Sanabi (Review)

Artwork und Logo zu Sanabi

Ich habe ein Déjà-vu. Die letzten Tage bin ich in die Rolle eines von Rache getriebenen Mannes geschlüpft. Meine Familie, Opfer einer blutigen Vergangenheit. Meine Gegner, mit einem Schlag und in Windeseile dahin. Blut strömt auf die pixeligen Levelböden und tränkt ihn rot. Es gibt für uns nur ein Mittel, um den schmerzhaften Erinnerungen an ein zu früh beendetes Glück zu entkommen. Vor wenigen Wochen habe ich bereits ein solches Spiel gespielt und zu Beginn von Sanabi musste ich immer wieder daran zurückdenken. Doch es steckt noch viel mehr hinter dem schwungvollen Action-Platformer, als das oberflächliche Déjà-vu mich hat glauben lassen.

Sanabi und der Fluch der Erinnerung

Denn auf der Oberfläche haben wir eine lupenreine Rache-Geschichte vor uns. Unsere Spielfigur, ein aus dem Dienst ausgeschiedener General einer Spezialeinheit, hat ein ruhiges und friedliches Leben mit seiner kleinen Tochter. Ein zuckersüßes Stück, dem wir nichts abschlagen können! Doch – oweh! – eines Tages schlägt die Tragödie zu. Eine Bombe, eigentlich für uns bestimmt, tötet das kleine Mädchen in einer feurigen Explosion. Übrig bleibt nur der Name des vermeintlichen Attentäters: Sanabi.

Jahre später, jede Menge Blut aus der Unterwelt wurde in der Zwischenzeit vergossen, kommt unsere Spezialeinheit mit einer besonderen Mission auf uns zurück. Sanabi ist wiedergekehrt und hat sich in eine Metropole zurückgezogen, die von einer Mega-Corporation kontrolliert wird. Getrieben von der schmerzhaften Erinnerung stimmen wir zu und machen uns auf, ein letztes Mal auf die Jagd nach Sanabi zu gehen. Doch als wir in der Stadt ankommen, entdecken wir alsbald, dass alle Einwohner spurlos verschwunden sind. Lediglich eine Junior-Agentin unserer Spezialeinheit ist noch vor Ort und unterstützt uns bei unserer Suche nach der Wahrheit.

Screenshot von Sanabi
Welch wundervolle Cyberpunk-Pixel-Ästhetik!

Diese eher altbekannte Story bot mir allerdings in den knapp sieben Stunden die ein oder andere Überraschung. So ist Rache als Motiv beispielsweise in einen Kontext gesetzt, der anders als beispielsweise bei Gunbrella nicht bloß zur reinen Sympathie mit der Spielfigur genutzt wird. Stattdessen wird dieses Thema inhaltlich auf mehreren Ebenen reflektiert und mit anderen Themen aus Psychologie und Science-Fiction in Einklang gebracht. Sanabi präsentiert sich im Endeffekt vielmehr als eine Geschichte rund um Schuld, Erinnerung und Identität. Und grenzt sich somit von vielen anderen Geschichten mit ähnlicher Grundlage stark ab.

Zäher Einstieg

Spielerisch hingegen offenbarte sich Sanabi schnell als eine Mischung aus Katana Zero und Grapple Dog. Während wir mit unserem Prothesenarm durch die Level schwingen, greifen wir unsere Gegner mit einem schnellen Grapple direkt an und erledigen diese mit einem Schlag. Unser General hingegen hält ein wenig mehr aus und sein Leben heilt sich auch bei vereinzelten Checkpoints oder durch reines Warten. Außer ihr spielt auf einfachster Schwierigkeit, dann könnt ihr so oft getroffen werden, wie ihr wollt. Ich weiß nicht so recht, was ich von dieser Art des “einfachen Modus” halten soll.

Doch grundsätzlich stellt sich der allgemeine Gameplayloop von Sanabi wie folgt dar: Finde deinen Weg durch die Level, während gegnerische Truppen sich immer wieder einmischen und uns selbigen versperren. Dies gelingt auch sehr flott, da Wände zum Grapplen sowie Gegner ab einem gewissen Abstand automatisch anvisiert werden. Wollt ihr euren eigenen Weg wählen, lohnt es sich, mit dem rechten Stick zusätzlich zu zielen, denn dann wird für einen kurzen Moment die Zeit verlangsamt.

Leider dauert es lange, bis Sanabi in beiden Aspekten wirklich an Fahrt gewinnt. Das erste Drittel ist eine große Ansammlung von Levelabschnitten, die mehr der Einführung dienen, sowie größeren Storyszenen. Das Pacing stimmt hier meiner Ansicht nach gar nicht und obwohl dies alles im großen Kontext wichtig war, mochte ich Sanabi in dieser Zeit gar nicht.

Bewegtbild von Sanabi

Jetzt kommt das Spiel ins Rollen

Dies legt sich wie gesagt. Die Narrative zieht an und verlässt ein wenig die üblichen Pfade. Gameplaysequenzen werden länger und geben dem Schwung-Kampfsystem sowie Leveldesign mehr Chancen. Zudem gibt es dann erstmals Ideen, die das grundsätzlich immer identisch bleibende Gameplay auflockern und dementsprechend herausfordern. Sei es durch neue Platforming- bzw. Schwung-Elemente oder durch das Gegner-Design.

Doch wenn Sanabi erst einmal losgelassen wird, macht es enorm viel Spaß. Nach diesem etwas zähen ersten Drittel findet das Spiel die richtige Balance zwischen all seinen Bruchstücken. Platforming wird interessanter, da nun auch zahlreiche Zonen existieren, in denen wir nicht schwingen sollten oder die uns bestrafen. Gegnerdesign wird anspruchsvoller, weil wir nun die optimalen Winkel für einen Angriff finden müssen. Wenn die Qualität auf allen Ebenen stimmt und ansteigt, dann darf sich auch die Narrative seine längeren Abschnitte nehmen – vor allem, wenn sie sich so interessant entwickelt, wie hier.

Weiteres Highlight sind hier die seltenen, aber intensiven Bosskämpfe. Sicherlich hat man sie alle in der Form irgendwo schon einmal bestreiten dürfen, aber sie sind eine willkommene Abwechslung. Und zudem atmosphärisch stellenweise richtig gut inszeniert. Mein liebster Abschnitt, wenn auch eigentlich kein Bosskampf per se, umfasst einen gewaltigen Supercomputer in absoluter Dunkelheit und sehr viel Hektik. Hier kamen alle Elemente, die Sanabi ausmachen sollten, stark zur Geltung und konnten meiner Ansicht nach brillieren.

Eine hohe Hürde für Sanabi

Gegen Ende stellte sich nur plötzlich ein gänzlich neues Problem ein. Das letzte von insgesamt fünf Kapiteln (welches sich nur mit der “richtigen” Entscheidung betreten lässt) ist sehr lang und hat eine enorm hohe Schwierigkeit. Stellenweise wusste ich nicht einmal, warum ich es plötzlich doch geschafft hatte, da sich das Schaffen einzelner Abschnitte nicht gut anfühlte. Das oft mit Sanabi im Vorfeld verglichene Katana Zero wirkt hier runder in seiner Schwierigkeits-Progression und zog sein schnelles Gameplay nur selten unnötig in die Länge.

Sanabi ist ein schwierig zu bewertendes Spiel. Es erreicht stellenweise Höhen wie kaum ein anderes in diesem Jahr. Die Narrative ist vielschichtig, atmosphärisch und regt zum Nachdenken an. Der Flow des Schwingens, welches Platforming und Angriffe in einen wundervollen Einklang bringt, fühlt sich richtig gut an. Und allgemein ist Sanabi mit seiner Pixeloptik und seiner Inszenierung ein richtig ästhetisches Spiel. Doch der zähe Einstieg, welcher sowohl für die Narrative, als auch für das Gameplay ein sehr schwaches Pacing darstellt, sowie die Schwierigkeitsspitze gegen Ende nagen an der Gesamtbewertung. Einen Blick ist Sanabi aber nichtsdestotrotz für Genre-Freunde allemal wert.

Identitätskrisen auf Steam Deck bewältigt. Ein herzlicher Dank geht an Wonder Potion und Neowiz Games für die Bereitstellung des Mustercodes.