Gunbrella (Review)

Artwork mit Logo zu Gunbrella

Schirme als Waffen haben scheinbar eine lange Tradition. Ich erinnere nur an die starke Charaktereinleitung von Harry Hart in Kingsman: The Secret Service. Oder diverse Utensilien in den James Bond-Filmen. Und die Fülle an Regenschirm-Schwertern mit Schwertklinge, sei es echt versteckt oder als Replik, ist erschreckend hoch. Ganz so heimlich geht es in Gunbrella allerdings nicht zu. Ich habe mich die letzten Tage mit Schrotpatronen eingedeckt, den Bart zurechtgestutzt und meinen inneren Rachegott gechannelt und mich in die laute und blutige Welt von doinksofts neuen Actionspiel begeben. Welches zuweilen auch sehr leise Töne angeschlagen hat.

Mit Gunbrella, Charme und Melone

Gunbrella ist zu Beginn eine Rachegeschichte, wie sie im Buch steht. Unser Held Murray kehrt eines Tages vom Holzhacken zurück nach Hause und findet die Leiche seiner Frau blutüberströmt vor sich auf dem Boden ruhend. Lediglich ein zurückgelassener Gunbrella, Markenzeichen des hiesigen Militärs aus der Hauptstadt, deutet auf den Mörder hin. Murray schnappt sich also die tödliche Waffe und macht sich auf die Suche nach seiner entführten Tochter.

Gunbrellas sind extrem vielseitige Geräte. Als Mischung aus Schrotflinte, Regenschirm und Schutzschild dienen sie uns unterschiedlichen Einsatzzwecken. Wir hinterlassen blutige Kadaver auf unserem Rachefeldzug, dashen und schweben durch die Level oder schützen uns vor unerwarteten Projektilen und stoßen Gegner rüde zur Seite. Spielerisch ergeben diese Möglichkeiten ein sehr flottes und flexibles Geschehen auf dem Bildschirm. Brachial auf den Gegner vorpreschen, ein schneller Ausweichdash in die Luft und ein überraschender Schuss von hinten – die Steuerung unseres Helden geht gut von der Hand und mit der Zeit können unsere Manöver immer waghalsiger werden. Ein schönes Spielgefühl, gerade wenn man es im Actionbereich eher flotter mag.

Allerdings muss ich das “können” stark hervorheben. In Gunbrella stehen Inszenierung, Präsentation und Atmosphäre sowie damit einhergehend auch die Narrative im Fokus. Dadurch fällt in der knappen Spielzeit von ungefähr fünf Stunden das Gameplay ein wenig hinten ab. Das Leveldesign ermöglicht und erfordert nicht so viele alternative Herangehensweisen, die das Kampfgameplay andeutet. Und auch Gegnertypen sind rar und Herausforderungen ein wenig auf Sparflamme. Gunbrella hätte es auf jeden Fall gut getan, wenn es einige Spielstunden mehr auf den Rippen und dem Gameplayloop mehr Raum zur Entfaltung gegeben hätte.

Hürdenlose Kämpfe

Dies gibt sich stellenweise, wenn wir einen abgeschlossenen Bereich betreten. In der Regel warten hier Bosskämpfe oder kurze Wellengefechte auf uns, die unser gesamtes Arsenal an Tricks aufwenden, um heil aus der Sache herauszukommen. Mein Favorit unter den Bossen lauerte mir ungefähr zur Hälfte des Spiels auf und blubberte mich mit tödlichen Blasen voll. Es dauerte eine Weile, etliche Versuche und eine Nacht “Boss-lern-Schlaf” dazwischen, bis ich ihn endlich zu Kalamari verarbeiten und in meinem Kühlschrank lagern konnte. 

Die anderen Bosskämpfe waren interessante Abwechslungen zum “Levelalltag”, kamen aber bei meinem persönlichen Durchgang nicht an dessen Qualität und Spaßfaktor heran. Gunbrella hat leider zusätzlich das Problem, dass zusätzliche Munition – Granaten, Haftbomben etc. – so ausgiebig vorhanden ist, dass wir nie in echte Nöte kommen. Und sollten wir auf den Schrott angewiesen sein, welcher unendlich verfügbar ist, können wir diesen sehr einfach mit ebenfalls ergiebigem Geld aufwerten. Ich vermute, Doinksoft will im initialen Durchgang keine allzu starke Hürde bieten, damit wir die Welt, ihre Charaktere und den Plot aufsaugen können.

Screenshot aus Gunbrella
…under my umbrella, ella ella…

Atmosphärisch, sympathisch, rund

Und abseits des Plots, der sehr vorhersehbar und Standard für den Bereich der Rachegeschichten ist, kann Gunbrella hier durchaus punkten. Optisch hat mich der Pixelstil sowie die grimme Farbpalette des Spiels sehr angesprochen. Er trägt viel zur Atmosphäre bei, in der die blutigen Kämpfe stark akzentuiert zur Wirkung kommen. Es ist zudem sehr spannend zu sehen, wie unsere Entscheidungen im Verlauf des Spiels ein wenig die Welt verändern. Hervorzuheben wäre hier die Nebenmission rund um einen blauen Edelstein, dessen künftiger Besitzer spannende Ansichten in Bezug auf die Stadtgestaltung zu haben scheint. Insgesamt bietet Gunbrella trotz vieler bekannter Elemente aus anderen Spielen ein charmantes, narratives Paket.


Gunbrella bleibt ein wenig hinter seinen Möglichkeiten zurück. Zu wenig Zeit wird für das Gameplay verwendet, um all die spektakulären Momente in Szene zu setzen. Mit dem Gunbrella durch die Level zu düsen, Gegner aus dem Hinterhalt zu erledigen oder die seltenen Platforming-Sequenzen macht Freude. Aber ebenso wie die Geschichte und die Welt kratzt es hier nur an der Oberfläche. Am Ende bleibt ein in allen Belangen rundes Spiel zurück. Über die Kürze seiner Spielzeit macht es viel Spaß, aber ebenso hungrig nach mehr.

Auf Steam Deck blutigen Rachegelüsten gefrönt. Ein herzlicher Dank geht an Devolver Digital für die Bereitstellung des Mustercodes.