
Das Prince of Persia-Franchise gehört zu meinen liebsten Spielereihen überhaupt. Den allerersten Ableger habe ich auf Game Boy geliebt. Und gehasst und weggelegt. Dann wieder angefangen und wieder geliebt. Dann wieder gehasst. Jahre später habe ich dann die Sands of Time-Trilogie so sehr geliebt, dass ich bei einem Urlaub in London extra meine PlayStation 2 mitgenommen habe, um Warrior Within weiterspielen zu können. Inklusive Suche in der Fremde nach einem Adapter für englische Steckdosen! Nach missglücktem Kino-Debüt wurde es still um die Reihe. Und niemand wird mich davon überzeugen können, dass die VR-Experiences relevante Ableger der Reihe waren. Erst letztes Jahr kehrte der Prinz stilsicher mit The Lost Crown wieder. Dieses Jahr folgte nun der Release von The Rogue Prince of Persia. Als Fan des Franchise kann man sich echt nicht mehr beklagen. Erst recht nicht über das hohe Niveau der Rückkehrer.
Hoher Prinzenadel verpflichtet in The Rogue Prince of Persia
Wir hätten es erwarten dürfen. The Lost Crown wurde bereits von dem in meinen Augen besten Studio im Hause Ubisoft, Montpellier (u.a. Rayman Legends), entwickelt. Und auch The Rogue Prince of Persia ließ Großes hoffen. Evil Empire ist ein kleines Team, welches sich nach der Entwicklung von Dead Cells von Motion Twin abgespalten hat, um den populären Roguelite-Titel weiterhin mit DLC zu unterstützen. Motion Twin würde sich stattdessen neuen Projekten zuwenden.
Witzig finde ich in dem Zusammenhang, dass letztlich Evil Empire schneller war und ein eigenes Projekt auf die Beine gestellt hat. Windblown von Motion Twin steckt weiterhin im Early Access, welchen The Rogue Prince of Persia im August nun verlassen hat. Und in meinen Augen spürt man die Erfahrung, die Evil Empire mit Roguelite-Platformern in den vergangenen Jahren gesammelt hat. Oberflächlich ließe sich The Rogue Prince of Persia wie nämlich wie eine Hybride aus Dead Cells und Hades mit einer Prise schnellem Parcouring beschreiben.

Letzteres hatte in meinen Augen Dead Cells nur bedingt und wird hier mit dem Rogue Prince fantastisch realisiert. Wie im Franchise üblich rennt, springt und klettert unser namenloser Prinz scheinbar mühelos durch die Level. Säulen und Stangen dienen dem Traversal, um geschwind Abgründe, Fallen oder sogar Gegnern auszuweichen. In Verbindung mit dem Kampfsystem gibt es einen Flow, den ich selten in der Form bei einem Spiel mit diesen Elementen vorgefunden habe.
Unsere Heimat in Schutt und Asche
Einen solchen Flow hinzubekommen kann spielerisch enorm wichtig werden. Als namenloser Prinz müssen wir den Angriff der Hunnen auf unser Königreich abwehren. Bei unserem ersten Versuch fallen wir allerdings deren Anführer Nogai schnell zum Opfer. Tödlich verletzt werden wir von einer geheimnisvollen Schamanin in einer nahen Oase gepflegt und erwachen drei Tage später erneut. Der Angriff ist im vollen Gange und unsere Familie ist in alle Himmelsrichtungen verstreut.
Sofort machen wir uns auf den Weg, wohl wissend, dass unser Prinz ein Geheimnis mit sich trägt. Denn als Kind bekam er von Reisenden einen Anhänger geschenkt, der ihm die Macht verlieh, bei seinem Tod in der Zeit zurückzukehren. Dies hat uns über die Jahre zu einem Draufgänger geformt, nicht würdig den Thron zu erben. Wer keine Konsequenzen zu befürchten hat, kann halt auch keine weitreichenden Entscheidungen treffen. Doch dieses Mal muss alles anders sein, denn das Schicksal unserer Familie und des Königreichs steht auf dem Spiel.
Und so folgen wir in The Rogue Prince of Persia der Spur der Verwüstung, die von den Hunnen auf dem Weg in die Stadt hinterlassen wurde. In abwechslungsreichen 2D-Arealen gilt es insgesamt acht Level zu absolvieren, um am Ende Nogai im Thronsaal herausfordern zu können. Ein einzelner Durchgang variiert je nach Erfolg zwischen ungefähr 20 und 50 Minuten und sobald wir sterben, kehren wir zurück zur Oase.
Ein Roguelite…lite?
Wer einmal ein Roguelite gespielt hat – vor allem die vorhin erwähnten – der dürfte sich schnell in The Rogue Prince of Persia heimisch fühlen. Während eines Durchgangs sammeln wir Ressourcen und Erfahrungspunkte, die uns perspektivisch langfristig belohnen. Gold hingegen ist eher eine Währung für den jeweiligen Durchgang und die dort vorhandenen Shop- oder Upgrade-Möglichkeiten. Zurück in der Oase schalten wir neue Waffen und Amulette frei oder verwenden Fähigkeitspunkte, um noch besser auf kommende Gefechte eingestellt zu sein. Nach einem erfolgreichen Durchgang schaltet sich zudem ein Herausforderungsmodus in der Oase frei. Hier lassen sich Elemente des Spiels erschweren, um die Dropraten zu verbessern. Je riskanter, desto erfolgreicher können wir also sein.
Die dadurch einsetzende Progression von The Rogue Prince of Persia ist meiner Ansicht nach allerdings viel zu steil. Zu schnell können wir mit den meisten Leveln problemlos klarkommen und nach nicht einmal zwölf Stunden habe ich das Spiel “durchgespielt”. Damit ist im Grunde die gesamte Handlung gemeint, denn in der Theorie ließe sich das Spiel weitaus länger spielen, um wirklich alle Dinge zu entdecken.

Problem ist allerdings, dass es kaum spielerisch Sinn macht, The Rogue Prince of Persia komplett auszureizen. Anders als in anderen Genre-Vertretern sind zwar Builds möglich, die kleinere Synergien bieten, allerdings sind diese in der Regel nicht notwendig und weitaus schwieriger aufzubauen. Weitaus mehr Sinn macht es, wenn wir uns in jedem Durchgang auf die für uns persönlich beste Waffe mit den besten Werten verlassen. Und sobald sie in den Level auftaucht, versuchen wir Schadensboosts über die Amulette zu erhalten. Weitaus einfacherer Plan, als komplexe Builds zu schmieden. Dies gelang eher durch Zufall.
Was Nettes für die Ohren des Rogue Prince
Dabei macht The Rogue Prince of Persia prinzipiell alles richtig. Es motiviert im Verlaufe des Spieles sehr, die einzelnen Level zu besuchen, mit den abwechslungsreichen Waffen auf den Gegnern einzuprügeln und auf der Suche nach der nächsten Ebene zu sein. Evil Empire lässt hier meiner Ansicht nach die Muskeln spielen, die sie bei Dead Cells gestählt haben. Kämpfe sind schnell und wuchtig, das Gegner-Design abwechslungsreich. Zudem warten immer wieder Buffs wie Schilde oder andere Spielereien auf uns, um Kämpfe in den Leveln spannender zu gestalten.
Gepaart mit der Agilität des Prinzen wird mit zunehmender Spieldauer das Durchkommen immer flüssiger. Zumindest je nachdem, welchen Spielstil wir in einem Durchgang annehmen wollen. Zusammen mit dem richtig tollen Soundtrack, der weiß, wann er wuchtig sein und wann ruhige Töne anschlagen sollte, machte mir jeder Durchgang immer wieder aufs Neue Spaß.
Um sich innerhalb eines Durchganges so stark wie möglich zu machen, gibt es immer wieder zahlreiche Möglichkeiten in den prozedural generierten Leveln. Goldene Truhen lassen Waffen oder Amulette fallen, Altare bieten uns kostenlos eine zufällige Auswahl an und Shops geben uns im Austausch für Gold neue Ausrüstung. Trotz dieser sich wiederholenden Elemente fühlt sich jedes Level anders an. Dies hat einerseits optische Gründe, aber auch spielerische. Manche Areale haben andere Gegnertypen zu bieten, wieder andere nutzen Levelelemente, die das Traversal verändern.
Ubisoft, macht weiter so!
Ein wenig Ernüchterung empfand ich bei der Auswahl der Bossgegner. Insgesamt gibt es sechs verschiedene, wobei die ersten vier mit der Zeit variabel sein können. Leider waren sie in meinen Augen sehr schnell von der Roguelite-Progression derart überholt, dass sie trotz interessanter Ideen spielerisch kaum ihr Potenzial entfalten konnten. Vor allem das Finale fand ich hier sehr schwach, wo ich es beinahe im ersten Versuch geschafft hätte. Dies gelang nur nicht, weil ich den Kampf zu früh betreten und somit nicht alle Möglichkeiten des Levels zuvor ausgeschöpft hatte.
Dazu kommt, dass The Rogue Prince of Persia eine seltsame Struktur von der Narrative aufgedrückt bekommen hat. Sie ist grundsätzlich in Ordnung und ich mochte das Ende sehr. Über den Verlauf des Spiels stehen unser Bruder sowie unsere Eltern im Fokus, die es in den Leveln der Stadt aufzuspüren gilt. Wir bekommen demnach immer wieder eine neue Mission, die es zu erfüllen gilt. So schalten sich auch neue Gebiete frei, die wir nach und nach erkunden müssen. Zusammen mit der zu schnellen Progression hatte es zur Folge, dass ich nach einem erfolgreichen Durchgang mit drei Bossen noch nicht mit der Story durch war. Ich stöberte also erst den alternativen zweiten Boss auf, danach den alternativen ersten Boss. Mit dem Wissen und den Fähigkeiten im Gepäck war vor allem letzterer Boss eine Ernüchterung.

Man merkt daran deutlich, dass sich The Rogue Prince of Persia zwar an vielen Genrevertretern bedient, aber niemals dasselbe Level erreichen kann. Zu offensichtlich ist das Roguelite-Design zwar narrativ passend, aber wird spielerisch zu oberflächlich behandelt. Dabei liegt das Potenzial des Spiels so offen vor uns! The Rogue Prince of Persia beweist seine Stärken im schnellen Gameplay, ob es sich nun um das Platforming dreht oder die Kämpfe. Oder vielmehr die Verbindung beider Elemente.
The Rogue Prince ist zwar selten wirklich herausfordernd – selten für Roguelites -, aber bietet die wichtigste Zutat eines Spielerlebnisses: Spaß! Hier wird sicherlich nicht das Genre-Rad neu erfunden, aber es dürfte mit Sicherheit ein würdiger Vertreter der Reihe sein. Nach The Lost Crown und nun diesem Spiel würde ich es einfach mal fordern: Ubisoft – bleibt bei 2D, denn das scheint dem Prinzen aktuell am besten zu stehen.
Persien vor den Hunnen auf PC verteidigt. Ein herzlicher Dank geht an Evil Empire und Ubisoft für die Bereitstellung eines Mustercodes.