
Während viele Dritthersteller die Wii eher stiefmüttlerich behandelt haben, meinte Sega es besonders gut mit der Konsole und hat ihr gleich vier Exklusivspiele geboten, wenngleich nur eines dieser Spiele, Sonic Colours, zur Hauptreihe gezählt wird. Im Zuge der Top 100 3D Jump & Runs-Reihe wollen wir noch einmal einen ausführlichen Blick auf den letzten Wii-exklusiven Auftritt des blauen Igels werfen: Sonic und der Schwarze Ritter.
Sonic und der Schwarze Ritter ist der zweite – und wohl auch letzte – Teil der Wii-exklusiven Storybook-Reihe. In dieser Reihe wurde Sonic in die Geschichten bekannter historischer Werke geworfen. Sonic und der Schwarze Ritter dreht sich nun um die Geschichte der Ritter der Tafelrunde. In einem aufwendig animierten Intro-Video erzählt uns das Sonic Team die Hintergrund-Geschichte. Eine junge Magierin wird von einem bedrohlichen wirkenden schwarzen Ritter und seiner Armee verfolgt. Im letzten Moment gelingt es ihr, Hilfe aus einer anderen Dimension anzufordern. Die Rede ist natürlich von niemand geringerem als Sonic, der nun also entgegen seines Willens mit seinem Hotdog mitten in ein Schlachtfeld transportiert wird. Doch da Sonic ein guter Kerl ist, hilft er der Magierin nicht nur in diesem Scharmützel, sondern verspricht ihr obendrein, das Joch des schwarzen Ritters zu brechen.

Die Geschichte in Sonic und der Schwarze Ritter wird zwischen den einzelnen Missionen immer wieder durch Videosequenzen, sowie kleine comic-artige Sequenzen vorangetrieben und ist für Sonic-Verhältnisse ungewöhnlich umfangreich. Da die Geschichte zudem mit einer Menge Humor und einer ungewöhnlichen Wendung aufzuwarten weiß, startet unser Abenteuer mit Sonic und dem schwarzen Ritter also durchaus optimistisch. Das Spiel basiert von der Spielidee her auf Sonic und die Geheimen Ringe, setzt aber nicht mehr auf eine vollständige Bewegungssteuerung. Stattdessen steuert man Sonic nun mit dem Analogstick des Nunchuks und der Bewegungssensor der Wii-Remote wird verwendet, um ein Schwert zu steuern.
Das Schwert, das Sonic bereits früh im Spiel findet, stellt Sonics Hauptangriffsoption dar, wenngleich die Homing Attack weiterhin existiert. Schwingt man mit der Wii-Remote, so schwingt Sonic sein Schwert, wie der Schlag aber genau aussieht, darauf hat man keinen Einfluss. Das Spiel entscheidet schlicht selbsttätig, welche Schlagrichtung verwendet wird. In Anbetracht der hohen Spielgeschwindigkeit erscheint das durchaus sinnvoll, hat allerdings zur Folge, dass man im Kampf gegen einfache Gegner – von denen es unheimlich viele gibt – oftmals das Gefühl hat, schlicht sinnlos mit der Wii-Remote herumzufuchteln. Neben dem Kampf wird das Schwert übrigens auch für einige weitere Aufgaben verwendet. So kann man beispielsweise mit dem Schwert eine Wand heruntergleiten oder nach oben klettern – spielerisch leider eher wenig ergiebig – oder aber Seile durchschneiden, beispielsweise um ein Katapult zu betätigen, das den weiteren Weg freilegt.

Abgesehen vom Schwert spielt Sonic und der Schwarze Ritter sich aber zunächst einmal sehr ähnlich wie Sonic und die Geheimen Ringe. Zwar rennt Sonic nicht mehr automatisch nach vorne, doch bewegt er sich weiterhin nur sehr widerspenstig rückwärts. Statt einfach zurückzulaufen, stolpert Sonic wenig elegant rückwärts und lässt sich im Rückwärtsgang auch nur sehr ungenau steuern. In Anbetracht dessen, dass man in einigen Missionen zwangsläufig rückwärts laufen muss ist diese Designentscheidung definitiv fraglich. Positiv fällt allerdings die hohe Spielgeschwindigkeit auf, wenn man mit Sonic geradeaus läuft.
Das Leveldesign in Sonic und der Schwarze Ritter ist leider ausnehmend schlecht. Im Grunde wechseln sich völlig harmlose Laufwege und Horden von Gegnern einfach nur ab, Abwechslung im Leveldesign wird in aller Regel ausschließlich optisch geboten. Besonders negativ fallen nahezu automatisch ablaufende Szenen auf, wie eine Szene, in der Sonic auf einem von Pferden gezogenen Wagen steht und schlicht heranspringende Gegner töten muss. Spielerisch stellt sich das dann so dar, dass der Spieler einfach eine Minute lang mit der Wii-Remote wackelt, bis das Spiel sich entscheidet, dem Spieler wieder die Kontrolle über Sonic zu geben.

Was Sonic und der Schwarze Ritter aber endgültig zu einer Farce werden lässt, ist eine Spezialfähigkeit, die Sonic durch sein Schwert verliehen bekommt. Durch Angriffe auf Gegner und vergleichbare Aktionen erhält Sonic Seelen-Energie, die verwendet werden kann, um Sonic auf eine Art Auto-Pilot zu stellen. Ist die rote Seelen-Energie-Leiste gut gefüllt, kann man den B-Knopf gedrückt halten und mit der Wii-Remote wackeln, damit Sonic automatisch das Level abrennt. Man hat zwar eine geringfügige Kontrolle über die Bewegungsrichtung, allerdings kann Sonic durch nahezu alle Hindernisse ohnehin problemlos hindurchrasen. Selbst ein mit Stachelkugeln gefülltes Feld stellt für Sonic in diesem Modus keine ernstzunehmende Gefahr dar. Gelangt Sonic im Soul Sourge – so wird der Autopilot genannt – in die Nähe eines Gegners, so bleibt er stehen und wartet auf ein weiteres Wackel-Kommando des Spielers, bevor er den Gegner mit dem Schwert angreift. Hier kann der Spieler zumindest ein bisschen Einfluss nehmen, denn wenn man lang genug wartet, blitzt das Schwert weiß auf und reagiert man dann schnell und schwingt die Wii-Remote, ist Sonics Schlag stärker und die Seelen-Energie wird durch den Schlag kräftig aufgefüllt.
In vielen Levels ist es, wenn man das Timing des Schlages einmal raus hat, möglich, fast das komplette Level im Soul Sourge zu verbringen. Als wäre das noch nicht genug, gibt es obendrein auch noch ein Item, das Sonic langsam Ringe abzieht, sowie eine Spezialfähigkeit, die relativ schnell freigeschaltet wird und Sonics Seelen-Energie-Leiste auffüllt, wenn er Ringe verliert. Mit dieser Kombination, die in nahezu jedem Level verwendet werden kann, kann man dann tatsächlich blind durch das Level laufen: Man drückt einmal B und schüttelt dann die Wii-Remote so lange bis man hört, dass Sonic ins Ziel gelaufen ist.

Während die normalen Level ziemlich langweilig sind, oftmals zusätzlich durch langweilige Missionstypi wie „besiege so viele Gegner wie möglich“ oder „suche 5 versteckte Feen“ an den Nerven zehren, aber zumindest sehr leicht sind, können Endgegner zu einer regelrechten Qual werden. Zunächst sind die Endgegner gar nicht mal so schlimm, mit ein wenig Geschick blockt man problemlos die Angriffe der Ritter der Tafelrunde und kontert ein paar Mal bis die Kämpfe beendet sind. Der schwarze Ritter jedoch ist ein außerordentlich nerviger Endgegner, der einfach ein schwieriges, aber dennoch fürchterlich langweiliges Quicktime Event ist. Später muss man gegen einen Ritter der Tafelrunde ein zweites Mal antreten und hier haben die Entwickler wirklich dem Fass den Boden ausgeschlagen, denn dieser Kampf ist ein extremer Krampf, bis man überhaupt einmal herausgefunden hat, wie man den Endgegner angreifen kann, ohne selbst in Windeseile ins Gras zu beißen, vergeht eine ganze Menge Zeit, auch wenn man genau weiß, wie der Gegner zu besiegen ist, ist der Kampf eine echte Qual.
Sonic und der Schwarze Ritter schwankt also zwischen himmelschreiend einfach und kurzen, aber enormen Schwierigkeitsspitzen, langweilt dabei durchweg im Leveldesign und ergötzt sich an seiner hervorragenden Inszenierung, statt spielerisch auch nur den Hauch von Substanz zu bieten. Ein besonderes Schmankerl hat Sonic und der Schwarze Ritter aber für Spieler in Petto, die ihre Spiele gerne vollständig durchspielen. Zunächst einmal gibt es in jedem Level Anhänger zu verdienen, die dem Spieler schlicht nach Abschluss eines Levels gutgeschrieben werden. Um alle Anhänger eines Levels zu verdienen, muss man, je nach Leistung im Level, das Level etwa 10, gerne aber auch mal bis zu 20 Mal durchspielen. Besonders bei den außerordentlich nervigen Levels wie den gerade angesprochenen Endgegnern ist das ein echtes Problem.

Ein echtes Meisterstück des Videospiel-Kunst ist allerdings das Ranking-System. Nach Abschluss eines Levels wird der Spieler mit einem Ranking von einem bis zu fünf Sternen versehen. Dieses Ranking ist von einer Punktzahl abhängig, die der Spieler am Ende des Levels erhält. Wovon allerdings diese Punktzahl abhängig ist, das verraten weder Spiel noch Anleitung. Einzig die Möglichkeit, durch das Ausrüsten bestimmter Gegenstände Zusatzpunkte für Sprünge oder eingesammelte Feen zu erhalten ist einigermaßen dokumentiert. Wie groß dieser Einfluss ist, ist allerdings völlig unklar. Durch ausgiebiges Ausprobieren haben wir einige Faktoren für die Punktzahl feststellen können: Geschwindigkeit des Levelabschlusses, Anzahl getöteter Gegner, Anzahl der eingesteckten Treffer. Allerdings sind auch diese Kriterien nicht sehr offensichtlich balanciert. Insbesondere skalieren einzelne Kriterien die Punktzahl nicht einmal linear. So ist auffällig, dass bisweilen der Unterschied, ob man von einem oder keinem Gegner getroffen wird enorm ist, wohingegen es fast gar keinen Unterschied macht, ob man von einem oder zwei Gegnern getroffen wird. Dadurch, dass diese Kriterien auch noch von Mission zu Mission zu variieren scheinen, ist Sonic und der Schwarze Ritter eine echte Qual für Perfektionisten. Übrigens: Die angesprochene Möglichkeit, nahezu automatisch durch die Level zu rennen, ist in ihrer extremen Anwendung von den Entwicklern offenbar sogar gewünscht, denn so manche 5-Sterne-Rankings sind unserer Erfahrung nach quasi nur auf diese Weise erreichbar.
So missraten Sonic und der Schwarze Ritter spielerisch auch ist, so beeindruckend ist die Technik. Die Grafik ist für Wii-Verhältnisse geradezu umwerfend. Toll modellierte und animierte Charaktere, wahnsinnig detaillierte Umgebungsgrafiken und all das bei einer enorm hohen Spielgeschwindigkeit. Das Sonic Team hat es definitiv verstanden, das letzte aus der Wii herauszukitzeln. Beeindruckend ist, dass selbst bei technisch fordernden Szenen wie dem Lauf durch ein Feld hoher Grashalme – jeweils einzeln modelliert – die Framerate niemals ins Stocken gerät. Auch musikalisch wird erstklassige Arbeit abgeliefert. Sonic und der Schwarze Ritter bietet eine tolle Mischung aus Neuauflagen alter Sonic-Stücke und Neukompositionen, die zu keinem Zeitpunkt enttäuscht.

Sonic und der Schwarze Ritter ist wohl einer der größten Blender des Videospiel-Business. Eine exzellente Grafik, tolle Musik, eine nett gestaltete Geschichte und eine zugängliche Spielidee werden gepaart mit fürchterlichem Leveldesign, völlig undokumentierten und geradezu willkürlichen Ratingsystemen, sowie Endgegnern direkt aus der Videospiel-Hölle. Was auch immer bei der Entwicklung von Sonic und der Schwarze Ritter schief gelaufen ist: Es ist wirklich gründlich schief gelaufen. Junge Spieler werden vielleicht etwas Spaß aus der gelungenen Inszenierung und den zumeist anspruchslosen Leveldesigns ziehen können, Sonic-Fans und erfahrenere Spieler werden hingegen eine der schlimmsten Spielerfahrungen seit Sonic the Hedgehog (2006) durchleben. Technisch brillant, spielerisch katastrophal.

Getestet auf Wii.