Persona 3 Reload (Review)

Artwork zu Persona 3 Reload

Persona 4 Golden und Persona 5 (Royale) zählen für mich zu den besten japanischen Rollenspielen, die ich je gespielt habe. Der befriedigende Gameplayloop mit einer Mischung aus motivierendem Kampfsystem und Management täglicher Aktivitäten sowie sozialer Interaktionen, garniert mit Monster-Sammelei und mehrdimensionaler Narrative, hat es mir ungemein angetan. Und doch konnte Persona 3 bei mir vor Jahren nicht zünden, obwohl dieselben Zutaten verwendet werden. Viel lag wahrscheinlich an der Portable-Version, welche zwar andere Storyelemente hatte, aber dafür auch eine sehr steife Präsentation der Spielwelt. Doch Skepsis blieb haften, ob nicht doch etwas anderes verantwortlich war. Persona 3 Reload hat diese allerdings komplett zerstreuen können und dürfte so für lange Zeit in diesem Jahr meinen Top-Spot reserviert haben.

Der Horror der “Dark Hour” von Persona 3 Reload

Einer der wichtigsten Gründe dafür ist sicherlich, dass Persona 3 Reload wie bereits beschrieben dieselben positiven Eigenschaften besitzt, wie bereits die beiden anderen Titel. Wir schlüpfen wie immer in die Rolle eines zu Beginn namenlosen Schülers, der in Tokio an eine neue Schule wechselt. Doch bereits vor seinem ersten Schultag geschehen ungewöhnliche Ereignisse. Aufgrund einer Verspätung kommen wir erst gegen Mitternacht im Viertel unseres Wohnheims an. Doch keine Menschenseele befindet sich in den ansonsten so belebten Straßen der Metropole. Stattdessen befinden sich an jeder Ecke dampfende Särge und der Boden ist hier und dort von Blut befleckt. Aber vielleicht ist alles nur ein makabrer Traum gewesen?

Einige Wochen später sind wir Anführer einer Gruppe von sogenannten Persona-Nutzern, bestehend weitestgehend aus Mitschülern. Denn um Mitternacht erwacht die “Dark Hour” und unsere Welt wird von Schatten verschlungen. Normale Menschen merken nichts, sind in der Zeit regungs- und leblos in Särgen eingesperrt. Doch manche Personen sind anders, sie erleben diese grausame Stunde mit und erinnern sich teilweise daran. In noch weniger Menschen erwachen in dieser Zeit sogenannte Persona, übernatürliche Wesen, geboren aus dem Charakter ihrer Nutzer. Mit diesen versuchen wir, das Nest der Schatten, den Turm Tartarus auszuheben und die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.

Screenshot aus Persona 3 Reload

Fortan sind wir also in der Nacht die Jäger gefährlicher Schattenwesen und am Tag ganz normale Schüler mit ganz normalen Problemen. Während das Schuljahr an uns vorbeizieht, müssen wir stets diese beiden Verpflichtungen abwägen. Erklimmen wir den endlosen Turm aus grotesken Ungeheuern? Lernen wir für die anstehenden Prüfungen? Oder nutzen wir die Zeit lieber, um den extravaganten Austauschschüler aus Frankreich besser kennenzulernen? Zeitmanagement ist in Persona 3 Reload der Schlüssel, um nicht nur für den Kampf, sondern auch das Leben selbst vorbereitet zu sein.

Mittags Laufeinheiten, Abends für das Leben lernen

Der reguläre Tagesablauf ist in Persona 3 Reload abgesehen von speziellen Story-Momenten weitestgehend derselbe. Morgens gehen wir in die Schule. Hier gibt es meist eine Szene, in der wir auf eine Frage der Lehrkraft reagieren müssen oder abwägen können, ob wir dem Unterricht folgen wollen oder lieber eine Weile die Augen schließen. Diese kurzen Szenen sind einerseits eine Möglichkeit, Bonuspunkte für unsere persönlichen Statuswerte Courage, Academics und Charm zu gewinnen, andererseits bereiten sie uns auf anstehende Prüfungen vor. Ernsthaft: Wollen wir an die Spitze des Examens kommen, sollten wir hier wirklich aufpassen!

Mittags und abends können wir uns dann frei in der Welt bewegen. Diese Zeit sollten wir gut planen, denn es stehen zahlreiche Aktivitäten zur Verfügung, die uns unterschiedliche Boni gewähren. In den diversen Shops lassen sich Items und Ausrüstung kaufen oder bei einem guten Mahl die eigenen Statuswerte verbessern. Sehr effektiv sind auch die Arcade-Automaten, die uns mehrere Statuspunkte gewähren und uns schnell aufsteigen lassen. Wer hätte gedacht, dass wir durch Videospiele mal klüger, attraktiver und mutiger werden würden?

Freundschaften fürs Leben

Alternativ können wir auch mit unseren Mitschülern und anderen Personen die Zeit verbringen – sogenannte Social Links. Dies stärkt unsere Bande mit denjenigen und gewährt uns einen Bonus auf unsere Fähigkeiten oder sogar die unserer Mitstreiter für den Kampf gegen die Schatten. Doch nicht an allen Tagen ist jede Person verfügbar, manche sind sogar so selten anzutreffen, dass deren Bekanntschaft unter Umständen schwer werden kann. 

Screenshot aus Persona 3 Reload
Ob wir Junpei aus der Klemme helfen können?

Über die zahlreichen Stunden von Persona 3 Reload zeigte sich hier aber eine Schwäche dieses Ablegers im direkten Vergleich mit den eigentlichen Nachfolgern. Wenn Statuswerte ihr Maximum erreicht haben und alle einmaligen Aktivitäten erledigt sind, wird es gerade gegen Abend schwer, effektiv die Zeit zu nutzen. Es fehlt schlichtweg an Möglichkeiten, während der Nachmittag vollgestopft ist mit unseren Freundschaften. Dann bleibt oftmals nur ein Besuch im Tartarus übrig, denn diesen können wir verständlicherweise nur abends über die Dark Hour erreichen.

Zahllose Ebenen voller Schatten

Der Tartaros war in der griechischen Mythologie der Ort in der Unterwelt, in dem zahlreiche bekannte Figuren ihre endlose Strafe zu verrichten hatten. Sisyphos stemmte seinen widerspenstigen Felsen, während Tantalos ewigen Hunger und Durst erlitt. Der Tartaros in Persona 3 Reload ist ein genauso schrecklicher Ort, ist er doch bevölkert von schattenhaften Wesen. Diese werden genährt aus Ängsten, Zweifeln und Verfehlungen, welche sich tief in unserer Psyche befinden. Allerdings besteht dieser schier endlose Dungeon aus hunderten Ebenen eines Turmes, der sich während der Dark Hour auf dem Schulgelände manifestiert.

Ein Besuch im Tartaros läuft häufig gleich ab. Wie durchforsten die zumeist zufällig generierten Ebenen nach Schätzen und anderen sammelbaren Materialien und suchen die Treppe nach oben. Auf jeder Etage wandern zudem die Schatten umher, die uns sofort angreifen, wenn wir zu nahe kommen. Aufgrund der schieren Anzahl an Ebenen wurden die bisherigen Versionen des Tartaros oftmals kritisch beäugt – zu repetitiv war das Leveldesign. Persona 4 war dort mit thematischen Dungeons ein klein wenig abwechslungsreicher. Persona 5 hingegen hatte beides und lieferte mit Mementos im Grunde diesen “endlosen” Dungeon so ab, wie er nahezu perfekt in seiner Abwechslung erschien.

Das jetzige Remake macht im Leveldesign selbst wenig neu, optisch wirken die groben Abschnitte allerdings weitaus unterscheidbarer als damals. Dennoch hat Persona 3 Reload einige Dinge verändert, um zumindest die Erkundung abwechslungsreicher zu gestalten. Ein zentraler Aspekt sind dabei die Twilight-Fragmente, welche als zusätzliche Währung für seltene Schatztruhen sowie heilende Uhren genutzt werden können. Diese liegen auch vereinzelt in der realen Welt rum oder sind Belohnungen für Quests. 

Das überarbeitete Kampfsystem von Persona 3 Reload

Darüber hinaus hat ATLUS eine Reihe neuer, zufälliger Events eingefügt, die für Abwechslung sorgen sollen. Markant sind hierbei die Monad-Passagen, hinter denen sich gesonderte Kampf-Herausforderungen  befinden. Außerdem kann manchmal ein Uhrenraum erscheinen, mit dem wir zwei unserer Teammitglieder auf dasselbe Level wie unser Held heben können. Dies reduziert den Grind erheblich.

Screenshot aus Persona 3 Reload

Den größten Schub hat bei Persona 3 Reload allerdings das Kampfsystem erhalten. Die Basis bleibt erhalten, wir kämpfen weiterhin mit mehreren Personas im Wechsel an der Seite unserer Kameraden in rundenbasierten Gefechten. Jeder Schatten hat eigene Stärken und Schwächen, die es gilt herauszufinden und somit in den Kämpfen die Oberhand zu behalten. Diese Personas können wir sammeln und bei Bedarf einmal während unseres Zuges wechseln, um von dessen Stärken und Schwächen zu profitieren. Wie auch schon bei den Nachfolgern, managen wir diese über den Velvet Room und können dort stärkere Personas fusionieren. Doch hier beginnen bereits die Veränderungen. Der Katalog an Personas wurde bei Persona 3 Reload mit weiteren Wesen aus Persona 5 ergänzt, was unsere Möglichkeiten stark erweitert.

Auch unser Team hat sich radikal verändert. Zwar sind die Charaktere noch immer dieselben und das Grundgerüst bleibt identisch, so schalten sich nun nach einigen Monaten sogenannte Theurgien frei. Dies sind gesonderte Spezialangriffe, basierend auf deren individuellen Personas, welche sich durch ebenso individuelle Aktionen aufladen. Yukari beispielsweise füllt ihren Theurgie-Balken durch Heilung anderer Teammitglieder schneller voll und entlädt diesen mit einem markanten Wirbelsturm von Pfeilen. Auch unser stummer Held kann Theurgien erlernen, welche sich nach und nach freischalten, sofern wir ausreichend Personas sammeln können.

Viele neue Belohnungen für fleißige Erkundungen

Gleichzeitig hat sich Persona 3 Reload einige Elemente aus seinen Nachfolgern übernommen. Aus Persona 4 beispielsweise wurde das überarbeitete Shuffle am Ende jedes Kampfes eingebaut. Mit einer Reihe von Karten werden hier zusätzliche Belohnungen, unter anderem die zu sammelnden Personas, verteilt. Anders als im Original liegen diese nun offen aus und werden nicht verdeckt gemischt. 

Gleichzeitig gibt es aber noch mit den Major Arcanas einen neuen Twist dahinter. Diese zusätzlichen Karten sammeln sich während einer Tartaros Erkundung an und geben einen individuellen Bonus – beispielsweise mehr Erfahrungspunkte an diesem Tag. Major Arcanas sind spezielle Belohnungen für die story-bedingten Bosskämpfe in der realen Welt sowie von längeren Monad-Passagen. Haben wir während einer Erkundung im Tartaros genug Major Arcana gesammelt, gibt es einen Arcana-Burst, welcher zukünftige Belohnungen hochwertiger macht. Das System motiviert dazu, so lange es geht, an einem einzelnen Tag den Tartaros bis zu den Checkpoints zu spielen, die sich nur durch Fortschritt in der Story weiter öffnen.

Auf Distanz zur Realität

Kämpfe sind zudem weitaus einfacher zu händeln, da anders als im originalen Persona 3 sich hier alle im Team steuern lassen. Diese Option wurde damals bereits mit dem erweiterten FES sowie der Portable-Version erstellt. Allerdings basiert Persona 3 Reload zu weiten Teilen auf dem Original. ATLUS übernahm lediglich einen Social Link aus FES, Portables zahlreiche Variationen (u.a. ein weiblicher Hauptcharakter mit eigenen Social Links) fanden ihren Weg nicht ins Spiel.

Aus Persona 5 wurde der sehr dynamische Stil übernommen, in dem Menüs dargestellt wurden. Persona 3 Reload ist allerdings weitaus ruhiger gestaltet, was sehr gut zum Ton des Spiels passt. Die gesamte Handlung ist weitaus ruhiger und erwachsener. Die kleinen Handlungen der Social Links sind eher persönlicherer und kleinerer Natur, als zuweilen in den späteren Ablegern. Im Grunde würde ich hier aber alle drei Teile auf eine gemeinsame, hochwertige Stufe stellen wollen – egal ob es um Plot oder Charaktere geht. Einzig der Held ist hier so distanziert zur Realität, dass es zuweilen abstrakt wird. Erste Nacht der Dark Hour, irgendwas auffälliges? Nöö! Särge sind ja überall, vollkommen normal also…

Montage von Persona 3 links und Persona 3 Reload rechts
Kampfbildschirm (Links 2006, rechts 2024)

Die Dynamik überträgt sich auch auf das Kampfsystem. Durch das Treffen von Schwachpunkten sowie kritischen Treffern lassen sich zusätzliche Züge erwirken, die wir wie bei Persona 5 nicht nur durch eine All-Out Attack nutzen können. Zusätzlich lässt sich zu einem anderen Teammitglied shiften, um so mehrere Schwachstellen innerhalb einer Runde treffen zu können. Zudem lässt sich, sobald wir diese Schwachstelle kennen, per Knopfdruck die optimale Option anvisieren, was gerade bei unserem Helden mit mehreren Personas enorm hilfreich ist.

Ein Remake, wie es sein sollte

Optisch hat sich in den vergangenen 18 Jahren enorm viel getan, was sich nicht zuletzt am dynamischen Stil der Spieloberfläche widerspiegelt. Doch das Remake schafft es auch auf anderen Wegen, das Original zu optimieren. Allen voran die Musik, eine Mischung aus neuen und gemixten alten Stücken, ist nochmal ein Stück weit besser geworden. Auch wenn sich bei den Remixen verständlicherweise für Kenner des Originals die Geister scheiden können. Auch narrativ hat ATLUS das Spiel erweitert. Viele Szenen in Haupt- und Nebengeschichten wurden ergänzt, ohne die Seele der originalen Handlung zu stark variieren.

Persona 3 Reload ist auf diesem Wege ein Remake geworden, was sich vor dem “aktuellen” Ableger Persona 5 nicht zu verstecken braucht. Schwachpunkte des Originals wurden durch kleinere Kniffe im Leveldesign, aber allen voran durch das viel flottere und direktere Kampfsystem optimiert. Man merkt hier und da das Alter an, beispielsweise beim Überfluss an “sinnloser” Zeit im Nachmittag bei zu guter Optimierung oder die schwächeren Anime-Sequenzen. Doch dies fällt vor allem im direkten Vergleich zum modernen Nachfolger auf.

Für sich allein betrachtet hat Persona 3 Reload ein ebenso dynamischen wie auch süchtig machenden Gameplayloop, ebenfalls einen grandiosen Cast an Charakteren und eine gute Mischung aus erwachsener Fantasy sowie alltäglichen Slice-of-Life. Persona 3 Reload ist wahrscheinlich die beste Version seiner selbst geworden, die es gegenwärtig sein kann. Und somit einer der Favoriten für mich – bereits so früh! – auf den Thron des Jahres.

Durch Videospiele auf PlayStation 5 klüger, attraktiver und mutiger geworden. Ein herzlicher Dank geht an ATLUS für die Bereitstellung eines Mustercodes.