Uncharted Lost Legacy (Review)

Mit der Uncharted-Franchise hatte ich einen alles andere als guten Start. Der erste Teil gehört zu den Musterbeispielen für in meinen Augen unbrauchbares Design und der zweite Teil und Golden Abyss haben meinen Eindruck nicht wesentlich verbessern können. Nach sehr guten Erfahrungen mit den Tomb Raider-Spielen habe ich mit Lost Legacy der Reihe noch einmal eine Chance geben wollen, auch, weil Inspirationen durchaus in beide Richtungen gehen können.

In Uncharted: The Lost Legacy übernimmt man erstmals in der Reihe nicht die Kontrolle über den charismatischen Helden Nathan Drake, sondern Chloe Frazer, die Widersacherin aus Uncharted 2 und 3. Als selbstständige Schatzjägerin gerät sie allerdings schnell in ähnlich brenzlige Situationen wie der langjährige Serienheld. Unterstützt von der Sölderin Nadine Ross muss sie also schnell nicht nur die Augen nach archäologischen Sensationen offenhalten, sondern auch ihr Leben schützen. Die Geschichte wird wie gewohnt mit deutscher Sprachausgabe und einer Kombination aus in-Engine Zwischensequenzen und Gameplay-begleitenden Konversationen vorangetrieben. In recht hoher Frequenz setzt Uncharted: The Lost Legacy dabei auch auf künstlich verlangsamte Abschnitte, um mehr Zeit für die Exposition zu haben.

Die Geschichte ist inhaltlich nicht so interessant, dass sie die Einschränkungen des Spiels rechtfertigen würde, dreht aber gegen Ende des Spiels mit ziemlich irren Setpieces, die weit jenseits jeder Glaubwürdigkeit rangieren noch einmal deutlich auf und gibt dem Spiel ein gewisses B-Movie-Flair. Für Spieler, die hierfür empfänglich sind, enthält Lost Legacy auch einen emotionalen Moment zwischen den Protagonisten und einem milden Wildtier, der ein wenig an eine berühmte Szene in The Last of Us erinnert.

Spielerisch ist The Lost Legacy im Vergleich zu den PlayStation 3-Spielen ein deutlicher Schritt nach vorn, ohne aber auch nur in die Nähe der Designqualitäten der Tomb Raider-Trilogie zu gelangen. Spielmechanisch im Mittelpunkt steht weiterhin der Kampf in Form von Third Person-Shooter-Abschnitten, wobei die Entwickler die Frequenz im Vergleich zur Vergangenheit der Serie drastisch reduziert haben. Tatsächlich hat Lost Legacy nur circa fünf nennenswerte Shooter-Abschnitte, die dafür aber auch nicht mehr reine Schießstände sind, sondern dem Spieler mit kleinen Stealth-Optionen und Mobilitätsoptionen mehrere Vorgehensweisen ermöglichen. In Sachen Flexibilität und Einfallsreichtum hinken die Shooter-Sequenzen Tomb Raider (2013) zwar merklich hinterher, sie sind aber kompetent designt.

Einen bedeutend größeren Rahmen als in den PlayStation 3-Spielen nimmt die Kletterei und die – nach wie vor belanglosen – Rätsel ein. Bei der Kletterei hat Naughty Dog einige Fortschritte hinsichtlich der Interaktivität gemacht und insbesondere das Schwingseil gibt den Kletterabschnitten eine gewisse Dynamik, ohne aber nennenswerte spielerische Substanz zu liefern. In Anbetracht dessen, dass man deutlich mehr klettert, ist es aber erfreulich, dass die Interaktion mit der Umgebung unterhaltsamer gestaltet wurde. Durch regelmäßige reaktive Button-Inputs und mehrere Interaktionsmöglichkeiten an der Wand wird der Spieler im Geschehen gehalten und ein geistiges Abdriften wie in den PS3-Uncharteds vermieden.

Allerdings krankt das Leveldsign von Lost Legacy was die Kletterei anbelangt an einem Problem, das ich schon bei God of War (2018) kritisiert habe: die optische Gestaltung der Umgebung steht nur in einem sehr losen Zusammenhang mit ihrer Interaktion und vom Spiel nicht gewünschte Vorgehensweisen, die optisch von gewünschten Vorgehensweisen nicht zu unterscheiden sind, führen zwangsläufig zum Tod. Besonders markant ist das im ersten Spieldrittel, in dem man sich viel über Dächer bewegt und auch immer mal wieder ein Stück weit nach unten fallen lässt: Wo das möglich ist und wo es im Tod endet, das lässt sich rein anhand der Gestaltung der Umgebung kaum unterscheiden. Gerade wenn man bedenkt wie flexibel sich das verwandte Parcours-Element aus den Tomb Raider-Spielen verhält, ist das reichlich enttäuschend.

Obwohl Lost Legacy über den Großteil des Spiels hinweg strikt linear ist, gibt es auch eine Mission in einer offenen Umgebung, in der man mehrere Teilaufgaben in beliebiger Reihenfolge absolvieren kann und zudem eine Reihe von Sidequests angehen kann, die ein wenig das Abenteurer-Feeling befördern sollen. Wenngleich mich die Gestaltung des Sumpfgebietes nicht begeistert hat und die Missionen einander ein wenig zu stark geähnelt haben, hat die geringere Lenkbarkeit von Seiten der Entwickler dazu beigetragen, dass in dieser Mission die Spielmechaniken selbst etwas zuverlässiger erscheinen und man die Mechaniken in einem etwas weniger engen Kontext explorieren kann.

Die technische Präsentation wie auch die Darstellung der Geschichte sind die Punkte, an denen sich Uncharted: The Lost Legacy von der britischen Rivalin etwas abheben kann. Zwar werden die Schauplätze gegen Ende des Spiels ähnlich abgehoben, die Darstellung der Protagonisten ist aber bedeutend bodenständiger und die gezeigten Emotionen sind weit glaubhafter. Wo Lara wie eine regelrechte Psychopathin wirkt, wirken Motive und Emotionen der Protagonisten in Uncharted: The Lost Legacy ausgewogen und glaubhaft.

Uncharted: The Lost Legacy ist ein rasanter spielbarer B-Film mit weitgehend kompetentem Gameplay. Keine der Spielmechaniken kann wirklich überzeugen, das Spiel ist aber auch nicht mehr aggressiv stümperhaft designt wie die Anfänge der Serie. Wer die Idee von Lost Legacy mag, aber mehr vom Gameplay erwartet, der wird mit den Tomb Raider-Spielen bedeutend besser versorgt, aber in Sachen Charaktere und deren Darstellung hat Lost Legacy die Nase vorn.

Getestet auf PlayStation 5.