AI: The Somnium Files (Review)

Als ich ursprünglich einen Blick auf das Adventure AI: The Somnium Files von Spike Chunsoft geworfen hatte, hatte ich die Augen schnell wieder abgewendet. Die Beschreibung des Anfangs der Geschichte hatte mich etwas abgeschreckt. Eine erstochene Frau, der ein Auge entfernt wurde, und ein Mädchen mit einem Eispickel in der Nähe ließen mich übles ahnen, zumal ich bisweilen etwas empfindlich bin was Verletzungen und Verstümmelungen angeht. Nachdem ich mir schließlich doch einen Ruck gegeben habe erwies sich das rückblickend als unnötige Sorge. Allerdings hatte ich gar nicht im Blick, dass so manches im Spiel für Augenrollen sorgen könnte.

Story

Der Hauptcharakter Kaname Date, Mitglied der speziellen Polizeieinheit ABIS, wird zu einem verlassenen Vergnügungspark gerufen. Eine Frauenleiche wurde auf einem Karussel drapiert, ein Auge fehlt. Bei der Untersuchung des Tatorts findet Date ein Mädchen, das einen Eispickel hält. Obwohl das Mädchen verstummt ist, kann Date als ABIS-Mitglied womöglich dennoch Informationen aus ihr heraus bekommen. Denn ABIS ist eine geheime Spezialeinheit, die mit einer „Psync“-Maschine in die Träume anderer Personen eindringen kann. Kann Date so der Wahrheit näher kommen? Unterstützt wird er dabei von Aiba, einer hochentwickelten AI in seinem künstlichen linken Auge. Natürlich läuft nicht alles rund, es gibt Verwicklungen und drückende Situationen. Außerdem kann die Geschichte an manchen Punkten verschiedene Richtungen einschlagen, je nachdem, wie man im Psync handelt.

Am Fundort.

Überblick über den Ablauf

Genrebedingt gibt es bei AI: The Somnium Files natürlich jede Menge Text, hauptsächlich als Gespräche. Oft kann man sich an den verschiedenen Orten etwas umsehen, indem man die Kamera eingeschränkt dreht und per Cursor Personen oder Objekte anwählt. Viele Objekte und manche Gesprächsoptionen sind dabei optional. Teilweise wechselt man nach einem Gespräch automatisch an einen anderen Ort, teilweise kann man Orte aus einer Liste auswählen. Dabei kann man aber nichts wichtiges verpassen, weil man etwas übersieht oder eine falsche Reihenfolge wählt. Außerdem kann man per Flowchart in verschiedene freigespielte Storyabschnitte zurückkehren. Abzweigungen geschehen wie oben geschrieben durch Handlungen im Psync, in den Träumen anderer. Nicht alle Enden sind direkt erreichbar, sondern manche brauchen erst genug Fortschritt auf anderen Abzweigungen.

Die Zeit im Auge behalten: Psync

Wenn man per Psync in die Träume anderer eindringt, kann (und muss) man sich in begrenzten Bereichen bewegen und im Grunde Rätsel lösen. Dabei spielt man eine humanisierte Form von Aiba, die Dates Anweisungen folgt. Diverse interagierbare Objekte sind zu finden, die meist mehrere Aktionen bieten. Dabei ist nicht jedes Objekt oder jede Aktion hilfreich. Nach manchen kann sich die Umgebung ändern, oder andere Objekte werden verfügbar. Außerdem kosten Aktionen unterschiedlich viel Zeit, ebenso die Bewegung durch den Raum. Noch etwas komplexer wird es durch „TIMIEs“, Items die die durch Aktionen verbrauchte Zeit verändern. Diese erhält man nach manchen Aktionen bei Objekten. Darunter gibt es auch manche, die automatisch eingesetzt werden und die verbrauchte Zeit erhöhen. Wenn man die Zeitbegrenzung überschreitet, scheitert man. Man kann von einem Checkpoint neu versuchen, solange man noch Versuche übrig hat, oder den Psync neu starten.

Aibas menschliche Gestalt im Psync.

Eine Ausnahme bezüglich des Zeitlimits ist jedoch die letzte nötige Aktion. Mit dieser darf man das Limit überschreiten, ohne dadurch zu scheitern. Schafft man es jedoch mit mindestens einer Sekunde Restzeit, werden Artworks und Bilder im Album freigeschaltet. Ebenso, wenn man bestimmte versteckte Gegenstände im Psync findet. Nicht immer habe ich diese Zusatzherausforderungen geschafft, aber ich habe auch dem Fortlauf der Geschichte Vorrang gegeben, statt es öfter zu versuchen. Stellenweise klingen mögliche Aktionen so abwegig, dass ich sie allein deshalb genutzt habe, um das Ergebnis zu sehen.

Grund zum Augenrollen?

So mancher dürfte nicht zufrieden sein mit den sexualisierten Äußerungen, die vor allem Date des öfteren tätigt. So wird auch eine Frau von Date sehr auf ihre Oberweite reduziert. Außerdem ist das Outfit von Aiba in der humanisierten Darstellung untenrum recht knapp, wodurch beim Psync schnell mal ein Höschen ins Auge springen kann. Davon geht hier die Welt aber nicht unter. Desweiteren gibt es sehr, sehr viele Wortwitze beziehungsweise Wortspielereien. Das lässt sich aber stark reduzieren, wenn man nicht alles optionale untersucht. Abgesehen davon gibt es vereinzelt Sequenzen in der Story, die etwas absurd sind.

Dates Gedanken.

Keine Augenweide?

Den grundsätzlichen Stil und Charakterdesigns mag ich, allerdings stört auf Nintendo Switch das Aliasing teils etwas. Und wenn Einblendungen von Charakteren in Erinnerungen oder ähnlichem schlicht vergrößert werden, sieht das unschön aus. Außerdem ist die Framerate nicht stabil, und gerade im späteren Verlauf kam es zudem zu sekundenlangen Wartezeiten, bis Einblendungen auftauchten. Diesbezüglich könnten andere Versionen die bessere Wahl sein. Etwas skurril finde ich zudem, wenn sich die Oberkiefer beim Sprechen teils deutlich bewegen, obwohl sie fest am Schädel sein sollten.

Fazit: Einen Blick wert?

Wie sich für mich herausgestellt hat, ist AI: The Somnium Files nicht der befürchtete Psycho-Splatter, den ich mir in Gedanken ausgemalt hatte. Es gibt zwar die ein oder andere Stelle, die mir einen Hauch Übelkeit beschert hat, aber das ist insgesamt vernachlässigbar. Stattdessen gab es neben Spannung und drückenden Szenen auch jede Menge Humor, etwas Absurdität und reichlich sexuelle Gedanken vor allem des Protagonisten. Ich fühlte mich insgesamt gut unterhalten.

Fast schon ein putziges Maskottchen.

Da ich alle Routen ohne lange Pausen beendet habe, kam ich teils gedanklich etwas durcheinander und musste mit den Zusammenfassungen auf der Flowchart mein Gedächtnis auffrischen, um die Abläufe nachzuvollziehen. Die Musik hat mir gefallen, auch wenn ich kaum etwas außerhalb des Spiels einfach so anhören würde. Eine deutsche Übersetzung liegt nicht vor, Textoptionen sind Englisch, Japanisch und Chinesisch, die Sprachausgabe ist wahlweise Englisch oder Japanisch.

Wer bei den aufgeführten Kritikpunkten kein Problem sieht oder ein Auge zudrücken kann, darf ruhig mehr als einen Blick riskieren.

Getestet auf Nintendo Switch.