mit sympathischer, aber verhaltener Optik ist es schwer, auf dem Markt Fuß zu fassen. Abgesehen vom großen Glücksfaktor des Rogue-Genres bringt aber Primateria alles mit, um eine solche Fanbasis zu schaffen. Das Kampfsystem ist individuell, schnell zu erlernen und hat enorm viel Tiefe. Abwechslung ist mit den unterschiedlichen Herausforderungsarten auf alle Fälle garantiert. Ich werde jetzt auf jeden Fall noch eine Weile aufleveln, den Endlosmodus suchten und die Tiefe von Primateria weiter ausforschen. Und euch würde ich es auch empfehlen, wenn ihr Card-based Videospiele mögt. Primateria lohnt sich!

Es war Zeit für Duelle auf dem PC. Ein herzlicher Dank geht an Yfrit Games für die Bereitstellung eines Mustercodes.