
Seit meiner Kindheit bin ich ein großer Fan der Civilization-Reihe. Meine Liebe zur Reihe begann schon mit dem ersten Teil, doch ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie alt ich damals war. Direkt zum Release kann es aber nicht gewesen sein – da war ich gerade fünf, und Civilization war sicher noch eine Nummer zu kompliziert für mich. Doch mit den Jahren wuchs meine Faszination für die Serie, und mit jedem neuen Teil verbrachte ich etliche Stunden in der Weltgeschichte. Nun ist Civilization VII da – und es bringt einige spannende Neuerungen mit sich, die die Fans spalten werden. Doch welche dieser Neuerungen können mich begeistern und welche hätte man sich lieber sparen sollen?
Was macht die Civilization-Reihe aus?
Die Civilization-Reihe ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten rundenbasierten Strategiespielserien überhaupt. Seit dem ersten Teil im Jahr 1991 geht es darum, eine Zivilisation von der Steinzeit bis in die Moderne (und darüber hinaus) zu führen. Die Spieler erkunden die Welt, gründen Städte, betreiben Forschung, treiben Handel, führen Kriege und verhandeln mit anderen Anführern – mit dem Ziel, eine der möglichen Siegesbedingungen zu erreichen. Dazu gehören militärische Dominanz, wissenschaftlicher Fortschritt, kulturelle Überlegenheit oder diplomatischer Einfluss. Jede Runde stellt den Spieler vor neue strategische Entscheidungen, von der Platzierung einer Stadt bis zur Wahl des nächsten Technologiesprungs. Der berühmte „Nur noch eine Runde“-Sog sorgt dabei oft dafür, dass aus geplanten kurzen Spielsitzungen lange Nächte werden.

Revolution oder Evolution? Die Neuerungen im Detail
Civilization VII wagt mutige Änderungen. Die wohl größte Neuerung ist die dynamische Entwicklung der Zivilisationen. Statt von Anfang bis Ende mit einer Kultur zu spielen, wechseln wir mit jedem Zeitalter zu einer neuen, was für mehr Abwechslung sorgt. Wer in der Antike mit den Römern beginnt, kann sich später für eine wirtschaftsstarke Zivilisation wie die Niederlande oder eine militärische Macht wie Preußen entscheiden. Dieser Ansatz fühlt sich frisch an und bringt spannende strategische Entscheidungen mit sich, wird aber sicherlich nicht jedem gefallen. Auch mir hat es in meiner ersten Runde erst einmal den Spielspaß zerstört, da ich es vorher nicht wusste und es mir ein wenig den Spielfluss zerstörte. Dies ist jedoch eher eine Gewohnheitssache und schon im zweiten Durchgang weiß man Bescheid und passt seine Strategie entsprechend an.
Erstmals wurden zudem globale Krisen eingeführt, die am Ende jedes Zeitalters auftreten und alle Zivilisationen vor erhebliche Herausforderungen stellen. Diese Krisen können verschiedene Formen annehmen, darunter Krankheiten, die sich ausbreiten und von Ärzten behandelt werden müssen, oder auch Unruhen, die unabhängig vom eigenen Spielstil auf jeden Fall auftreten. Um diese zu bekämpfen muss man verschiedene Krisenpolitiken einführen. Diese sind, anders als die ebenfalls wieder enthaltenen Sozialpolitiken, ausschließlich negativ und man muss das geringste Übel auswählen. Dies ist durchaus interessant, fühlt sich aber auch ein wenig unfair an. In meinem ersten Durchgang hatte ich z.B. erst eine Stadt, als das erste Zeitalter endete und trotzdem waren die Bürger unzufrieden, weil die Hauptstadt nicht die Interessen des gesamten Volkes abdeckt. Mein Volk war aber ausschließlich in der Hauptstadt.
Ausgebaut wurden auch die Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Überschwemmungen oder Stürme, die das Spielgeschehen dynamischer und unvorhersehbarer gestalten. Diese sind durchaus realistisch, können aber auch wirklich nerven. Besonders wenn man eine Stadt in der Nähe eines Vulkans übernimmt ist man ständig damit beschäftigt Gebäude zu reparieren. Dies dauert zwar nur eine Runde, ist aber allein dadurch nervig, dass man jedes einzeln davon anklicken muss.

Ebenfalls neu ist das überarbeitete Einheitensystem. Armeen bestehen nun nicht mehr aus einzelnen Einheiten, sondern aus Kommandanten, die Truppen anführen und verbessern können. Dadurch entstehen tiefere taktische Möglichkeiten, was mir besonders im späteren Spielverlauf gefallen hat. Wie vieles andere auch, hätte dies jedoch besser erklärt werden können und muss erst durch mühsames ausprobieren erlernt werden.
Eine weitere große Neuerung betrifft die Stadtentwicklung. Arbeiter gibt es nicht mehr – stattdessen wachsen Städte nun organisch, indem neue Bezirke gebaut werden, die sich an bereits bestehende anfügen. Das sorgt für eine realistischere Stadtentwicklung, kann aber auch schnell unübersichtlich werden, da nicht immer klar ist, welche Verbesserungen sinnvoll sind. Dies ist insbesondere nach einem Wechsel der Zeitalter der Fall, doch hierzu später mehr.
Eine neue Ressource bereichert das Spiel
Die meiner Meinung nach gelungensten Neuerungen in Civilization VII ist die Einführung der Einflussressource, die das Diplomatiesystem erheblich bereichert. Durch das Sammeln von Einfluss können Spieler gezielt mit unabhängigen Mächten interagieren, die im Spielverlauf auftreten. Diese ersetzen die Barbaren, die man aus alten Teilen kennt und die im letzten Teil zu Release völlig unnötig aggressiv waren und den Einstieg in das Spiel selbst für Veteranen zur Herausforderung werden ließen. Diese unabhängigen Mächte können durch den Einsatz von Einfluss schrittweise zu Stadtstaaten entwickelt werden, wobei der Spieler die Rolle des Suzeräns übernimmt. Als Suzerän erhält man nicht nur wertvolle Boni, sondern kann auch die militärischen Einheiten des Stadtstaats kontrollieren und sogar dessen Territorium in das eigene Reich eingliedern. Dieses System eröffnet vielfältige strategische Möglichkeiten:
• Diplomatische Expansion: Anstatt ausschließlich durch militärische Eroberungen zu wachsen, können Spieler friedlich ihren Einfluss ausweiten und so ihr Reich vergrößern.
• Ressourcensicherung: Durch die Integration von Stadtstaaten können seltene Ressourcen gesichert werden, die für den eigenen Fortschritt entscheidend sind.
• Militärische Unterstützung: Die Kontrolle über die Armeen der Stadtstaaten ermöglicht es, strategische Positionen zu stärken und potenzielle Bedrohungen effektiver abzuwehren.
Dieses dynamische Zusammenspiel von Diplomatie und Expansion verleiht dem Spiel eine zusätzliche Tiefe und fördert kreative Herangehensweisen bei der Reichsbildung. Die Möglichkeit, unabhängige Mächte durch diplomatischen Einfluss zu integrieren, bietet eine gelungene Alternative zu traditionellen Eroberungsstrategien und bereichert das Spielerlebnis um eine weitere Dimension.

Viele Baustellen – wortwörtlich und im Design
Doch so spannend die Neuerungen auch sind, Civilization VII hat aktuell einige Probleme. Besonders die Benutzeroberfläche macht es dem Spieler nicht leicht, da sie häufig wichtige Informationen versteckt oder gar nicht erst bereithält. Ein besonders ärgerliches Beispiel ist der Wechsel der Zeitalter: Viele alte Gebäude werden dadurch weniger nützlich, und man kann sie durch neue ersetzen. Doch das Spiel zeigt nicht an, welche Boni dabei verloren gehen.
Gerade in einem rundenbasierten Strategiespiel, in dem jede Entscheidung langfristige Folgen haben kann, ist diese fehlende Transparenz ein großes Manko. Mir ist auch nicht klar, wie es den Entwicklern nicht aufgefallen sein kann. Einige Änderungen liegen sicherlich daran, dass das Spiel nun auch auf Konsolen erhältlich ist und sich somit mit einem Controller spielen lassen muss. Das erklärt jedoch nicht, warum man z.B. Abzüge durch abgerissene Gebäude nicht angezeigt bekommt. Dies würde nur wenig mehr Platz benötigen, da die Boni durch das neue Gebäude ohnehin auf dem Bildschirm erscheinen.
Schwierig zu erkennen sind auch die eigenen Einheiten. Nicht selten habe ich diese suchen müssen und selbst wenn ich sie gefunden habe, musste ich sie erst anklicken um mir sicher zu sein, welche Einheit ich gerade betrachte. Dies liegt sicherlich auch ein wenig daran, dass ich noch nicht alle neuen Einheiten kenne, es hat aber definitiv auch etwas mit der schlechten Lesbarkeit der Karte zu tun. Im Kriegsfall kann diese Unübersichtlichkeit eine Schlacht entscheiden.

Auch das Diplomatiesystem ist ausbaufähig. Die Idee einer neuen „Einfluss“-Ressource für diplomatische Interaktionen ist zwar sehr gut, aber die KI der Computergegner bleibt problematisch. Oft trifft sie irrationale Entscheidungen, erklärt Kriege ohne ersichtlichen Grund oder nimmt unsinnige Deals an. Hier hätte ich mir eine smartere Umsetzung gewünscht.
Und dann sind da noch die fehlenden Tutorials. Selbst als Veteran der Serie brauchte ich einige Stunden, um mich an die neuen Mechaniken zu gewöhnen. Für neue Spieler dürfte der Einstieg noch deutlich schwieriger sein – hier wäre eine bessere Einführung dringend nötig. Man bekommt zwar anfangs ein wenig Hilfestellung und die Berater haben gute Tipps parat, doch gerade die vielen neuen Mechaniken werden fast gar nicht erklärt und man muss sich vieles selbst erschließen. Ich habe einige meiner Kritikpunkte sogar selbst noch einmal gegooglet um sicherzugehen, dass das auch wirklich so ist. Es hätte genauso gut sein können, dass ich etwas falsch verstanden habe. Kombiniert mit dem verbesserungswürdigen UI und den fehlenden Detailinformationen kann so also schon Frust aufkommen.

Fazit: Ein gutes Spiel, das noch besser werden wird
Trotz der Kritik hatte ich wieder diese Nächte, in denen ich mir sagte: „Nur noch eine Runde.“ Civilization VII hat das Potenzial, eine würdiger Vertreter der Serie zu werden. Die neuen Mechaniken bringen frischen Wind, und das Gameplay ist nach wie vor fesselnd. Doch momentan gibt es einfach noch zu viele Baustellen. Die Benutzeroberfläche ist unübersichtlich, die KI unausgereift und das Diplomatiesystem verbesserungswürdig.
Deshalb fällt mir mein Fazit schwer: Civilization VII kann irre viel Spaß machen, aber ich werde es erst einmal ein Jahr lang zur Seite legen. Ich bin sicher, dass Firaxis mit Updates viele Probleme beheben wird – und dass das Spiel dann nicht nur noch besser, sondern auch günstiger sein wird. Mein Rat an alle, die über einen Kauf nachdenken: Wartet lieber noch. Civilization VII ist gut, aber es wird in Zukunft noch viel besser sein. Und wenn wir uns alle über eine Sache sicher nicht beschweren können, dann sind es zu wenig neue und alte Spiele, die wir unbedingt anfangen wollen.

Vielen Dank an 2K für die Bereitstellung des Mustercodes. Getestet wurde die Steam Version.