
Humor ist, wenn man trotzdem lacht, behauptet der Volksmund. Dieser ist wohl auf selbigen gefallen, denn so richtig kann ich das nicht glauben. Zu oft habe ich Filme und Videospiele erlebt, bei denen irgendwie alle lauthals lachen müssen. Und ich kann mir vielleicht gerade so ein Schmunzeln abgewinnen. Mein Humor ist seltsamer – vereinzelt extrem blöd, dann wieder über zu viele Ecken gedacht. Darum habe ich es oft schwer, den Appeal von Comedy-zentrierten Werken vollumfänglich zu erfassen. The Holy Gosh Darn begegnete ich daher zurecht mit ausreichend Skepsis. Und diese konnte das engelsgleich-absurde Abenteuer wie ein göttlicher Sturm einfach so hinwegfegen!
Alle Hunde kommen in The Holy Gosh Darn in den Himmel
Meine Skepsis im Vorfeld war auch nicht wirklich unbegründet. 2016 erschien mit Manual Samuel das Debüt von Perfectly Paranormal und so richtig zünden konnte der Titel leider nicht bei mir. Allen voran der Humor machte es mir schwer, wodurch ich dem abstrakten Adventure, in dem wir Samuel “manuell” steuern, keine richtige Chance einräumen konnte und wollte. The Holy Gosh Darn hingegen sprach mich jetzt acht Jahre später enorm an, weil mit Zeitreisen ein Thema involviert ist, das ich einfach fantastisch finde.
Wir schlüpfen in die Rolle von Cassiel, einem Erzengel des Himmels. Doch der Himmel ist nicht so, wie es sich manche von euch ausmalen würden. Gott ist fort, die heiligen Straßen verfallen zusehends und anstatt kriegerische Werke Gottes zu verrichten, rät Cassiel mit seinem Freund Puriel den nächsten Neuankömmling. Und weil wir alle ja wissen, dass alle Hunde in den Himmel kommen…
An Menschen hingegen mangelt es im Himmel. Doch eines Tages passiert das Unglück: Tausende Phantome – Seelen von Verstorbenen, deren Zeit eigentlich nicht gekommen sein sollte – überfluten den Himmel. Eine Explosion später existiert er nicht mehr. Was ein feuchter Traum mancher Atheisten! Doch der Tod hat etwas dagegen, denn er ist schuld an den Phantomen. Und er beauftragt Cassiel damit, die Apokalypse des Himmels aufzuhalten. Zu diesem Zweck leiht er uns eine magische Uhr, mit der wir sechs Stunden in die Vergangenheit reisen können. Mit ihrer Hilfe müssen wir das Holy Gosh Darn finden, ein Artefakt Gottes mit unaussprechlichen Kräften.
Ich mag meine Religions-Comedy am liebsten blasphemisch
Doch eine solche Zeitreise hat ihre Tücken. Wer Filme wie Groundhog Day oder Happy Deathday kennt, wird sich schnell in den Loop von Holy Gosh Darn einfinden. Wir erwachen plötzlich um 12 Uhr eines Tages und uns bleiben lediglich sechs Stunden Zeit, bis die Phantome kommen. Gemeinsam mit dem geschwächten Tod suchen wir nach einer Möglichkeit, das heilige Artefakt in die Finger zu bekommen. Doch was ist das Holy Gosh Darn? Warum zum Teufel fluchen Engel so viel? Und arbeitet Gott wirklich in “Mysterious Ways”?
Diese und weitaus mehr sinnvolle und sinnlose Fragen sind unser ständiger Begleiter. Wir begegnen dabei nicht nur zahlreichen Figuren der biblischen Mythologie, sondern besuchen auch Helheim und mischen uns unter das gemeine Menschenvolk. Vonseiten der Story bin ich als alter Religionsstudent ungemein unterhalten worden. Denn ich liebe es, wenn es in Geschichten dieser Art so richtig schön blasphemisch wird. So stellt sich halt irgendwann – Nietzsche würde sich freuen – beispielsweise heraus, dass Gott tot ist. Und die Engel? Tjoa, hätten gedacht, es würde sie mehr treffen. Egal, weiter im Alltag!
Die Welt von The Holy Gosh Darn ist stimmig und strotzt meiner Ansicht nach vor guten Ideen. Und der Humor? Hat mir in den meisten Fällen ungemein gut gefallen. Comedy-Spiele haben es oft schwer bei mir, weil bei mir viel durch Charaktere oder dem Anspruch dahinter getragen wird. Cassiel ist mir beispielsweise sofort ans Herz gewachsen und nahezu jeder andere Charakter hat mindestens ein Markenzeichen, was für humorvolle Momente sorgen wird.
Gerade die Dialoge gefallen mir sehr gut. Aber auch Szenen wie den Busdiebstahl mit alter Dame, um irgendwie als Engel in die Hölle zu kommen. Die Mischung macht es in The Holy Gosh Darn, auch wenn natürlich nicht alle Witze zünden (Stichwort “Arschgesicht”..hoho, wie ulkig…).
Gebot 1: Sei nett zu deinen Mit-Engeln!
Dreh- und Angelpunkt ist selbstverständlich die Zeitschleife, in der wir uns befinden. Sie füllt nicht nur jede Szene mit der Extra Prise Humor an, sondern dient als Grundlage für unser Gameplay. The Holy Gosh Darn ist ein 2D-Adventure, in dem wir verschiedene Level erkunden und die darin befindlichen Figuren kennenlernen. Die vom Tod geliehene Uhr ermöglicht es uns, in 15-Minuten Schritten vor und zurück zu reisen. Zudem können wir einen individuellen Zeitstempel setzen, um eventuell wieder dahin zurückkehren zu können.

Die schwierigsten Faktoren dürften sicherlich Informationen und Reisestrapazen sein. Erstere erhalten wir vor allem durch Gespräche mit anderen Wesen des Dies- und Jenseits. Doch obacht – Gesprächsführung ist ein delikates Problem in The Holy Gosh Darn. Manche Charaktere mögen es gar nicht, wenn Cassiel sie zur Eile antreibt. Diese können dann mit einer falschen Antwort sogar komplett abblocken. Andere lassen sich nicht hetzen und sind wahrlich ein Problem für das optimale Zeitmanagement. Und wieder andere haben von Grund auf Stress mit Cassiel. Zu viel gemeinsame Geschichte, kein Wunder bei eigentlich unsterblichen Wesen.
Den richtigen Pfad in diesen Dialogen zu finden, ist vor allem unterhaltsam. Spielerisch richtig spannend wird es hingegen bei den diversen Missionen, die wir zu erledigen haben. So soll sich zu Beginn das Holy Gosh Darn in einem hoch gesicherten Bunker befinden. In diesen innerhalb der sechs Stunden zu gelangen, verlangt von uns Wissen über die Geschehnisse der aktuellen Zeitlinie einerseits, aber auch der notwendigen Zeit, die wir für gewisse Aktionen benötigen. Kaffee kochen kann so leicht zu einem sehr unerwünschten Hindernis werden.
Zurück wieder, immer wieder
Nur durch stete Wiederholung der Situationen und Anpassen unserer Möglichkeiten lassen sich die optimalen Routen finden, um das Holy Gosh Darn in Händen halten zu können. Vor allem, wenn im späteren Verlauf andere Gebiete wie die Hölle oder Helheim hinzukommen, wird das Zeitmanagement dementsprechend komplexer. Da wir selbst mit der Uhr Herr über die Zeit sind, fühlt sich das Knobeln nach den richtigen Zeitabläufen ungemein befriedigend an. Titel wie 12 Minutes oder Outer Wilds unterwerfen uns da viel mehr der Zeit.
Im Verlauf von Holy Gosh Darn setzen sich dann – je nach Fortschritt in der Story – manche Dinge zurück. Allerdings gibt es auch Dinge, die wir lediglich durch den kreativen Einsatz der Uhr sowie mit offenen Augen bewerkstelligen können. Besondere Gegenstände können die Fähigkeiten unserer Uhr verstärken, sodass wir beispielsweise Items mit durch die Zeit nehmen können. Oder wir suchen für einen der Ältesten seine zahlreichen, versteckten Geschwister und…beleidigen sie…ja, nicht jeder Gag zündet gleichermaßen.

Und so wandern wir auf fast unmöglicher Mission durch die unterschiedlichen Welten, tüfteln Abkürzungen aus und bewegen uns mit diversen Schlüsseln durch Raum und Zeit. Gerade spielerisch habe ich die vielen Ideen von The Holy Gosh Darn nicht erwartet. Zudem sind die Informationen durch Dialoge oder andere Faktoren des Spiels bei einem erneuten Besuch zumeist direkt vorgegeben. Auf diese Weise kommen nicht allzu viele Wiederholungen auf uns zu, die eventuell in eine Sackgasse führen. Perfectly Paranormal beweist hier ein ungemein gutes Gespür dafür, wann es uns lenken sollte und wann wir frei die Welt erkunden und Schabernack treiben dürfen.
Erstarrt vor der glamourösen Macht des Holy Gosh Darn
Wenn wir dann letzten Endes den Himmel gerettet und zahlreiche neue Freunde und Feinde auf unserer göttlichen Mission erhalten haben, blicken wir je nach Spielstil auf knapp acht unterhaltsame Spielstunden zurück.

Und dies hätte ich im Vorfeld wirklich nicht erwartet. The Holy Gosh Darn ist nicht nur in den meisten Szenen ungemein komisch, sondern gefällt auch mit seiner Zeitreise-Mechanik. Wir sind in diesen wenigen Stunden bis zur Apokalypse Herrscher über die Zeit. Wir können bürokratische Prozesse ad absurdum führen, Busse kurzschließen oder unseren besten Freund beim Hunderassen-Raten verblüffen. Und Florple erst, das Spiel in Spiel, welche horrende Schwachsinnigkeit… Natürlich ist beim Humor nicht alles Gold, was glänzt, doch die Masse an guten und sympathischen Ideen macht es bei Holy Gosh Darn aus. Auch wenn der Narrative im Finale ein wenig die Luft ausgeht, hätte ich mir definitiv noch mehr gewünscht. Oder alternativ dazu anspruchsvollere Rätsel, denn der Gameplayloop hat mir ungemein Spaß gemacht. Zumindest ist The Holy Gosh Darn definitiv meine Überraschung des Jahres und wer humorvollen Adventures auch nur ein bisschen was abgewinnen kann, der sollte definitiv einen Blick riskieren.
Mit alten Ladies auf PlayStation 5 Busse gestohlen! Ein herzlicher Dank geht an Yoggscast Games und Perfectly Paranormal für die Bereitstellung eines Mustercodes.