White Shadows (Review)

Artwork mit Logo von »White Shadows«

Bei Indie-Spielen gibt es ein Genre, dass es immer wieder mal in den Fokus der Öffentlichkeit schafft: Rätsel-Plattformer. Egal ob wir es mit einem hochgelobten Titel wie Braid, Gris oder Limbo zu tun bekommen. Oder ein eher nischigerer Titel wie das erst kürzlich von mir getestete A Juggler’s Tale Aufmerksamkeit erhascht. Den Überblick zu behalten fällt in der Masse enorm schwer. In dieser Adventszeit kam nun mit White Shadows der nächste Genrevertreter auf den Markt, dem ich nach einigen Vorschusslorbeeren im Netz dringend auf den Zahn fühlen wollte.

Bedrückendes White Shadows

Der Plattformer des Kölner Entwicklungsstudios Monokel Games ist bereits von der ersten Sekunde an unverkennbar. White Shadows orientiert sich ein wenig an der Schwarz-Weiß-Optik eines Limbo und verknüpft diesen mit einer Groteske ala Little Nightmares sowie zahlreichen Stilmitteln älterer Filmepochen. Der Lohn ist ein visueller Stil, der mir wirklich gut gefiel und sehr einzigartig ist. Nichtsdestotrotz führten Kontraste und Schatten, Filter und Größenverhältnisse durch Kamerazoom-Outs oftmals dazu, dass die eigene Abenteurerin nicht optimal gesehen werden kann.

Bewegtbild von White Shadows. Darstellung der Spielfigur, die von einer Schiene links zu einer Leiter recht springt, kurz bevor ein Zug von oben nach unten fährt.
Knifflige Passagen wie diese passen gut in die Stimmung von White Shadows

So düster und bedrückend der Artstyle von White Shadows ist, so bedrückend ist auch die Story. Wir steuern ein Rabenmädchen, welches versucht in einer dystopischen Stadt zu überleben. Diese Welt ist einer großen Katastrophe zum Opfer gefallen, wodurch Vögel an den Rand der Gesellschaft gedrückt worden sind. Unter dem Joch der Wölfe stehend, darben die anderen Tierarten, lechzen nach lebensspendendem Licht und verachten sämtliche Vögel. Eine klassische Dystopiehandlung, deren Verlauf die Kenner des Genres nicht überraschen dürfte. Es ist vor allem das Worldbuilding, dass dem Studio gut gelungen ist und optisch hin und wieder spannende Szenarien auffährt.

Einziges Problem sind die Tierarten in der Welt. Jeder normale Bürger oder Wächter war ein Schwein. Die Welt ist bevölkert von Schweinen und die Wölfe sind ominöse Gestalten repräsentiert als Statuen und Maschinenwesen. Deswegen entwickelte ich eher Assoziationen zu Die Farm der Tiere, dessen Inhalte und Themen mir nicht ganz auf White Shadows passen. Allgemein fällt der Ton der Spielhandlung durch seinen inkonsistenten Verlauf auf. Ist in einem Augenblick düstere Atmosphäre und der Schrecken der Welt im Vordergrund, versucht das Spiel im nächsten Moment mit Satire die Stimmung aufzulockern. Dies führt zu Brüchen innerhalb des Spielverlaufs, die für mich White Shadows ein wenig unrund wirken lassen.

Ein Sprung ins Ungewisse

Vor wenigen Monaten habe ich in meiner Review zu A Juggler’s Tale bemängelt, dass dieser Puzzle-Plattformer trotz seiner knapp 2 Stunden enorm viel Leerlauf besitzt. White Shadows hingegen packt in seine zwei Stunden viel Inhalt rein. Unsere Flucht führt uns an viele unterschiedliche Locations, an denen wir diverse Herausforderungen bestehen müssen. Hin und wieder gibt es ein Umgebungsrätsel zu lösen. In diesen verschieben wir allerdings in der Regel Kisten, lediglich ein einziges Rätsel sticht von der Art her aus der Masse wirklich hervor. Eine wirkliche Kopfnuss stellte aber auch dieses leider nicht dar. Schade.

Spannender sind hingegen die Platforming-Sequenzen. Eine Fahrt auf flotten Zügen oder ein sehr abwechslungsreicher Bosskampf haben einen sehr positiven Eindruck bei mir hinterlassen. Die Ideen sind da und in der Kürze der Zeit von White Shadows sehr abwechslungsreich. White Shadows ist sehr kreativ mit seinem Platforming ohne wirklich herausfordernd zu werden. 

Leider stellt die cineastische Optik aufgrund seiner sehr schwachen Kontraste uns Spieler:innen ein Bein. Und auch die Physik des Spiels ist zuweilen…ebenso spannend. Ich fand es nicht so berauschend, an einer einfachen Stelle oftmals zu sterben, weil ich visuell keinen Hinweis darauf besaß, wie weit ich fallen darf. Wenn ich hingegen an anderen Stellen noch weiter fiel und nicht starb, wirkt das sehr inkonsequent. Und trübt die ansonsten sehr positive Sicht auf das Platforming.

Screenshot aus White Shadow
Ein einfacher, aber inszenatorisch effektiver Bosskampf

Beinahe schon zum Standardrepertoire dieser Art von Puzzle-Plattformer gehören auch Stealth-Abschnitte. White Shadows macht da keine Ausnahme, allerdings tut sich hier der Titel nicht allzu sehr positiv oder negativ hervor. Die Sequenzen sind kurz, sehr einfach zu überschauen, wiederholen sich in ihrer Art und werden wahrscheinlich nicht langfristig in Erinnerung bleiben. Außer vielleicht das Level mit den Küken…oh, die armen Küken…

Ein verheißungsvolles Debüt

Um aus der Masse des Genres im Independent-Bereich hervorzustechen, braucht es schon eine besondere Leistung. Visuell ist dies White Shadows gelungen, spielerisch gibt es leider noch ein wenig Nachholbedarf. Gute Ideen beim Platforming werden beeinträchtigt von schwierigen Sicht- und Sprungverhältnissen. Rätsel- und Stealthpassagen könnten anspruchsvoller sein, obwohl diese die Abwechslung im Spiel fördern. Und die Welt sowie Handlung leiden unter dem tonalen Auf und Ab der Inszenierung des Spiels. Der wirklich große Wurf ist das Spiel daher leider nicht geworden.

Dennoch hat Monokel mit White Shadows ein sehr spannendes Debüt abgeliefert. In den zwei Stunden hatte ich trotz einiger Mängel meinen Spaß und bin schon sehr gespannt, was das nächste Projekt des Kölner Studios sein wird. Vielleicht ein cineastischer 2D-Platformer mit mehr Fokus auf das Platforming? Dies würde die Stärken von White Shadows am besten weiterentwickeln. Und mich wahrscheinlich schnell wieder aufmerksam werden lassen.

Getestet auf PlayStation 5. Ein herzlicher Dank geht an Monokel für die Bereitstellung des Mustercodes.