
Nicht nur Alice ist im Wunderland, sondern auch das weiße Kaninchen, die Hauptfigur in Wonderland Nights: White Rabbit’s Diary. Außerdem herrschen dort eine ganze Menge Königshäuser. Um dem flauschigen Kaninchen zu helfen, habe ich mich mit Intrigen und Liebschaften auseinandergesetzt. So manches Geheimnis kam dabei auch zutage.
Vor allem das Gameplay-Element, Tage zu verplanen, hat mich auf den Titel neugierig gemacht. Auch wenn ich mich in Long Live the Queen nur um eine royale Persönlichkeit habe kümmern müssen und nicht um ganze zwölf. Wie soll ein kleines weißes Kaninchen da nur den Überblick behalten?

Einmal im Jahr
Die Visual Novel behandelt ein Treffen der vier Nationen des Wunderlands. Innerhalb weniger Tage treffen Herz, Kreuz, Pik und Karo weitreichende Entscheidungen. Mittendrin steckt das weiße Kaninchen mit dem Auftrag, für das Wohl der Besucher:innen zu sorgen. Und natürlich, sie unauffällig dazu zu bringen, im Sinne der Herzkönigin zu entscheiden.
Die Hoheiten stimmen ab für das Vorgehen im kommenden Jahr in vier verschiedenen Bereichen. Sie wählen je eine von zwei Seiten in den Themen Handel, Magie, Krieg und Grenzen.
Bedauerlicherweise ist das weiße Kaninchen fürchterlich schlecht vorbereitet. Welche Positionen nehmen die Gäste ein? Welche Vorlieben und Abneigungen haben sie? Und wie verstehen sie sich überhaupt untereinander? Glücklicherweise erhält es von der Grinsekatze ein nützliches Notizbuch. Abgesehen von einigen Verwandtschaftsverhältnissen, wird dort alles Wichtige automatisch verzeichnet. Mit jedem neuen Versuch erhält das Kaninchen auch neue Infos, um letztlich unterschiedliche Enden auszulösen.
Auf dem Weg dorthin sind in Wonderland Nights alle Dialoge auf Englisch vertont und bis auf vereinzelte Schreie auch ganz passabel. Auch die deutschen Texte sind weitgehend fehlerfrei und selbst die übersetzten Gedichtpassagen können sich blicken lassen.
Die einflussreichste Aufgabe des weißen Kaninchens ist es, die Teilnehmenden in unterschiedliche Aktivitäten einzuteilen. Jeweils zwei von ihnen unterhalten sich während einer Aktivität. Dadurch stärken sie sich in ihrer Meinung zum zur Abstimmung stehenden Thema oder beeinflussen die Meinung des Gegenübers. Meist mit Worten, bisweilen aber auch mit Magie. Wenig verwunderlich also, dass sie darüber diskutieren, ob Magie weiterhin erlaubt sein soll. Das komplese Entscheidungsmenü bietet dabei ein Drag-and-drop-Prinzip mit Bildern, Zufallsgenerator und Wiederholung der vorigen Platzierung. Allein durch die Porträts fiel mir dabei schon leichter, die Personen zuzuordnen als im simplen, rein textlichen Menü. Praktisch ist auch die Touchsteuerung.

Intrigen und Liebeleien
Der Cast in Wonderland Nights ist ziemlich groß. Anfangs war ich ein wenig überfordert, das weiße Kaninchen aber auch. Also alles im Rahmen. Zudem lernen wir ja beide immer mehr dazu. Wer mit wem eine Affäre hat, wer mit wem unbekannt verwandt ist. Wir decken einige geheime Identitäten auf, das weiße Kaninchen und ich. Manche sind dabei offensichtlich, andere weniger. Manchmal ist es auch sehr amüsant, bestimmte Paare mehrfach gemeinsam an Aktivitäten teilnehmen zu lassen, um zu schauen, was sich ergibt. Ein Ehepaar, das sich gegenseitig hasst, war von der Entscheidung des Kaninchens nicht begeistert, sie tagelang immer wieder in einen Raum zu stecken. Grrade in solchen Momenten wird das Kaninchen in die Gespräche einbezogen, während es die meiste Zeit über nur die Rolle des Organisators einnimmt. Abgesehen davon, dass die Herzkönigin morgens mit ihm über die Zufriedenheit der Gäste und die Wahlergebnisse spricht.
Auch das Schicksal eines jungen Pärchens kann ich so beeinflussen. Neben dem Hauptstrang, die Wahlen zu beeinflussen, gibt es einige kleinere Handlungen. Schließlich haben auch alle Beteiligten Geheimnisse. Manche kann ich eher nebenbei aufdecken, bei anderen muss ich darauf achten, die richtigen Personen in unterschiedlichen Konstellationen zusammenzubringen.
Hin und wieder wären genauere Informationen im Notizbuch hilfreich, um solche Nebenhandlungen abzuschließen. Beispielsweise, als die Herzkönigin (deren Mutter wegen Alice starb) verlangt, den Dieb ihrer Erdbeertörtchen zu fassen. Mir fiel lange Zeit schwer, mir drei unterschiedliche Personen im Kopf zu behalten, die nicht namentlich genannt, sondern nur beschrieben wurden. Auch wenn die Vorspulfunktion zumindest dabei hilft, den Rest schnell zu überspringen, wenn ich ihn bereits gelesen habe. Da half es auch nicht, dass ich schnell wusste, wer die Törtchen verputzt hat.
Insgesamt bietet Wonderland Nights eine gute Mischung aus „offensichtlichen“ und überraschenden Geheimnissen. Mal mit Bezug auf das Adelsleben, mal mit Bezug auf das Wunderland. Auch zu Alice haben viele der Teilnehmenden eine Meinung, selbst wenn sie das Mädchen nicht unbedingt getroffen haben.

Fazit
Wonderland Nights: White Rabbit’s Diary ist eine charmante Geschichte in der Welt von Lewis Carrolls Roman. Die vielen Charaktere überfordern schnell, nach einigen Durchgängen werden die Beziehungen allerdings klarer. Favorit:innen habe ich unter den Figuren nicht, doch das Aufdecken ihrer Geheimnisse macht dennoch Spaß. Die Verhältnisse sind überzeugend konstruiert und besonders durch die Geheimnisse hat jede Person ihre Daseinsberechtigung. Dabei müssen sie auch nicht nur für eine einzelne Nebenhandlung wichtig sein.
Bis auf Einzelheiten reichen die gefundenen Informationen im Notizbuch auch aus, um weitere Paare so zu organisieren, dass sie zum erwünschten Ergebnis führen. Ganz gleich, ob es dabei um die Wahlen geht oder um persönliche Geschichten. Doch gerade die Suche nach den letzten Enden und Ereignissen wird dadurch ein wenig frustrierend. Doch bis dahin war ich gut unterhalten damit, Geheimnisse zu ergründen und Figuren gegeneinander auszuspielen. … oder ihnen zu helfen. Daher kann ich Wonderland Nights für Fans von Visual Novels und Tagesplanungen empfehlen.

Herzlichen Dank an Ratalaika Games für die Bereitstellung des Testmusters. Intrigiert auf Nintendo Switch.