
Beinahe auf den Tag genau elf Jahre ist es her, seit mein erster Text als Videospiel-Reviewer sich aufmachte, ein ziemlich großes Sportsimulations-Franchise über den Klee zu loben. Nach so langer Zeit hat sich einiges verändert. Ich persönlich, als Mensch und Videospieler, aber auch als Autor solcher Reviews. Und das damals genannte Franchise erlag mit den Jahren ein wenig (eigentlich sehr) den Verlockungen der modernen Gaming-Industrie. Doch dieses Jahr soll alles anders sein. Nach jahrzehntelanger Beziehung hat sich Electronic Arts von seinem irrlichternem Partner losgesagt und veröffentlicht nun den “Nachfolger” EA Sports FC 24. Ist nun wieder alles Gold was glänzt? Oder wünsche ich mir als alter Fan einfach nur ein Happy Ending, eine Rückkehr zu alten Stärken?
EA Sports FC 24 versucht alte Fesseln zu lösen
Als Jugendlicher war es einfach: In meiner Bubble war der jährliche Ableger der beliebten Fußballsimulation eine Selbstverständlichkeit, herausgefordert von der nahezu gleichwertigen Konkurrenz aus dem Hause Konami. Je älter ich aber wurde, desto mehr Distanz nahm ich zu der Reihe auf. Das lag einerseits an mir, aber auch an den Spielen, die mehr und mehr ihrem “Ruf” gerecht wurden, lediglich Kaderupdates zu bieten. In meiner damaligen Review habe ich dies bereits attestieren müssen. Ich nannte den Ableger ein “Remake” des Vorgängers, der in Nuancen verfeinert wurde. Nummer Sicher halt in einer Gaming-Industrie, in der die Kosten für Spieleentwicklung nach und nach höher werden.
Dieser Eindruck hat sich in den vergangenen Jahren nur noch weiter verfestigt. Es gab zwar immer wieder mal Ausreißer durch neue Modi oder Veränderungen der zugrundeliegenden Engines, doch allzu oft fühlte sich der neueste Titel aufgewärmt an. Mit EA Sports FC 24 verband ich nun die Hoffnung, dass die Umstände rund um den Lizenznamen sowie die Etablierung eines neuen Markennamens ausreichend Grund zur Modernisierung der Reihe darstellen. An mancher Stelle wurden diese Hoffnungen erfüllt. An anderen hingegen ernüchtert.

Doch nehmen wir das offensichtlichste Thema gleich vorweg: Der Verlust des Namensgebers tut dem Spiel keinen Abbruch. Bereits in den letzten Jahren wurde der Löwenanteil der Lizenzen direkt von Ligenverbänden oder Vereinen geholt, weswegen auch FC 24 erneut einen enormen Fundus offiziell lizenzierter Spielerinnen und Spieler hat. Gerade Fans des Frauenfußballs in Deutschland dürfen sich freuen, dass die weltweiten Spielerinnen nicht nur Einlass in den FUT-Modus erhalten. Denn auch die Bundesliga der Frauen ist in diesem Jahr offiziell lizenziert worden. Der größte Pluspunkt des Franchise der letzten Jahrzehnte verblieb also bei EA Sports FC 24. Doch die Wahrheit findet sich in der Regel direkt auf dem Platz.
Es grünt so grün das grüne Grün
Electronic Arts hat die vergangenen Wochen im Marketing zum Spiel einen großen Fokus auf seine neueste Spieltechnologie, Hypermotion V, gelegt. Sie vereinfacht für das Entwicklerteam den Prozess der Animation, weil Bewegungen der Mannschaften nicht mehr bloß durch Motion Capturing, sondern anhand der realen Fernsehbilder eingebaut werden können. Spielerisch hat dies meiner Ansicht nach wenige Auswirkungen, allerdings sehen die Partien selbst bei kleineren Mannschaften viel realistischer aus. Starspieler hingegen können nun aufgrund ihres gesamten Bewegungsapparats erkannt werden. Und wenn es die Entwickler:innen in ihrer immensen Arbeit entlasten kann, ist dies nur erstrebenswert. Hypermotion V ist aber trotz aller optischen Verbesserung nur das neue Buzzword von Electronic Arts, welches alle paar Iterationen mal das Marketing dominiert. Aber richtige Auswirkungen auf das Gameplay existieren nicht.
Da hat EA Sports FC 24 an anderer Stelle enorme Fortschritte gemacht. Das Repertoire von Spielerskills hat sich beispielsweise erweitert, wodurch uns mit dem richtigen Team und Kader vielseitige Möglichkeiten offen stehen. Klar erkennbare Freistoßspezialisten, Ruhepole oder beinharte Zweikämpfer – diese Perks kennzeichnen Teilbereiche, in denen die Spieler:innen auf dem Platz besonders brillieren. Dies macht das Spiel variabler und ist vor allem bei langfristigen Modi sehr effektiv. Damit einher geht auch die Team-KI, die sich noch besser den eigenen Anweisungen entsprechend oder individuell je nach Spielsituation bewegt, um unsere Optionen auf dem Platz zu verbessern.
Leider half mir während der letzten Spielwoche auch die gegnerische KI sehr häufig dabei, meine Optionen auf dem Platz zu verbessern. In den vergangenen Titeln habe ich meist auf Schwierigkeit “Profi” gespielt, der mittleren Einstellung, mit wechselhaften Ergebnissen und einer moderaten Herausforderung. In EA Sports FC 24 hingegen wirkt das Spielgeschehen allerdings enorm vereinfacht. Vor allem die Zweikämpfe des gegnerischen Teams sind extrem zurückhaltend, weswegen ich im Karrieremodus schon mehrfach Ergebnisse ala Brasilien vs. Deutschland bei der WM 2014 und höher erzielte. Eine Stufe höher finde ich hingegen die von mir gewohnte Schwierigkeit. Schon eine seltsame Veränderung, wie ich finde.
Schnellschuss
Mein persönlicher Fetisch bei dem Franchise ist der Karrieremodus. Die abgespeckte Version eines Fußballmanagers sowie der langfristige Aufbau einer spielstarken Mannschaft von den “Niederungen” des Ligabetriebs an die Spitze Europas übte auf mich den größten Reiz aus. Noch idealer war es für mich mit dem Ableger aus 2021. Hier ließ sich erstmals wieder ein eigener Verein erstellen und ins Rennen schicken. Auch FC 24 hat diese Option und selbstverständlich habe ich meinen eigenen, ganz individuellen Kader erstellt. Dann brach der erste Tag an und ich stürzte mich auf den Transfermarkt. Mit vollem Portemonnaie schlug ich bei einem vertragslosen Starspieler zu, um meine ausbaufähige Mannschaft zu verstärken. Hohes Gehalt inklusive…
…was mir zum Verhängnis wurde, denn einen Tag später flatterte meine Entlassung ins Postfach. »Das hohe Gehalt zerstört die Moral im Team«, hieß es und plötzlich saß ich auf der Straße. Jetzt trainiere ich stattdessen die SpVgg Unterhaching, bin Tabellenerster und bei meinem erstellten Verein leuchtet die rote Laterne. Wer hatte hier wohl das bessere Ende?

Abseits dieser für mich sehr unerwarteten Geschichte hat EA Sports im Karrieremodus einige neue Elemente eingebaut. Dies war auch lange Zeit überfällig, stand EA doch in weiten Teilen der Fans dieses Modus für die laschen Optimierungen über Jahre in der Kritik. Als Coach eines Vereins habe ich viele neue Optionen erhalten, um Taktiken zu planen oder das Potenzial aus dem Kader herauszuholen. Und als Spieler steht mir ein Agent zur Seite, der mich bei meinen Zielen und Transfers berät.
Taktisch hat EA Sports eine klare Fokussierung eingebaut. Weiterhin gibt es die grundstätigen Taktiken, die sich im Team-Management einstellen lassen und die das Verhalten der KI beeinflussen. In EA Sports FC 24 gibt es allerdings nun auch Vereinsphilosophien, die nicht nur das Spiel auf dem Rasen, sondern auch die Planungen des Managements und Training beeinflussen. Scouts können dann beispielsweise nach passenden Spielern für das Flügelspiel suchen – also schnelle, wendige Spieler für die Außenpositionen sowie Abnehmer im Zentrum -, während beim Tiki-Taka vor allem ballbehauptende Spieler gefragt sind.
Kündigungsschutz Marke EA Sports
Ein anderes großes Feature ist in diesem Zusammenhang die Verpflichtung von Co-Trainern. Je nach Zielvorgaben des Vereins stehen uns einzelne Slots für die vier Kernbereiche (Offensive, Mittelfeld, Defensive und Tor) zur Verfügung. Je besser wir performen, desto mehr Slots werden möglich sein. Hier können wir dann Experten engagieren und je erfahrener diese sind, desto mehr Bonuspunkte erhalten meine Spieler auf diesen Positionen. Vereinstaktik sowie die Spielerskills beeinflussen unsere Entscheidung, welcher Coach den einzelnen Bereich abdecken soll. Ich mag das System in Verbindung mit all den anderen Möglichkeiten sehr, weil der Karrieremodus auf diese Weise komplexer denn je wird, ohne wirklich kompliziert zu werden.
Electronic Arts hat allerdings einen Kündigungsschutz der ganz besonderen Art bei diesen Co-Trainern eingebaut. Wollen wir nämlich eine schlechte Entscheidung rückgängig machen und entlassen den Trainer… friert das Spiel ein. Ein sehr häufig im Netz dokumentierter und von mir auch mehrfach nachgestellter Bug, der zum Neustart des Spiels zwingt. Aber wenn das wenigstens die einzigen Male gewesen wäre, an denen ich das Spiel abbrechen musste…
Ich bin kein großer Freund vom Online-Spiel und auch FC 24 stellt da keine Ausnahme dar. In der Regel bin ich zu schlecht und verliere, aber ich beiß mich durch, weil ich es mag, an mir zu arbeiten und meinen Skill zu verbessern. Bin ich aber dann mal besser als mein Gegenüber, dann bricht aus unerklärlichen Gründen die Verbindung ab. Schon schlimm, dass sowas immer wieder passiert, ich muss da ein Magnet dafür sein. Electronic Arts sichert zwar den Spielbericht und gewährt mir dann meinen verdienten Sieg, aber ich kann Quitter in keinem Spiel dieser Welt leiden.
Steife Posen, lange Gesichter
EA Sports FC 24 hat derzeit allerdings ein weitaus größeres Problem in dieser Hinsicht. Wir können zwar offiziell aufgeben, aber in der Regel verlassen die meisten Spieler:innen zum Abbruch nur das Spiel. Der Verlassene spielt dann gegen eine KI weiter. Leider mit enormen Schwierigkeiten. Ich konnte bei meinen Verbindungsabbrüchen gegen die KI nicht mehr ins Spielmenü zurück und Wechsel in der Mannschaft vornehmen. Auch die Schnellwechsel-Option war unmöglich zu aktivieren, wenn angezeigt. Auf diese Weise verbraucht mein Team zusehends seine Kondition und das Spiel wird schwieriger.
Halbzeit- und Schlusspfiff sind allerdings schlimmer, denn anschließend geht das Spiel in seine Atmosphäre-Zwischensequenzen. Hübsche Bilder von jubelnden Fans, aus dem Kabinentrakt oder vom Rasen – während dies im Fernsehen schön anzusehen ist, wenn beispielsweise ein Maskottchen im Otter-Kostüm Schabernack treibt, wirken die Cutscenes recht steif. Schlimmer sind da nur die Zwischensequenzen in Bezug auf Transfers oder Interviews nach einem Spiel im Karrieremodus, in denen Fragen und Antworten irgendwie oftmals nicht zusammenpassen wollen.
Doch das echte Problem an den Sequenzen nach einem Verbindungsabbruch ist nicht die Präsentation. Zwischensequenzen wollen einfach nie enden. Bricht ein Spieler ab oder, seien wir mal nett, das Internet fällt währenddessen aus, sind wir in einer endlosen Schleife gefangen. Die Partie endet nicht und wir müssen das Spiel neu starten. Dies geschah mir mehrmals über mehrere Modi hinweg.
Der teure Elefant im Raum
Von diesen hat EA Sports FC 24 wieder etliche zu bieten. Ich bin bereits näher auf den Karrieremodus eingegangen, aber selbstverständlich kommen auch Offline- und Online-Mehrspieler hier nicht zu kurz. Wie immer ist das Zugpferd FUT, diesmal allerdings unter dem Namen Football Ultimate Team, dabei. Und wie gewohnt ist das Trading Card-based Management mit zahlreichen Bezahlfunktionen wieder so dabei, wie wir es alle kennen. Zwei Unterschiede gibt es aber dennoch zu den Vorgängern:
EA Sports FC 24 ist aufgrund dieser schwierigen Thematik auf FSK 12 hochgestuft worden, welches hoffentlich einige Menschen zum Nachdenken anregen kann. Manche Länder gehen da strikter vor, aber wenigstens gibt es eine Veränderung zum bisherigen Status Quo zum Wohle des Käuferschutzes. Und an zweiter Stelle bietet FUT nun sogenannte Evolutions an. Dies sind Herausforderungen, um die Werte einzelner Spielerkarten zu steigern oder denen Spielerskills zu verleihen. Die besonders wertvollen Herausforderungen sind wie auch die Kartenpacks nur gegen eine der beiden Ingame-Währungen erhältlich. Also entweder ewiger Grind, um sich einmal was wirklich Gutes leisten zu können, oder Echtgeld.
Dieselben Währungen können wir nun auch bei Volta ausgeben. Dies war zu Beginn des Modus noch nicht der Fall, allerdings hat sich der Modus über die Jahre weiterentwickelt. Statt eines abgespeckten Storymodus (ohne Story) ist Volta nun ein Onlinemodus, in dem wir an unserem ganz eigenen Avatar arbeiten. Spielerische Verbesserungen können wir uns nach und nach durch Erfahrungspunkte leisten. Kosmetische Dinge sind hingegen seltener Belohnung für den Aufstieg, zumeist aber aus einem Ingame-Shop auszuwählen und zu kaufen.
Vielfalt beim Neustart
Online gibt es vor allem für kompetitive Personen ab November wieder die “Virtuelle Bundesliga”, um auch seine Spuren im eSports-Bereich von EA Sports FC 24 hinterlassen zu können. Wie dieser Modus aussieht, kann ich daher leider nicht beurteilen.
Dazu gesellen sich dann noch einige Modi, die vor allem das Zusammenspiel in den Vordergrund stellen. Koop-Saisons können mit zufälligen Spieler:innen oder mit Freunden angegangen werden, um gemeinsam online Partien zu bestreiten und besser zu werden. Pro Klubs macht uns zum Teil eines größeren Teams, in dem wir mit anderen Fußball-begeisterten unser Bestes geben. Und Offline lassen sich via Anstoß oder den Turniermodus zahlreiche Optionen einstellen, um auch auf der Couch zahlreiche spaßige Spielstunden zu erleben. Im Grunde ist für jeden Fan der Reihe etwas dabei.

Und dies ist dann vielleicht auch das größte Manko von EA Sports FC 24: Es richtet sich weiterhin ausschließlich seiner eigenen Fanbase. Wer also mit den bisherigen Ablegern seinen Spaß hatte, der wird auch hier seine pure Freude empfinden. Neulinge werden kaum angesprochen und dürften sich auch aus diversen Gründen schwer überzeugen lassen. Frischer Wind weht im Karrieremodus, aber diesen spielt in der Regel selbst von den Fans der Reihe nur eine verhältnismäßig kleine Menge. FC 24 hat es nur teilweise geschafft, eine neue Identität für das Spiel zu schaffen, besseren Animationen durch Hypermotion V zum Trotz. Dass im aktuellen Zustand zudem einige Bugs vorhanden sind, die uns zum Neustart zwingen, ernüchtert bei einem prinzipiell guten Spiel zusätzlich.
22 Fußballbeine liefen auf Xbox Series X hin und her. Ein herzlicher Dank geht an Electronic Arts für die Bereitstellung des Reviewcodes.