Pikmin 3 Deluxe (Review)

Es ist bereits einige Jahre her, am Ende der Lebensdauer der Wii U, dass Shigeru Miyamoto mit den Worten zitiert wurde, dass Pikmin 4 bereits beinahe fertiggestellt sei. Doch seitdem ist es um Pikmin sehr ruhig geworden. Etwa vier Jahre später meldet sich Pikmin nun auf der Nintendo Switch zurück, allerdings nicht, wie man vielleicht vermuten mag, mit einem neuen Teil, sondern mit einem erweiterten Port des Wii U-Teils Pikmin 3. Pikmin 3 Deluxe ist dabei mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert: Das Wii U-Original nutzte ein komplexes Set-Up aus Wii-Remote, Nunchuk, Wii U GamePad und Fernsehbildschirm, um vor allem im Missionsmodus das Maximum an Kontrolle zu garantieren. Wie gelingt es nun auf der Nintendo Switch, die Spielerfahrung zu transportieren?

Anders als in Pikmin und Pikmin 2 schlüpft man im dritten Teil nicht mehr in die Rolle des Raumfahrers Captain Olimar von Hokotate. Auch sein Begleiter aus dem zweiten Teil, Louie, steht nicht im Vordergrund des dritten Spiels. Stattdessen hat Miyamotos Team bei EAD sich gleich ein Trio neuer Protagonisten ausgedacht. Diese stammen von einem Planeten nahe Hocotate und stehen vor einem ernsthaften Problem. Ihre Welt bietet nicht mehr genug Nahrung für alle Einwohner und so sind die drei aufgebrochen um einen frisch entdeckten neuen Planeten nach Nahrung zu durchforsten. Wie es der Zufall so will, wird die Reise zu dem Planeten der Pikmin allerdings alles andere als ruhig. Beim Eintritt in die Atmosphäre wird das Raumschiff kräftig durchgeschüttelt, zwei von drei Besatzungsmitgliedern fallen gar aus dem Raumschiff heraus und das Schiff verliert wertvolle Teile, ohne die der Abflug vom Planeten der Pikmin nicht mehr möglich ist. Der Spieler schlüpft nun zu Beginn des Spiels in die Rolle des Raumfahrers Alph, der nicht nur seine beiden Kollegen wiederfinden, sondern zudem mit deren Hilfe auch das Raumschiff wieder in einen Raum-tauglichen Zustand bringen muss.

So schwierig diese Aufgabe auf einem unbekannten Planeten zunächst auch erscheinen mag, Alph kann auf eine unverhofft tatkräftige Unterstützung der Bewohner dieses Planeten zurückgreifen. Die Pikmin sind nämlich sehr soziale Lebewesen, nicht unähnlich den Ameisen, die die Erde bevölkern. Bis zu 100 Pikmin folgen Alph und später im Spiel seinen zwei Kollegen und erledigen allerlei Aufgaben für die Gäste aus dem All. Ob es um das Einreißen von Mauern geht, das Besiegen feindlicher Kreaturen – von zuckersüß wie dem großen Punktkäfer bis hin zu schrecklichen Gestalten wie einem Motten-ähnlichen Endgegner – oder den Transport von Früchten und Raumschiff-Bauteilen geht, die Pikmin erledigen ohne Widerspruch alle ihnen auferlegten Tätigkeiten.

So klein und schwach ein einzelnes Pikmin auch wirken mag, so mächtig sind sie – eine gute Führung vorausgesetzt – im Verbund. Selbst riesige Gegner können die Pikmin schlagen, wenngleich man immer riskiert eine stattliche Anzahl an treuen Helfern zu verlieren, wenn man nicht arg auf der Hut ist. Die Pikmin können allerdings die Kadaver erlegter Feinde zu der Zwiebel tragen, die sie bewohnen und so in Pikmin-Nachwuchs umwandeln. Ebenso können bestimmte Items verwendet werden, um neue Pikmin zu erhalten. In Pikmin 3 gibt es fünf verschiedene Pikmin-Sorten. Die roten Pikmin sind besonders stark im Angriff und feuerresistent, die blauen Pikmin hingegen können sich im Wasser bewegen, ohne zu ertrinken. Besonders hoch kann man die gelben Pikmin werfen, die zudem elektrischen Strom unbeschadet leiten können und somit auch zur Überbrückung defekter elektrischer Leitungen dienlich sind. Neu hinzugekommen sind die Stein-Pikmin, die Kristall-Strukturen und gläserne Hindernisse zerstören können, sowie die pinken Pikmin, die fliegen können.

Nicht mehr mit von der Partie sind hingegen im Story-Modus die aus dem zweiten Teil bekannten lilanen und weißen Pikmin. Dennoch brauchen Fans dieser Pikmin nicht traurig zu sein, denn im Challenge-Modus, der eine Reihe zusätzlicher Aufgaben neben dem Hauptspiel bietet, können auch die lilafarbenen und die weißen Pikmin verwendet werden. Was das Hauptspiel anbelangt ist es sehr erfreulich, dass Nintendo nicht alle sieben Pikmin-Sorten integriert hat. Einerseits ist der Unterschied zwischen den neuen Pikmin und den beiden Pikmin-Typen aus dem zweiten Teil nicht so gewichtig, dass man unbedingt alle vier Sorten benötigen würde, andererseits bleibt Pikmin 3, das ohnehin durch die drei spielbaren Charaktere schon ausreichend zusätzliche Komplexität bietet, so von nervigem Mikromanagement von sieben verschiedenen Pikmin-Sorten bei einer Kapazität von 100 Pikmin in der Spielwelt verschont.

Das Zeitlimit des ersten Pikmin-Teils ist in Pikmin 3 nicht mehr enthalten. Anders als in Pikmin 2 kann man sich aber auch nicht beliebig viel Zeit lassen. Stattdessen wurde dem Spieler ein variables Zeitlimit auferlegt. Alph, Brittany und Captain Charlie verfügen über einen Saft-Vorrat und müssen jeden Tag eine Flasche Saft trinken. Geht der Saftvorrat zur Neige und findet man keinen Ersatz für seine aufgebrauchte Nahrung, so ist das Spiel vorbei. Zum Glück gibt es in jeder Welt etwa 15 bis 20 Früchte zu finden, die mit den Pikmin eingesammelt und im Schiff zu Saft verarbeitet werden können. Die meisten Früchte geben mindestens eine Flasche Saft, wenn man also sicherstellt, dass man jeden Tag zumindest eine Frucht einsammelt, wird das Zeitlimit nicht gefährlich. Tatsächlich habe ich nach vollständigem Abschluss des Story-Modus im Hard-Modus noch etwa 60 Tage übriggehabt, die ich hätte verbrauchen können, obwohl ich bei weitem nicht optimal gespielt haben.

Das Leveldesign ist extrem gut gelungen und die verschiedenen Welten sind abwechslungsreich und stecken voller Geheimnisse. Die ersten Schritte in einer jeden Welt des Spiels erinnern stark an die Erkundungsabschnitte in Zelda-Spielen und spielen sich tatsächlich mehr wie ein Action-Adventure denn wie ein Strategiespiel. Insgesamt ist Pikmin 3 ein Strategiespiel im Action-Adventure-Gewand, das besonders großen Wert auf Erkundung und das Lösen von Rätseln legt. Eine gute Strategie ist vor allem notwendig, um ohne allzu großen Pikmin-Verlust die hervorragend gelungenen Endgegner zu schlagen oder aber möglichst zeiteffizient die verschiedenen Aufgaben der einzelnen Level zu absolvieren. Besonders wenn später auf der Karte alle fehlenden Früchte verzeichnet sind, kann man mit einer geschickten Einteilung seiner drei Charaktere und der Pikmin problemlos drei oder mehr Aufgaben auf einmal erledigen.

Um wirkliche Gleichzeitigkeit zu ermöglichen, erlaubt das Spiel dem Spieler, den jeweils ausgewählten Charakter zu einem bestimmten Ort auf der Karte zu schicken. Dieser bewegt sich dann samt seiner Pikmin automatisch zum gewünschten Ort und der Spieler kann sich derweil um einen anderen Charakter kümmern. Wer hierauf keine Lust hat, kann aber auch das ganze Spiel erfolgreich abschließen, ohne jemals seine Charaktere auf eigenständige Reise zu schicken. Wirklich meisterhaft ist in Pikmin 3 das Pacing. Nachdem Pikmin 2 durchaus aus Sicht mancher Spieler einige Längen aufzuweisen hatte, gerade bei den umfangreichen Höhlen, hat Nintendo in Pikmin 3 sichergestellt, dass der Spieler immer wieder überrascht wird. In jeder neuen Welt wird dem Spieler ein neues Konzept vorgestellt – sei es eine neue Pikmin-Farbe oder ein neuer spielbarer Charakter – dadurch eröffnen sich neue Wege in den alten Welten und neue Arten das Spiel zu spielen.

In Sachen Steuerung haben die Entwickler einige Tricks angewendet, um das Defizit der weniger genauen und schnellen Zielmöglichkeit mit dem Analogstick statt Pointer zu kompensieren. So kann man Gegner nun anvisieren und seine Pikmin auf Knopfdruck anstürmen lassen. Neben Gegnern lassen sich auch Sammelobjekte anvisieren. An den meisten Stellen im Spiel funktioniert das auch ganz gut, wenn allerdings sehr viele Objekte oder Gegner auf einmal in Reichweite sind, kann die Verwendung dieser Funktion schon einmal haarig werden. Man kann nämlich nicht selbst auswählen, welches Objekt anvisiert wird, stattdessen, muss man per Druck auf die Schultertaste zwischen den verschiedenen Objekten durchwechseln. Eine typische Situation in der die neue Steuerung so zum Problem werden kann, ist, wenn man einen großen Punktkäfer und viele kleine Punktkäfer zu bekämpfen hat und schnell die entsprechenden Ziele anvisieren muss. An diesen Stellen ist es dann oft besser, doch nur mit dem Analogstick manuell zu zielen, was aber zusammen mit dem Joycon-Drift zu einer Geduldsprobe werden kann. Meistens funktionier die Steuerung sehr gut, es sind aber die kleinen Momente, die doch dafür sorgen, dass in Sachen Spielbarkeit die Wii U-Version die Nase von behält.

Doch der Storymodus ist nicht der einzige Spielmodus, den Pikmin 3 zu bieten hat. Wahlweise alleine oder zu zweit kann man insgesamt 26 Missionen – den 16 aus dem Originalspiel und den 10 zusätzlichen DLC-Missionen – stellen, in denen es die Aufgabe ist, in einer fixen Zeit so viele Früchte einzusammeln wie möglich, Endgegner mit einer fixen Zahl an Pikmin so schnell wie möglich zu besiegen, oder aber in vorgegebener Zeit so viele Gegner wie möglich zu besiegen. Die Missionen greifen teilweise auf Teilgebiete aus dem Storymodus zurück, teilweise finden sie aber auch auf eigens für den Missionsmodus designten Karten statt. Nach Abschluss der Mission wird man mit einer Bronze-, Silber-, Gold- oder Platin-Medaille belohnt. Für die Platin-Medaille muss man wirklich nahezu perfekt spielen. In den Missionen in denen man Früchte sammeln muss, bedeutet das, dass man die Platin-Medaille nur erhält, wenn man jede Frucht eingesammelt hat, in den Missionen in denen man Gegner besiegen muss, ist es notwendig, alle Gegner in der gegebenen Zeit zu besiegen. Der Missionsmodus dürfte den Umfang des Spiels je nach spielerischem Geschick mindestens verdoppeln. Allerdings ist es auch der Missionsmodus, in dem die Pointer-Steuerung des Wii U-Originals besonders schmerzlich vermisst wird. Wer hier alle Platin-Medaillen holen möchte, muss sich noch ein Stück mehr ins Zeug legen, als auf der Wii U, oder aber auf den Mehrspielermodus zurückgreifen, der allein dadurch zusätzliche Zeit spendiert, dass man sich nicht um die Koordination des kooperativen Gameplays kümmern muss.

Schließlich gibt es auch noch einen reinen Mehrspielermodus für zwei Spieler. Jeder Spieler erhält eine Bingo-Karte auf der Gegner und Früchte verzeichnet sind. Die Spieler müssen dann so schnell wie möglich die Gegenstände von der Bingo-Karte auflesen. Wie in einem gewöhnlichen Bingo-Spiel ist es nun das Ziel, möglichst waagerechte, senkrechte oder diagonale Linien komplett zu füllen. Der Mehrspielermodus ergibt allerdings nur Sinn, wenn beide Teilnehmer erfahren in Pikmin sind, anderenfalls ist der Spieler, der das Spiel mehr gespielt hat, so sehr im Vorteil, dass der andere Spieler komplett chancenlos ist. Neu in der Deluxe-Fassung ist die Möglichkeit, auch den Story-Modus im Kooperationsmodus zu spielen, so dass Pikmin 3 Deluxe sich für das Spiel Partner geradewegs anbietet.

Obwohl Pikmin 3 Deluxe mit dem Download-Inhalt, zusätzlicher Multiplayer-Option im Story-Modus und einer überarbeiteten Steuerung bereits am oberen Ende der Wii U-Port auf Nintendo Switch ist, hat sich Entwickler Eighting nicht lumpen lassen und auch noch komplett neue Spielinhalte hinzugefügt. Ein nettes Detail ist, dass die Piklopädie aus Teil 2 wiederbelebt wurde und alle Elemente des Spiels mit kleinen Logbuch-Einträgen versehen wurden, die oftmals sehr quirlige Beschreibungen der Spielelemente beinhalten. Die wichtigste Neuerung sind aber Olimars Abenteuer und Olimars neues Abenteuer, insgesamt 14 neue Missionen, die auf den Karten des Hauptspiels spielen und sich spielerisch am Missionsmodus orientieren. Hier spielt man allerdings nicht Alph, Brittany und den Captain, sondern Olimar und Louie. In Olimars Abenteuer wird erzählt, wie Olimar und Louie in ihre unglückliche Lage im Story-Modus versetzt wurden, in Olimars neues Abenteuer begeben sich die beiden zurück auf den Planeten der Pikmin, um dort ihr Schiff zu bergen, denn ihr Boss ist alles andere als begeistert, dass die beiden Raumfahrer ohne Schiff zurückgekehrt sind.

Die neuen Missionen sind mit kurzen Introsequenzen, die üblicherweise etwas Slapstick-Humor enthalten, begleitet und bauen inhaltlich aufeinander auf, es gibt aber keinen zusammenhängenden Spielfortschritt. Das heißt, dass jede Mission für sich mit einer gegebenen Zahl an Pikmin gestartet werden kann. Wie im Missionsmodus wird man am Ende einer jeden Mission mit einer Medaille belohnt, wobei die Medaillen in den neuen Missionen einen sehr niedrigen Schwierigkeitsgrad haben: Ich habe über 14 Missionen hinweg nur drei Mal einen zweiten Versuch gebraucht, um die Platin-Medaille zu erhalten. Doch Schwierigkeitsgrad ist ja nicht alles, die Designer haben sich trotz bekannter Karten Mühe gegeben, sich neue Szenarien einfallen zu lassen, die durchaus interessant sind. Mal muss man sich nur mit pinken Pikmin gegen starke Gegner bewähren, ein anderes Mal müssen Olimar und Louie zueinander finden und sich dabei auf zwei getrennten Teilen der Karte jeweils mit den passenden Pikmin-Farben versorgen. Insgesamt habe ich etwa vier sehr unterhaltsame Stunden mit den neuen Missionen zugebracht. Wer das Original kennt, wird sich über die neuen Missionen freuen, ob die Neuerungen insgesamt einen Doppelkauf rechtfertigen, sie dahingestellt. Auf jeden Fall wird Kunden des Wii U-Originals diesmal durchaus etwas geboten.

Insgesamt ist Pikmin 3 Deluxe eine sehr gute Umsetzung eines exzellenten Spiels. Pikmin 3 ist meines Erachtens immer noch das beste Spiel dieser Konsolengeneration und Pikmin 3 Deluxe erweitert das Spiel dezent aber auf gelungene Weise. Es bleibt zu hoffen, dass diese clevere Mischung aus Strategie und Action-Adventure auf der Nintendo Switch eine größere Spielerschaft für sich gewinnen kann. Mit seinem meisterhaften Level-Design, dem perfekten Pacing im Story-Modus und dem höchst flexiblen Spielsystem ist Pikmin 3 Deluxe ohne Frage ein echtes Meisterwerk und erhält verdient den Gaming-Village-Stempel.

Getestet auf Nintendo Switch. Vielen Dank an Nintendo für die Bereitstellung des Testmusters.