Afterlove EP (Review)

Im narrativen Abenteuer Afterlove EP begleite ich einen Monat lang den jungen Musiker Rama bei seinem Versuch, nach dem Tod seiner Freundin Cinta zurück ins Leben zu finden. Mit Visual-Novel-Anleihen und einem an Persona erinnernden Kalendersystem kämpfe ich dabei um seine Band, suche nach einer neuen Liebe und helfe ihm vielleicht sogar beim Trauern. Der Titel behandelt einige schwierige Themen (auch beim männlichen Love Interest Satria), was euch beim Spielen bewusst sein sollte.

Bandinterne Differenzen

Rund ein Jahr nach dem Tod seiner Freundin wendet sich Rama an seine Bandmitglieder. Er hat neue Lieder auf Lager und möchte zurückkehren. Tasya und Adit, die beiden anderen Mitglieder der Band Sigmund Feud, sind verständlicherweise nach der Funkstille skeptisch. Trotzdem haben sie einen Gig am Monatsende als Vorband für L’Alphalpha. Die indonesische Indie-Rock-Band existiert tatsächlich und ist mit Songs in Afterlove EP vertreten.

Somit steht Rama vor einem Ultimatum: 28 Tage hat er Zeit, um zu beweisen, dass die Band mit ihm funktionieren kann. Nachdem sein Leben ein Jahr lang in der Schwebe hing, ist das kein leichtes Unterfangen.

Eine Pinnwand mit Fotos von Cinta und Rama.

Rama ist völlig in seinem eigenen Kopf gefangen. Doch dort ist er nicht allein, denn er hört die verstorbene Cinta noch immer mit ihm reden. Dass Cinta die einzige vertonte Figur ist, macht sie in gewisserweise echter als die anderen. Allerdings muss ich zugeben, dass es nach einigen Spielstunden mühselig wurde, darauf zu warten, dass sie zu Ende gesprochen hat, während ich die Textboxen schnell durchlese.

Dass Cinta mit Rama spricht, sorgt auch häufig für unangenehme Momente. Wobei das Problem vielmehr ist, dass Rama auf ihre Worte antwortet. Obwohl die anderen sie nicht hören können. Auch wenn Cinta letztlich nur ein Abziehbild seiner verstorbenen Liebe ist, ist sie für Rama doch echt genug. Er hört meist auf Ratschläge von Cintas Stimme, selbst wenn er ihr auch Widerstand bietet. Auch wenn die Stimme generell helfen will (wobei sie aufblühenden Beziehungen kritisch gegenübersteht), hält sie Rama oft zurück.

Wie sehr Rama auf sich selbst und seinen eigenen Schmerz fokussiert ist, könnte anstrengend sein, ist aber auch ein glaubwürdiges Verhalten. Er muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass Cintas Tod auch an den anderen nicht spurlos vorbeigezogen ist. Selbst wenn deren Leben nicht stehengeblieben ist und sie allmählich ihre Geduld mit Rama verlieren.

Therapeutin: "It's what you can do for your friend as well. I bet you she's hurting."
Cinta

Fortan bietet Afterlove EP einige unterschiedliche Dinge, mit denen Rama seine Zeit bis zum Auftritt verbringen kann. Jeder Tag bietet jeweils zwei Zeitslots, die vereinzelt mit Pflichtgesprächen belegt werden, zumeist aber frei gestaltet werden können.

Innerhalb einer detailreichen Spielversion des indonesischen Jakarta bewegt sich Rama dabei an fünf verschiedenen Orten frei. So kann er als Straßenmusiker Gitarre spielen und singen oder Erinnerungen an Cinta aufleben lassen. Aber sich auch mit den Love Interests treffen oder einer erneuten Therapie Chancen geben. Verschiedene NPCs sind auch zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten zu finden, die keine Zeitslots verbrauchen, aber die Stadt beleben. Meine liebsten Charaktere waren dabei ein Verschwörungstheoretiker mit sehr viel Geheimwissen und ein Pärchen, das viel Zeit im Musikladen verbracht hat.

Dadurch, dass die Cinta der Gegenwart eine Stimme in Ramas Kopf ist, ist sie schwer zu fassen. Sowohl in Therapiesitzungen als auch in Gesprächen mit Leuten, die Cinta kannten, wird klar, dass der Charakter der Stimme nicht mit dem Charakter der Verstorbenen übereinstimmt. Gleichzeitig wird aber auch mehrfach darauf Bezug genommen, dass verschiedene Personen sich unterschiedlich an Erlebnisse erinnern können. Auch wenn ich also insgesamt elf Erinnerungsszenen finden kann, bleibt Cinta schwer zu erfassen. 

Dadurch, dass Cinta immer da ist, selbst wenn die Stimme nicht wirklich Cinta ist, und dass Erinnerungen infrage gestellt werden, blieb Ramas Trauer für mich sehr abstrakt. Zumindest vermute ich, dass es daran liegen könnte. Im Vorfeld hatte ich damit gerechnet, dass Afterlove EP wegen der Thematik emotional aufreibend sein würde, aber tatsächlich konnte ich einfach nicht connecten.

Neben besuchten Therapiesitzungen beeinflussen auch gefundene Erinnerungen an Cinta die Enden der vier verschiedenen Charakterrouten. Das ist zwar ein wenig undurchsichtig, da die Erinnerungen keinen direkten Einfluss zeigen, aber letztlich ist Cintas Stimme auch während der Romanzen ständig präsent.

Rama überzeichnet farblos gehalten: "How did you ...?"
Dating

Afterlove EP ist keine klassische Dating Sim. Die drei Charakterrouten sind immer auch mit Cinta verknüpft, da sie für Rama noch immer so präsent ist. Die dichtende Mira erinnert Rama dabei sehr an Cinta, während Model Regina sich gerade erst von seinem besten Freund Adit getrennt hat. Habe ich mich für eine Charakterroute entschieden, kann ich mich jedoch immer noch mit den anderen Charakteren anfreunden. So hat Rama beispielsweise Mira dabei geholfen, sich auf eine neue Weise kreativ auszutauschen, während er sich mit Satria getroffen hat.

Satria war auch meine erste Wahl. Rama neben dem drohenden Aus der Band und der Verarbeitung von Cintas Tod auch noch die Auseinandersetzung mit seinem plötzlichen Interesse an einem Mann aufzubürden, war vielleicht ein wenig fies, aber mich hat er sofort für sich eingenommen. Auch wenn die beiden völlig anderen Punkten in ihren Leben stehen und ich ein bisschen ein ungutes Gefühl dabei hatte.

Die für mich memorabelsten Szenen des Spiels finden in Satrias Route statt. Rama ist zwar immer ein wenig schwer von Begriff, aber die eine oder andere plötzliche Erkenntnis ist sehr amüsant, und auch der Kinobesuch hat mir sehr gefallen.

Je nach Charakterende entsteht ein Bruch zwischen den letzten Szenen zwischen beiden Charakteren und der Endszene nach dem Durchspielen. Teils auch dadurch, dass Therapie und Erinnerungen keinen direkten Einfluss auf die Dates nehmen. So entfalten sich die Beziehungen identisch, aber ein gutes Ende wird zu einem schlechten, wenn die entsprechenden Nebenaufgaben nicht ausreichend erledigt wurden.

Satria: "Don't take this the wrong way, but you're a little heavy on the emo singer-songwriter vibes."
Eine weitere neue Liebe?

Durch die verschiedenen Routen bietet Afterlove EP in der Theorie einen großen Wiederspielwert. Die Umsetzung jedoch ist nicht ausreichend Visual Novel, um wirklich dazu zu motivieren, erneut zu spielen und eine andere Route (oder gar dieselbe Route mit anderem Ende) zu verfolgen. Sehr wenige Momente lassen sich komplett überspringen, darunter die gelegentlichen Rhythmusspiele, die eher simpel gestaltet sind.

Bereits gelesene (und ungelesene) Texte lassen sich nur vorspulen, wobei die Geschwindigkeit nur gerade so zu hoch ist, um die Texte zu lesen. Entscheidungen oder neue Szenen zu erreichen, dauert also eine Weile. Zudem sind die Voraussetzungen für bessere Enden so gestaltet, dass sie zu noch mehr Wiederholung führen. Zudem gibt es keine Markierung bereits ausgewählter Antworten und die Anzahl an verfügbaren Speicherständen ist sehr gering.

Die Laufwege dazwischen sind zwar nicht besonders lang, aber gerade am Spielende gibt es eine längere Sequenz, die sich jedes Mal wiederholt, ohne sich wirklich abkürzen zu lassen. Hinzu kommt, dass bei meinem ersten Durchgang das Spiel nach den Credits abgestürzt ist, weshalb ich die Sequenz bereits für mein erstes Ende wiederholen musste.

Bildschirm aus dem Rhythmusspiel mit gezeichnetem Hintergrund und Notenlinien von links und rechts.
Noten tauchen entweder von rechts oder von links auf.
Fazit

Trauer ein Zeitlimit aufzudrücken, passiert im echten Leben gern auf unsensiblere Art als in Afterlove EP. Im spielerischen Zeitrahmen hat ein Monat eine völlig andere Bedeutung. Schließlich können sich auch Beziehungen innerhalb weniger Tage von Szene zu Szene organisch weiterentwickeln. So ist der Trauerprozess zwar auch für Rama nicht linear, aber er kann einen Weg finden, bewusster mit seinem Verlust umzugehen. 

Dass ich persönlich mich emotional eher distanziert gefühlt habe, ist zwar schade, aber das kreide ich dem Titel nicht an. Tatsächlich störend sind die vorhandenen Hindernisse bei jedem weiteren Durchgang nach dem ersten. Sich wiederholende Stellen lassen sich meist nur langsam vorspulen, nicht aber überspringen. Bei einem einzelnen Ende fällt das nicht ins Gewicht, bei insgesamt vier Charakterpfaden jedoch bestehen dann große Teile der Spielzeit aus Wiederholung. Das ist vor allem deshalb schade, weil die einzelnen Pfade durchaus überzeugen können, sich überlappende Ereignisse jedoch stark an Impact einbüßen. In gewisser Weise findet sich so der Weg vorwärts nicht. Da die verschiedenen Pfade ein integraler Bestandteil des Titels sind, reicht es leider nicht mehr ganz für eine grüne Ampel, auch wenn sich ein Blick auf Afterlove EP durchaus lohnen kann.

Herzlichen Dank an Fellow Traveller für die Bereitstellung des Testmusters. Test der Nintendo-Switch-Version auf Nintendo Switch 2.